Voice-over-IP an der langen Leine

Die FCC hält das VoIP-Angebot Free World Dialup für einen Internetdienst -- Regulierung wie Notrufanforderungen und Überwachungsbestimmungen fallen weg. Die EU wie die FCC wollen VoIP-Dienste aber noch einmal unter die Lupe nehmen.

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Von
  • Monika Ermert

Das Voice-over-IP-Angebot von Jeff Pulvers Free World Dialup (FWD) ist kein Telekommunikations-, sondern ein reiner Informationsdienst. Das entschied die US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC). Als Informationsdienst bleibt das Angebot von einer ganzen Reihe rechtlicher Anforderungen freigestellt, die für Telekommunikationsdienste gelten. So fällt FWD beispielweise nicht unter die 911-Notrufanforderungen oder die Überwachungsbestimmungen des Communications Assistance for Law Enforcement Act von 1994 (CALEA).

FCC-Chef Michael Powell meinte, das VoIP-Angebot für die FWD-Nutzer unterscheide sich in keiner Weise von anderen Internetdiensten wie etwa E-Mail. Die Tatsache, dass der Dienst kostenlos und auf die Teilnehmer an FWD beschränkt ist, wertete Powell als Beleg dafür, dass es sich nicht um einen öffentlichen Telefoniedienst handele. "Unsere Entscheidung bestätigt den FCC-Kurs, Internetregulierung zu vermeiden und damit das Internet als freie und offene Plattform für Innovationen zu erhalten", betonte Powell. Eine frühzeitige Regulierung und dabei vor allem auch konkurrierende Gesetzgebung in den einzelnen Bundesstaaten würde der Einführung neuer Technologien zuwiderlaufen.

Einig war sich die FCC bei der Entscheidung zu Gunsten von Pulver allerdings nicht. Kommissar Michael Copps beschied seine Kollegen: "Wir springen ohne hinzusehen." Er sei gegen den Schnellschuss, weil die Belange der Strafverfolgung und auch die öffentliche Sicherheit vernachlässigt worden seien. Das FBI und das Justizministerium hätten in vielen Gesprächen darauf gedrängt, zuerst die anstehenden Fragen nach den Überwachungsvorkehrungen zu klären. "Die Mehrheit will aber lieber jetzt sofort entscheiden und die Beantworung dieser Fragen später lösen", kritisierte Copps, der sich gegen die Freistellung von FWD aussprach.

Das letzte Wort bei der Regulierung von Internetdiensten ist mit der FCC-Entscheidung keineswegs gesprochen. Die Regulierer kündigten an, man werde in den kommenden Monaten verschiedene Verordnungen für IP-Services in Angriff zu nehmen. Gleichzeitig soll sich eine Serie von Gipfelgesprächen zwischen Behörden und Wirtschaftsvertretern mit der künftigen Behandlung von IP-Diensten beschäftigen. Am 18. März lädt die von Powell ins Leben gerufene Arbeitsgruppe Internet-Regulierung zum ersten Gespräch ein, bei dem es um die Behandlung von Notrufen in IP-Diensten gehen soll. Eigene Gipfelgespräche sollen zur Überwachung gemäß CALEA, zum barrierefreie Zugang und zu Grundsatzfragen der Ausfallsicherheit stattfinden.

Powell meinte, mit der unaufhaltsamen Migration in die IP-Netze beginne eine neue Ära, das US-Telekommunikationsgesetz, das aus dem Jahr 1996 stamme, sei längst von der Technik "neu geschrieben worden." Die Frage, welche Neuregelungen in der Ära der IP-Netze notwendig sind, bezeichnete er als "wichtigste Aufgabe in der Geschichte der Kommunikation".

Ganz ähnlich sieht das wohl auch die Europäische Kommission in Brüssel. Sie legte Anfang der Woche ein 186 Seiten starkes Papier vor, das sich mit der Zukunft der Regulierung von IP-Telefonie befasst. Für die Europäer steht wie für die US-Kollegen die Frage im Mittelpunkt, ab wann ein IP-Dienst einem öffentlichen Telefonieangebot (Public Available Telephony Service, PATS) gleichzusetzen ist und damit entsprechender Regulierung (Sicherheit, Überwachung, Anforderungen an Interconnection, Zugang zum Kunden, öffentliche Gebühren) unterliegt. Anders als die FCC im Fall Pulver hat beispielsweise die finnische Regulierungsbehörde kürzlich entschieden, dass die VoIP-Sparte von Telia allen Regulierungen eines PATS unterfällt.

Das EU-Papier rät zwar zur Vorsicht bei Auflagen für IP-Telefonieanbieter, die sie eigentlich gar nicht erfüllen können -- etwa bei der genauen Ortslokalisierung beim Notruf. Andererseits wird aber auch davor gewarnt, IP-Anbietern hinsichtlich der Ausfallsicherheit ihrer Netze zu weit entgegenzukommen. Die zunehmende Migration von Sprachverkehr in IP-Netze lasse solche Lockerungen nicht zu. Die Kommission will bei einem Workshop am 15. März auch darüber diskutieren, inwieweit durch die neuen Angebote in manchen Mitgliedsländern der Nummernraum zu eng werden könnte und wie die Mitgliedsländer auf extraterritoriale IP-Telefonieangebote reagieren können. (Monika Ermert) / (jk)