Vor dem ICANN-Meeting: Wie groß soll die Netzverwaltung sein?

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) will beim bevorstehenden Treffen in Kuala Lumpur ihr neues Budget beschließen.

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  • Monika Ermert

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) will beim bevorstehenden Treffen in Kuala Lumpur ihr neues Budget beschließen. Der erste Entwurf hatte für einige Diskussionen gesorgt. Aber wie groß muss die Netzverwaltung sein, was darf sie kosten und wer soll das bezahlen? Vor dem Treffen der Internet- und DNS-Verwaltung, bei dem auch das weitere Verfahren um neue Top Level Domains (TLD), das anstehende Vergabeverfahren für .net und internationalisierte Domains auf dem Programm stehen, gibt es dazu unterschiedliche Ansichten und einen Reihe von Forderungen an die ICANN-Büros in Marina und Brüssel.

Eine starke private Netzverwaltung wünschen sich die Registrare, also die Domain-Endverkäufer, sagt Tom Keller von Schlund & Partner, der für die Registrare im Beschlussgremium für die generischen Top Level Domains (GNSO) sitzt. Angesichts der Debatte beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft, wo es bei einem offenen Treffen der UN-Arbeitsgruppe Internet Governance nun erst wird, muss ICANN Flagge zeigen, findet Keller. Eine Verlagerung der Aufsicht zu einem UN-Gremium, etwa der ITU, würde die Mitsprache der Registrare einschränken. So haben sie schon bislang, wenn auch murrend, den dicksten Scheck mitgebracht: 75 Prozent der Kosten tragen sie.

"In der Tat braucht ICANN auch zusätzliches Personal, das dafür sorgt, dass die bestehenden Arbeitsgruppen etwa zum Whois vorankommen", meint Keller. An einem datenschutzverträglichen System mit offiziellen, öffentlich abfragbaren Whois-Informationen über die Inhaber von Domains arbeiten die GNSO-Mitglieder nun schon seit weit über einem Jahr, mit ehrenamtlicher Arbeit allein sei das nicht zu schaffen.

Über all die Diskussionen werde allerdings manche technische Aufgabe viel zu langsam erledigt, finden die DNS- und IP-Experten. Gert Doering, IPv6-Experte bei der Münchner SpaceNet, klagt zum Beispiel, dass ICANN sich bei der langsam anziehenden Vergabe von IPv6-Adressblöcken seit Jahren auf einen "vorläufigen" RFC von 1998 stützt, der schon lange überholt gehört. "ICANN vergibt nach wie vor nur /23-Adressblöcke an die Regional Internet Registries (RIRs), mit dem Ergebnis, dass RIPE bereits jetzt an die 15 Blöcke beantragen musste." Doering meint, angesichts der Größe des Adressraumes wäre es konsequent, jeder der bald fünf RIRs einen /8-Adressblock (nach CIDR-Terminologie, entsprechend einem früheren Class-A-Netz) zu geben. Damit wäre der Adressbedarf auf Jahre hinaus abgedeckt und es würde auch eine Fragmentierung vermieden, die den Administratoren Mehrarbeit einbringt. "Wir könnten dann leicht das, was wir an Informationen aus anderen Blöcken nicht brauchen, ausfiltern." Selbst im guten alten -- und viel kleineren -- IPv4-Adressraum werden /8-Blöcke ausgegeben, doch bei IPv6 klammere man sich in Marina del Rey trotz viel Überzeugungsarbeit nach wie vor an den längst überholten RFC.

Eine gewisse Resistenz gegenüber Vorschlägen aus der "Gemeinde", auf die sich ICANN erklärtermaßen immer bezieht, beklagt auch Peter Koch, Mitglied des Vorstands der deutschen Internet Society (ISOC). Nachdem sich die Netzverwaltung lange habe bitten lassen, IPv6 auch in der Root-Zone einzuführen, steht dies nun unmittelbar bevor. Doch dafür verabschiedete ICANN ein Dokument, das im Falle technischer Problemen erlaubt, Delegationen zu widerrufen. Was eigentlich dafür gedacht war, bei überlaufenden, weil mit IPv6-Adressen angereicherten UDP-Paketen einen Teil der Adressen wieder herauszunehmen, kann nun auch ganz allgemein auf technische Probleme und Nichterreichbarkeit gemünzt werden. "Auch bei Gesetzesvorschlägen wird doch oft gesagt, dass man eine besonders strenge Auslegung natürlich nicht verfolgt, aber wenn etwas mal im Gesetz steht...", warnt Koch.

Für Sabine Dolderer, Chefin der .de-Registry DeNIC, ist dies ein Beispiel dafür, dass ICANN dazu neigt, zu viele Aufgaben an sich zu ziehen. Das DeNIC gehört zu einer Reihe von Länderregistries, die nach wie vor keinen Vertrag mit ICANN eingehen möchten. Im Vorfeld des Treffens von Kuala Lumpur kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Vertretern des ICANN-offiziellen Länderregistry-Gremiums (ccNSO) und den "Abtrünnigen." Letztere planen ein eigenes Treffen, um Vereinnahmungsversuchen der ccNSO-Truppe entgegenzutreten. Auch wenn Dolderer sich verwundert über Ankündigungen äußert, dass ICANN sich nur mit den "Offiziellen" über Fragen von Nameserver-Änderungen unterhalten will, sieht sie den Streit zwischen den Parteien gelassen. Insgesamt habe sich die Situation bei den Updates verbessert und bezahlen wolle man daher, was notwendig sei. "Wir wollen ICANN nicht auf der Tasche liegen, sondern das bezahlen, was wir konsumieren und nicht mehr." Dass man von den Länderregistries nicht bekommt, was man gerne hätte, hat ICANN schon selbst einkalkuliert: Von den ursprünglich angesetzten fünf Millionen sind nur 1,2 Millionen fest eingeplant.

Die ICANN habe den Budgetvorschlag nach Gesprächen mit den verschiedenen Gruppen auch bereits angepasst, teilte auf Anfrage von heise online ICANNs Sprecher Kieran Baker aus Kuala Lumpur mit. "Es wurden Kürzungen als Antwort auf die Konsulationen mit den Registraren und anderen Fachgruppen vorgenommen", betonte Baker. Wie genau das neue Budget aussieht, verriet Baker noch nicht. Die Netzverwalter halten im übrigen den Anteil der Registrare selbst für ziemlich hoch; man suche durchaus nach alternativen Finanzierungsquellen. Ein Vorschlag dazu lieferte gerade die OECD in einem Bericht über den TLD-Markt. Darin wird anregt, über neue TLD-Auktionen nachzudenken. (Monika Ermert) / (jk)