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Vor 25 Jahren: Das WWW taucht im Usenet auf

Detlef Borchers
Vor 25 Jahren: Das WWW taucht im Usenet auf

Weltweit verknüpft

(Bild: Facebook)

Das Internet feiert wieder einmal einen seiner vielen Geburtstage: Auf den Tag genau vor 25 Jahren stellte Tim Berners-Lee das Projekt WorldWideWeb in der Usenet-Gruppe alt.hypertext vor.

Genau vor 25 Jahren antwortete der am Genfer CERN beschäftigte Informatiker und Physiker Tim Berners-Lee auf die in alt.hypertext gestellte Frage zum Entwicklungsstand bei Hypertext-Systemen [1] mit einer kurzen Beschreibung des Projekts WorldWideWeb [2]. Wenige Stunden später schickte er eine "Executive Summary" [3] des Projektes an die Usenet-Gruppe, die mit http://info.cern.ch/hypertext/WWW/TheProject.html [4] den Verweis auf die Ur-Website enthält, die am 13. November 1990 [5] installiert worden war.

Das Usenet mit seinen Newsgroups [6] (in Mailbox-Systemen auch Foren genannt) ist seit jeher ein Ort, an dem man ausgiebig über alles Mögliche und Unmögliche diskutieren konnte. Die Frage nach Hypertext-Systemen, die Querverweise und Verlinkungen innerhalb verschiedenster Texte bilden, gehörte seit Jahren dazu, ehe Berners-Lee dort postete. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Debatte, als im Jahre 1987 Apples Hypercard [7] erschien. So beschäftigte sich der "Cypherpunk" John Gilmore schon 1987 mit der Frage, ob innerhalb des Usenet eine Hypertext-Verlinkung [8] aufgebaut werden könnte.Den Höhepunkt der kritischen Auseinandersetzung mit Hapertext als Ausdrucksmittel der Cyberpunks, Hacker und Anarchisten wurde 1990 erreicht, als Gareth Branwyn erstmals das im Hypercard realisierte Manifest Beyond Cyberpunk! [9] veröffentlichte, eine massive Textsammlung von 5,5 Megabyte.

Tim Berners-Lee beschäftigte sich am Genfer Kernforschungszentrum CERN frühzeitig mit Hypertext-Systemen, mit denen die ausufernde Forschungsliteratur der Physiker besser erschlossen werden sollte. Im Jahre 1980 entwarf er die Software Enquire [10], die man aus heutiger Sicht als Wiki beschreiben kann. Er verließ bald darauf das CERN, kehrte aber 1984 zurück, um am SGML-basierten [11] Dokumentationssystem CERNDOC zu arbeiten. Die Unzulänglichkeiten dieses Systems brachten ihn dazu, 1989 einen Vorschlag zur Fortentwicklung [12] einzureichen, der zu den Anfängen des World Wide Webs gerechnet wird. Dieser Vorschlag nennt ausdrücklich das von Ted Nelson entwickelte Xanadu [13], das jedoch niemals fertiggestellt wurde.

Das einfacher konzipierte Projekt WorldWideWeb von Berners-Lee gewann hingegen schnell an Fahrt, auch weil dieser nach dem Kauf einer NeXT-Station über einen entsprechend leistungsfähigen Rechner verfügen konnte. Nachdem im November 1990 die erste Website lief und für andere Rechner der erste Browser [14] verfügbar war, machte sich Berners-Lee daran, sein System zu propagieren. So gab er vor der nun gefeierten Newsgroup-Vorstellung [15] im Usenet im CERN ein Seminar für seine Kollegen und ging mit seiner Idee auf Touren.

Neben den Diskussionen um seinen Hypertext-Ansatz im Usenet öffnete Berners-Lee im Oktober 1991 die Mailingliste WWW-Talk [16] und besuchte mit seinem NeXT die Hypertext-Konferenz in San Antonio [17]. Dort hatte man sein Referat über das WorldWideWeb zwar abgelehnt, aber er hatte einen Demo-Tisch bekommen, an dem er das System vorführte. Früh setzte Kritik an seinem Hypertext-Ansatz ein. Die lauteste kam von Ted Nelson, der das Projekt WorldWideWeb als Klon seiner Idee ansah. In seiner Autobiographie "Possiplex" schrieb Nelson 2011, dass die von Berners-Lee gefundene Lösung namens HTML [18] 15 Jahre seines Lebens zerstört habe.

Zwar halte er Berners-Lee für einen ehrenwerten Mann und soliden Programmierer, doch: "Der Web-Browser ist teuflischerweise erdacht worden, um alles zu zerstören, an das ich glaube und wofür ich gearbeitet habe". Tim Berners-Lee dachte übrigens selber, dass sein Ansatz nicht für die Ewigkeit geeignet ist. Auf der dritten Web-Konferenz im Dezember 1995 sprach er als Direktor des World Wide Web Consortiums [19] in der Keynote über das, was in den nächsten fünf Jahren im Web passieren wird: "Spätestens in fünf Jahren wird es keinen Browser mehr geben." (mho [20])


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[1] https://groups.google.com/forum/embed/#!topic/alt.hypertext/eCTkkOoWTAY
[2] https://groups.google.com/forum/?hl=de#!original/alt.hypertext/eCTkkOoWTAY/urNMgHnS2gYJ
[3] https://www.w3.org/People/Berners-Lee/1991/08/art-6487.txt
[4] http://info.cern.ch/hypertext/WWW/TheProject.html
[5] https://www.heise.de/news/Vor-20-Jahren-Das-WWW-ein-weiteres-Kapitel-Hypertext-1135991.html
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Usenet
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/HyperCard
[8] https://groups.google.com/forum/?hl=de#!topic/alt.hypertext/dkH9YPDPles
[9] http://www.streettech.com/bcp/BCPgraf/4zones.html
[10] https://en.wikipedia.org/wiki/ENQUIRE
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Standard_Generalized_Markup_Language
[12] https://www.heise.de/news/Vor-20-Jahren-Ein-schwer-vermittelbarer-Vorschlag-und-der-Anfang-des-Web-205966.html
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Projekt_Xanadu
[14] http://line-mode.cern.ch/www/hypertext/WWW/TheProject.html
[15] https://www.w3.org/blog/2016/08/25-years-ago-the-world-changed-forever/?pk_campaign=feed&pk_kwd=25-years-ago-the-world-changed-forever
[16] http://ksi.cpsc.ucalgary.ca/archives/WWW-TALK/archives.html
[17] http://info.cern.ch/hypertext/Conferences/HT91/Overview.html
[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Hypertext_Markup_Language
[19] https://www.w3.org/
[20] mailto:mho@heise.de