Virtuelle Welten für Kinder werfen zahlreiche Fragen auf

Auf der Virtual Worlds Conference 2008 in New York gaben die Erfolgsmeldungen der auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen virtuellen Welten den Ton an. Doch werfen die Plattformen für Kids auch ethische und rechtliche Fragen auf.

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Von
  • Dr. Andreas Lober

Auf der Virtual Worlds Conference 2008 in New York gaben die Erfolgsmeldungen der auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen virtuellen Welten den Ton an. Etablierte Anbieter stellten in New York neue Projekte vor. Doch werfen die Plattformen für Kids auch ethische und rechtliche Fragen auf.

Die erfolgreiche, aber relativ statische virtuellen Haustierzucht Neopets leistet sich ein passendes Massively Multiplayer Online Roleplaying Game (MMORPG) unter dem Namen World of Neopia. Geschäftsführerin Kyra Reppen strotzte bei der Präsentation vor Selbstbewusstsein und kündigte ein "völlig neues Spielerlebnis" an. Auch wenn man dies getrost als Marketing-Sprech abtun darf - angesichts der großen Fanbasis scheint der Erfolg des für Ende des Jahres geplanten, web-basierten MMORPGs vorprogrammiert. Danach soll jährlich eine weitere virtuelle Welt für Kinder gestartet werden, 100 Millionen Dollar will das Medienunternehmen in die Entwicklung investieren.

Die Puppen-Welt Barbie Girls sorgte dagegen bereits vor Monaten für Schlagzeilen mit einer Million Registrierungen innerhalb des ersten Monats nach dem Start. Inzwischen zählt Barbieland nach Angaben des Betreibers Mattel über 11 Millionen Teilnehmerinnen. In Kürze steht die nächste Stufe der Kommerzialisierung an: Barbie Girls V.I.P. ist die kostenpflichtige Premium-Version des Angebotes.

Ob Neopets oder Barbie – das Vertrauen der jungen Kunden und deren Eltern wird von den Betreibern als wichtiges Kapital angesehen. Rosie O'Neill von Barbie Tech wies auf das weit verbreitete Misstrauen der Erziehungsberechtigten hin. 38 Prozent der Mütter glaubten nicht, dass die von ihren Kindern genutzten Webseiten sicher seien, 43 Prozent stehen den Online-Aktivitäten ihrer Kinder kritisch oder gerade noch neutral gegenüber, aber nur 38 Prozent nutzen die bestehenden Kontrollmöglichkeiten für Eltern.

In einem solchen Klima, meint O'Neill, wäre es leichter für bekannte Marken, denen Eltern schon seit Jahren vertrauen. Gleichzeitig setzt man auf Aufklärung und gibt den Nutzerinnen Tipps zur Sicherheit. Zusätzlich soll durch ein "online community familiy agreement" die Akzeptanz innerhalb der Familie gefördert werden. Familien können damit eigene "Spielregeln" festlegen, deren Einhaltung allerdings von den Betreibern der Barbie Girls nicht kontrolliert wird.

In den USA soll der Children's Online Privacy Protection Act (COPPA) für einen gewissen Schutz von Kindern unter 13 Jahren sorgen. Nach dem COPPA muss beispielsweise eine Privacy Policy aufgestellt werden. Zudem sind Regeln enthalten, wann und auf welche Weise die Erziehungsberechtigten zustimmen müssen, wenn Kinder ein Online-Angebot nutzen möchten. Die amerikanische Aufsichtsbehörde Federal Trade Commission (FTC) hat in der Vergangenheit Strafen in Höhe von im Einzelfall bis zu einer Million Dollar wegen Verstößen gegen den COPPA verhängt.

Bei Barbie Girls bedeutet dies, dass die Interessentinnen eine Mailadresse der Erziehungsberechtigten angeben müssen und das Angebot erst nutzen können, wenn von dieser aus eine Aktivierung des Accounts erfolgt. Eine weitere Kontrolle der Zustimmung der Erziehungsberechtigten erfolgt nicht. Die Barbie-Fans werden aber aufgefordert, ihre Anonymität zu wahren. Zudem geben Barbie wie auch Neopets an, ihre virtuellen Welten rund um die Uhr zu überwachen und Filtersoftware installiert zu haben, so dass problematische Verhaltensweisen möglichst schnell entdeckt und unterdrückt werden können.

Auch wenn es an den Geldbeutel der Kinder geht, sind die Betreiber der Kids-Welten erfindungsreich. Premium-Mitglieder des angekündigten Barbie Girls V.I.P. bekommen neben einer Krone auch Zugang zu neuen Erlebniswelten, die deutlich mehr Interaktion versprechen. Zunächst soll alles auf Abo-Basis laufen, weil nach Meinung von Mattel die Akzeptanz der Eltern für den Verkauf virtueller Gegenstände (noch?) nicht ausreicht. Bei Neopets ist man hier weniger zurückhaltend.

Grundsätzlich soll durch den COPPA auch an Kinder gerichtete Werbung eingeschränkt werden, insbesondere im Hinblick auf Gewinnspiele. Anwalt Joe Rosenbaum ist zudem der Meinung, dass bald weitere Einschränkungen erlassen werden. Nach deutschem Wettbewerbsrecht (UWG) und europäischen Richtlinien sind hier schon jetzt recht enge Grenzen gesetzt. Verboten sind danach beispielsweise Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, die geschäftliche Unerfahrenheit insbesondere von Kindern oder Jugendlichen auszunutzen (§ 4 Nr. 2 UWG). Die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verbietet ausdrücklich aggressives Geschäftsgebaren und damit alle direkten Aufforderungen an Kinder, ein Produkt kaufen oder kaufen zu lassen.

Die EU-Richtlinie (PDF-Datei) für audiovisuelle Mediendienste (auch "Content-Richtlinie" genannt) bekräftigt diesen Grundsatz und verbietet zudem ausdrücklich Product Placement in Kinderprogrammen. Für Online-Spiele soll diese zwar nicht gelten. Wenn man virtuelle Welten für Kinder als Online-Spiele ansieht, wird dieses Verbot aber bei der Auslegung von Wettbewerbsrecht zu berücksichtigen sein. Dies dürfte noch für einige Diskussionen sorgen. (Dr. Andreas Lober) / (vbr)