Volkspetition gegen Kirchenprivilegien

Mit 100.000 Unterschriften soll der österreichische Nationalrat gezwungen werden, sich mit der finanziellen und anderweitigen Begünstigung von Religionsgemeinschaften auseinanderzusetzen

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1933 schloss der damalige österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß einen Konkordatsvertrag, durch den sich die katholische Kirche zahlreiche finanzielle und andere Privilegien sichern konnte. Dollfuß hat heute keinen besonders guten Ruf mehr, aber sein Konkordat besteht weiter. Bisher wagten es weder Sozialdemokraten noch Freiheitliche und schon gar nicht die mit der katholischen Kirche eng verbundene Österreichische Volkspartei (ÖVP) daran zu rütteln. In der jüngsten Vergangenheit wurden allerdings so viele Missbrauchsfälle bekannt, dass Gegner der Kirchenprivilegien nun den Versuch wagen, dieses Tabu über eine Volkspetition anzugehen, die in Österreich den für den deutschen Leser irreführenden Namen "Volksbegehren" trägt.

In dieser von Organisationen wie der Plattform Betroffene kirchlicher Gewalt, der Giordano-Bruno-Stiftung, dem Freidenkerbund Österreich und der Initiative Religion ist Privatsache unterstützen Volkspetition wird gefordert, dass die im Konkordatsvertrag festgeschriebenen Privilegien wie die Bezahlung von Bauten und Gehältern aus der Staatskasse, die Bezuschussung katholischer Privatschulen und die Steuerbefreiungen für kirchliche Güter mittels einer Verfassungsergänzung gestrichen werden. Außerdem soll es ein Bundesgesetz zur Aufklärung kirchlicher Missbrauchs- und Gewaltverbrechen geben, die der Handhabung solcher Fälle mit dem Kirchenrecht einen Riegel vorschiebt.

In ihrer ersten Stufe benötigt die Volkspetition bis 15. Oktober mindestens 8.032 Unterschriften von Unterstützern, die ab 15. März auf den Gemeindeämtern und bei den Magistraten geleistet werden können. Wird diese Quote erreicht, dann kann damit eine "Eintragungswoche" beantragt werden. Kommen in dieser Eintragungswoche mindestens 100.000 Unterschriften zusammen oder übersteigt ihre Zahl in mindestens drei Bundesländern jeweils ein Sechstel der Wahlberechtigten, dann muss sich das österreichische Bundesparlament, der Nationalrat, mit der Volkspetition auseinandersetzen. Allerdings ist er nicht gezwungen, ein Gesetz zu erlassen oder eine Volksabstimmung anzusetzen, sondern kann sie nach kurzer und folgenloser Debatte zu den Akten legen.

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Engelbert Dollfuß