Vom Rechner bis zum Mondflug – wie Frauen die Technikgeschichte prägten

Frauen trugen zu vielen Entdeckungen aus Wissenschaft und Technik ihren Teil bei – oftmals, ohne dass ihre Leistungen ausreichend gewürdigt wurden.

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Eileen Marie Collins im Jahr 1995 als Pilotin des Spaceshuttle Discovery

(Bild: NASA)

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Inhaltsverzeichnis

Ohne die Pioniertaten und Unterstützung durch Frauen wären viele Meilensteine in Wissenschaft und Technik nicht möglich gewesen oder gar unentdeckt geblieben. Dennoch blieb vielen Pionierinnen die Anerkennung ihrer Errungenschaften verwehrt. Und bis heute kämpfen Frauen um ihren gerechten Platz in der Gesellschaft. Eine (kleine) Übersicht bedeutender Persönlichkeiten aus Wissenschaft, IT und Raumfahrt.

Die Wiege der Programmierung ist weiblich. Die britische Mathematikerin Ada Lovelace gilt als erste Programmiererin komplexer Rechenoperationen überhaupt. Als einziges Kind von Lady und Lord Byron wuchs sie ausschließlich in der Obhut ihrer Mutter auf, die sich wegen langjähriger Streitereien einen Monat nach Adas Geburt von ihrem Mann getrennt hatte. Sie wuchs unter strengen Vorgaben auf und ihre Mutter führte Ada nicht nur in Naturwissenschaften und Mathematik ein, sondern im Alter von 19 auch in die Londoner High Society. Ada heiratete 1834 William King, dem späteren Earl of Lovelace.

Augusta Ada King-Noel, Countess of Lovelace (* 10. Dezember 1815 in London; † 27. November 1852 ebenda), hier 1836 verewigt in einem Gemälde von Margaret Sarah Carpenter.

Er unterstützte ihren Forschungsdrang und schrieb in wissenschaftlichen Bibliotheken Artikel für sie ab, weil zu der Zeit Frauen eine Nutzung untersagt war. Die visionäre Leistung war ihre Übersetzung einer Beschreibung der Analytical Engine, einer geplanten Rechenmaschine des englischen Mathematikprofessors Charles Babbage. Der italienische Mathematiker Frederico Luigi Menabrea, hatte nach einem Treffen mit Babbage die Maschine beschrieben. Lovelace übersetzte Menabreas Bericht aus dem Französischen und versah ihn auf Anregung von Babbage mit zahlreichen Anmerkungen, durch die der Text aufs Dreifache wuchs.

Lovelace skizzierte darin nicht nur den ersten universalen Computer, sondern beschrieb in ihrem Plan zur Berechnung von Bernoulli-Zahlen eine der ersten Arten der Programmierung. Jedoch wurde die Rechenmaschine nie gebaut, sodass Lovelaces visionäres Werk zu ihren Lebzeiten nie die verdiente Anerkennung bekam und weitgehend in Vergessenheit geriet. Erst als die ersten Computer gebaut wurden, besann sich die Wissenschaft auf die Leistung von Ada Lovelace. Heute sind Preise, Initiativen und sogar eine Programmiersprache nach ihr benannt.

Die ersten Programmiererinnen moderner Rechenanlagen mussten weniger visionär, mehr ausgebildete Spezialistinnen sein. Der "Electronical Numerical Integrator And Computer" (ENIAC) - Großrechner war ursprünglich für ballistische Berechnungen der US-Army geplant, wurde aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt und sollte dann Berechnungen zu Kernexplosionen anstellen. Er wurde von mehreren Programmiererinnen bedient:

Die Programmiererinnen des ENIAC (4 Bilder)

Am ENIAC-Computer: Programmiererin Frances Elizabeth "Betty" Holberton und im Hintergrund ein Kollege.
(Bild: Gemeinfrei)
  • Kathleen Mauchly Antonelli (geb. McNulty)
  • Marilyn Meltzer (geb. Wescoff)
  • Frances Spence (geb. Bilas)
  • Frances Elizabeth Holberton (geb. Snyder)
  • Ruth Teitelbaum (geb. Lichterman)
  • Elizabeth Jean Bartik (geb. Jennings)

Sie mussten bis zur Abschaltung des Rechners Ende 1955 die Rechner-Komponenten je nach Rechenart über Steckverbindungen neu verkabeln, via Drehschalter einstellen und mit Lochkarten steuern. Eine anstrengende Pionierarbeit, für die die Bedienerinnen keine Anerkennung in der Öffentlichkeit bekam, im Gegensatz zu den Erbauern. Erst als die amerikanische Forscherin Kathy Kleiman in den 1980ern auf Fotos die Bedienerinnen der Maschine entdeckte, brachte sie deren Leistungen ans Licht der Öffentlichkeit.

Ebenfalls lange Zeit unter dem Radar blieb die Leistung der Frauen, die im Hintergrund dafür sorgten, dass die Apollo-Astronauten sicher zum Mond und wieder zurückkehrten. Entscheidenden Anteil daran hatten die afroamerikanischen Mathematikerinnen Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson. Sie berechneten unter anderem die Flugbahnen der Gemini- und Apollo-Missionen mit und entwickelten eine an Fixsternen orientierte Notfall-Navigation für den Fall, dass der Computer ausfällt.

Astronauten wie John Glenn, der als erster US-Astronaut in einer Umlaufbahn um die Erde flog, schätzten ihre Kompetenz mehr als die Fähigkeiten der berechnenden Computer. Er machte es zur Bedingung, dass die "computers who wear skirts" ('Computer, die Röcke tragen') die Zahlen gegenchecken.

Frauen, die Wissenschaft und Technik prägten (11 Bilder)

Marie Curie (* 7. November 1867 in Warschau, Russisches Kaiserreich; † 4. Juli 1934 bei Passy, Frankreich) war Physikerin und Chemikerin, die den Begriff "radioaktiv" prägte und gemeinsam mit ihrem Ehemann Polonium und Radium entdeckte. Sie war die einzige Frau, die zwei Nobelpreise erhielt, und ist (von Zweien) die Einzige, die Nobelpreise in verschiedenen Fachgebieten bekam.

Und doch wurden sie in Zeiten der Rassentrennung separiert und ihr Anteil an den Mercury-, Gemini- und Apollo-Missionen war lange Zeit unbekannt. Erst mit der Zeit wurde den "Computern mit Röcken" die Anerkennung zuteil. Ihre Geschichte würdigt Margot Lee Shetterly in ihrem 2016 erschienenen Sachbuch "Hidden Figures", das auch verfilmt wurde.

Katherine Johnson im Jahre 1966

Die Programmiererin Margaret Hamilton wurde ebenfalls erst verspätet eine Anerkennung für ihre Leistung als Chefin des Programmierteams der Apollo-Mission zuteil: So schuf ihr Team trotz limitierter Hardware eine robuste und dennoch intelligente Software, die viele Merkmale wegweisend gilt. Ihre Leistung geriet ebenfalls zeitweise in Vergessenheit und erfuhr dann spät eine Ehrung: Wie Katherine Johnson 2015, wurde Margaret Hamilton für ihre Leistungen während der Apollo-Missionen 2016 durch Barack Obama die Medal of Honor verliehen.

Heutzutage wäre so etwas bei der NASA vermutlich nicht möglich: Es ist mittlerweile eine Behörde, die auf Diversität achtet. Und mit der nächsten Mondlandung soll auch erstmals eine Frau den Erdtrabanten besuchen. Auch in Deutschland geht es voran: Mit Martina Koderitz übernahm erstmals eine Frau den Chefposten von IBM Deutschland, den sie bis 2017 innehatte, und die auch eine klare Meinung über Frauen in der IT hat.

Wenn mit der Zeit auch viele Fortschritte in IT und Wissenschaft zu verzeichnen sind, haben es wissenschaftlich orientierte Frauen heutzutage, insbesondere im Internet, nicht leicht. Und auf die Frage, wie wichtig ihnen der Frauentag ist, antworteten dem Autor viele sinngemäß: Statt an einem Tag im Jahr Glückwünsche zu bekommen für eine Leistung, für die sie nichts können, sei es ihnen wichtiger an den anderen Tagen ernst genommen und für Ihre Leistung respektiert zu werden.

Weltumspannende Krisen wie Corona oder der Klimawandel erfordern nicht nur eine globale Zusammenarbeit über Grenzen hinweg, sondern auch die Einbindung der klügsten Köpfe, unabhängig von Weltanschauung oder Geschlecht.

(mawi)