Vor 25 Jahren: BTX startet zur Funkausstellung

Dem neuen "Massenmedium" sollte nach den Plänen der Bundespost ein Traumstart gelingen, obwohl das eigens bei IBM bestellte Verbundsystem noch nicht lieferbar war. 500 Millionen DM wollte die Bundespost in ein System installieren.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute vor 25 Jahren, mit einem in der Tagesschau übertragenen symbolischen Druck auf den obligatorischen "roten Knopf", wurde am Vorabend der Internationalen Funkausstellung der Postdienst Bildschirmtext gestartet. Einen Tag vor Beginn der Messe sollte dem neuen "Massenmedium" ein Traumstart gelingen, obwohl das eigens bei IBM bestellte Verbundsystem noch nicht lieferbar war. 500 Millionen DM wollte die Bundespost in ein System installieren, das spätestens 1986 eine Million Teilnehmer haben sollte.

Seit 1977, als auf eben jener IFA das britische Viewdata-System vorgeführt wurde, arbeiteten Post-Techniker an dem neuen Medium. Mit einem verbesserten Rechner war das System zuvor in Westberlin (2982 Teilnehmer) und in Düsseldorf/Neuss (2237 Teilnehmer) in einem 100 Millionen DM teuren Feldtest auf Herz und Nieren geprüft worden. Nach eingehenden Teilnehmerbefragungen durch Soziologen und Psychologen machte man einen "riesigen Bedarf" in der Bevölkerung aus, obwohl die Versuchsteilnehmer überwiegend "gut ausgebildete, technisch interessierte, gut verdienende Männer mittleren Alters" waren und keineswegs repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Überraschend hatte IBM im Sommer 1981 nach einer nur 6 Wochen dauernden Ausschreibung den Auftrag im Wert von 30 Millionen DM für das "Backend-System" mit einer Rechnerzentrale in Ulm und 16 Regionalrechner gewonnen. Der "Hoflieferant" SEL ging leer aus, bekam später jedoch 28 Millionen für ein Pflichtenheft zum System, das der Bundesrechnungshof als "mangelhaft" einstufte.

Die Vorstellung von BTX (5 Bilder)

Bereits zur IFA 1977 wurde BTX angekündigt, 1983 offiziell gestartet

Angeblich die erste E-Mail (vom 26.8.1977), verschickt per BTX [aus der Broschüre des damaligen Postministeriums zu BTX]

Auf der Seite der "Frontends" entschied sich die Bundespost für den erst im Mai 1981 verabschiedeten CEPT-Standard mit 480 × 250 Bildpunkten und 32 darstellbaren Farben aus einer Palette von 4096. Zwar gab es für diesen Standard zur Auftragsvergabe des Gesamtsystems noch keine Decoder-Chips, doch die Bundespost schrieb Kritikern, dass "diese Herausforderung durch den allgemeinen Fortschritt in der Mikroelektronik leicht zu bewältigen ist". Die Stiftung Warentest als Sprachrohr der Inhalteanbieter jubelte über die Pastelltöne, "dass Bildschirmtext nunmehr eine gestalterische Dimension erhält, die das gesamte Spektrum gesellschaftlicher Nutzungen (von der wissenschaftlichen über die wirtschaftliche und die publizistische bis hin zur künstlerischen Nutzung) zulässt." Die Entscheidung für CEPT hatte zur Folge, dass zum Start 1983 auf der IFA nur Blaupunkt und Loewe CEPT-Decoder anbieten konnten, die überdies bei 2000 DM lagen und nicht bei den prognostizierten 500 DM.

Wie erwähnt, konnte IBM zur IFA sein Backend-System nicht liefern, was die Firma jedoch erst im Mai der Post mitteilte. In aller Eile mussten von DEC gebaute Rechner des britischen Bildschirmtext-Systems als Übergangslösung BTX-fähig gemacht werden. Sie verkrafteten jedoch nur rund 5000 Teilnehmer gegenüber den von IBM garantierten 300.000. Mit ihrer aufwendigen IFA-Darstellung konnte die Post über 9000 Teilnahmeanträge sammeln, die auf Wiedervorlage gelegt werden mussten, bis im Juni 1984 der BTX-Leitrechner von IBM angeschlossen wurde. Zur Lieferung von IBM mussten zudem 60 Bänder mit 400.000 BTX-Seiten auf den CEPT-Standard konvertiert werden, was Probleme machte.

BTX hatte alles andere als einen Traumstart. 1987 musste der damalige Bundespostminister Schwarz-Schilling verkünden: "Wir haben 700 Millionen DM in BTX investiert und waren nicht in der Lage, den Gerätemarkt zu beeinflussen." Diese Aussage geschah vor dem Hintergrund, dass Schwarz-Schilling die Produktion und Vermarktung von 200.000 "MultiTels" ankündigte. Das waren "erweiterte Telefone" zum Monatspreis von 48 DM (Schwarzweiß) bzw.78 DM (Farbe), die nach dem Vorbild des französischen Minitels als elektronisches Telefonbuch funktionieren sollten. Auch dieser Plan zum Durchstarten misslang: Die Telefonabteilung der Bundespost klagte gegen die BTX-Abeteilung und setzte durch, dass nicht mehr als 40.000 Geräte gebaut werden durften. Außerdem durften im BTX-System nur die Daten abgefragt werden, die auch an die Telefonbuch-Verlage geliefert wurden, mit der Konsequenz, dass die Daten der telefonischen Auskunft aktueller waren. Auch MultiTel floppte.

Wenig überraschend befand im Jahr 1989 ein Gutachter über den BTX-Start: "Alles in allem hat bei Bildschirmtext die Initialschubkraft nicht ausgereicht, um weit genug von der Startrampe abzuheben. Zu teure Endgeräte, nicht überzeugende Angebote und eine zu komplizierte Technik machten das System zu schwerfällig, um die notwendige Höhe zu gewinnen und die Freiflugbahn zu erreichen."

Siehe dazu auch:

[Detlef Borchers) / (jk)