Vodafone und Porsche starten 5G-Campusnetz

Der Entwickler fährt künftig virtuell mit, wenn ein Fahrzeug Porsches Teststrecke in Weissach umrundet.

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(Bild: Porsche)

Lesezeit: 6 Min.

Vodafone hat das Entwicklungszentrum des Sportwagenherstellers Porsche mit einem Campusnetz auf Basis der 5G-Mobilfunktechnik ausgerüstet. Laut dem Netzbetreiber handelt es sich um das weltweit erste 5G-Campusnetz auf Basis der modernen Standalone-Technik (5G-SA).

Die Zusammenarbeit mit Porsche und weiteren Partnern schließt an Vodafones Einführung der selbstständigen 5G-Technik in seinem eigenen Netz an. Den Standalone-Betrieb hatte Vodafone zusammen mit dem Ausrüster Ericsson im April dieses Jahres für sein eigenes Netz in Deutschland eingeläutet. Zuvor stützten sich Vodafones 5G-Basisstationen ausschließlich auf das LTE-Kernnetz des Unternehmens (Non-Standalone, NSA). Die Standalone-Technik verkürzt die Latenzen beim Surfen auf 10 bis 15 Millisekunden und verbessert die Reichweite um rund 20 Prozent.

Einige der Vorteile, die sich Porsche vom privaten Campusnetz verspricht, kennt man in ähnlicher Form von älteren Campusnetzen auf LTE-Grundlage, darunter etwa dem des Elektroautoherstellers e.Go. So gewährleistet die auf dem Gelände in Weissach eingerichtete Mobile Edge Cloud campusweit kurze Latenzen (anfänglich 9 Millisekunden, später noch weniger) und hohe Bandbreiten; die Daten des Sportwagenherstellers verlassen das Gelände nicht.

Für Porsche dürfte das Campusnetz aber noch spezielle Vorteile in der Autoentwicklung bringen. Beispielsweise lassen sich Sensordaten von Fahrzeugen auf der Teststrecke mit 5G-typischen kurzen Latenzen auslesen und im lokalen Rechenzentrum verarbeiten. Das komme etwa dem Motorsport zugute, erklärte Porsche-Chef Michael Steiner anlässlich des Starts des Campusnetzes. So könne eine Entwicklerin oder ein Entwickler virtuell im Fahrzeug mitfahren, was dann in die Qualität der Konstruktion einfließt. Eine Grundlage dafür sei die 5G-gestützte Augmented Reality (AR).

Später könnten auch Kunden von der AR-Technik profitieren und etwa virtuelle Fahrzeuge in verschiedenen Konfigurationen in unterschiedliche Umgebungen auf ihrem Smartphone einblenden. Aber natürlich könne man auch 5G-basierte Anwendungen wie die Internetanbindung für Musik- und Video-Streaming oder für Software-Updates over the Air erwarten, so Porsche. Etwas weiter am Horizont liegen dann 5G-gestützte Assistenzsysteme für hochautomatisiertes Fahren und etwa Schwarmintelligenz zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Damit knüpft insbesondere Vodafone an die Forschung und Entwicklung an, die der Netzbetreiber zusammen mit diversen Partnern auf der Teststrecke in Aldenhoven bei Aachen noch 2017 mit LTE angestoßen hat. Die Versprechen von damals ähneln sich, die Umsetzung liegt aber weiterhin in der Zukunft. So erläuterten auch in Weissach Spezialisten ihre Zukunftsvisionen zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr.

5G-vernetzte und mit mehreren Kameras bestückte Autos könnten etwa die Umgebung aufnehmen und mit den Daten ein nahe gelegenes Rechenzentrum füttern, dass beispielsweise Kollisionskurse mit Fußgängern oder Radfahrern rechtzeitig erkennt und beteiligte Fahrzeuge informiert, sodass diese geeignete Maßnahmen treffen können, Notbremsung inklusive. Eine Grundlage dafür ist die 5G-Konnektivität und wiederum die sehr kurzen Latenzen bei der Kommunikation mit der Cloud. Mittels Network-Slicing wird den dringenden Daten Vorrang vor üblichem Kommunikationsverkehr eingeräumt. Die Kollisionskursberechnung gründet auf der Positionsermittlung mit einer Genauigkeit von unter einem Meter.

Für das Campusnetz von Porsche setzt Vodafone seine ersteigerten Mobilfunkfrequenzen im 3,5-GHz-Band ein, zwackt davon aber für Porsche erforderliche Funk-Ressourcen wiederum mittels Network-Slicing ab. Das Campusnetz erstreckt sich auf der gesamten Fläche des Entwicklungszentrums in Weissach und deckt auch Innenräume ab. Damit sei die technische Basis für "schnellere und bessere Produktion" gelegt, erklärt Vodafone-Chef Hannes Ammetsreiter. Porsche könnte in seinem Entwicklungszentrum beispielsweise Prozessoptimierungen ausprobieren und dann auf Produktionsstandorte verteilen. Die Konzernmutter VW hat sich dazu bereits 2019 eigene Gedanken gemacht und überlegt, ein Campusnetz komplett in Eigenregie und mit eigenen Frequenzen zu betreiben.

Denn der Hauptanreiz, eigene Campusnetze auf Mobilfunkbasis aufzusetzen, liegt für die Industrie in der Entkabelung, die beispielsweise flexibleren Fertigungsrobotern den Weg ebnet. Hinzu kommt die schnellere Erfassung von mehr nützlichen Daten und deren koordinierte Verarbeitung, sodass etwa jederzeit der Materialfluss in der Fertigung klar ist. Viele Produktionsprozesse funktionieren zwar schon lange zuverlässig auf Grundlage von verkabelten Maschinen, etwa per Industrial Ethernet. Vodafone stellt Campusnetze aber hauptsächlich WLAN gegenüber und wird nicht müde zu predigen, dass WLAN "Pakete verliert" und daher in der Produktion ungeeignet sei. Das trifft freilich nur auf Prozesse mit besonders hohen Anforderungen an die Sicherheit und die Signallaufzeit zu; längst nicht alles, was heute in einem Werk kabellos per WLAN vernetzt ist, muss auf 5G aufgerüstet werden.

Allerdings sind WLAN durchaus auch harte Grenzen gesetzt, über die aktuell 5G zumindest am lautesten hinweghilft. So ist etwa das bei der Industrie berüchtigte War-Driving per WLAN bei Campusnetzen schon technisch nicht möglich – denn der Campusnetz-Admin kann schon mittels der Zuteilung von speziellen SIM-Karten bestimmen, wer in sein Netz darf. Betriebsfremde haben so gar keine Chance, sich in ein Campusnetz einzubuchen, um es auszukundschaften. Und es spielt dann keine Rolle, ob man im Smartphone versehentlich das WLAN eingeschaltet gelassen hat, das dann zeitkritisch gesteuerten Maschinen die Funkressourcen abknappst.

Porsche hätte sein Campusnetz aber ebenso gut in Eigenregie aufsetzen können. Doch im Volkswagen-Reich dürfen die Konzerntöchter in Sachen Campusnetze eigene Wege gehen und anscheinend rentiert es sich zumindest für das Entwicklungszentrum, eine Kooperation mit Vodafone einzugehen. So muss Porsche weder eigenes Mobilfunk-Know-how aufbauen, noch Spezialisten zur Verwaltung und Fortentwicklung des Netzwerks beschäftigen. Über die Kosten dringt freilich nichts nach Außen.

(dz)