Vorbereitung für Mars-Expedition: ESA-Astronaut steuert Rover aus dem Orbit

Die ersten Astronauten, die den Mars erreichen, werden dort wohl noch nicht landen, sondern im Orbit bleiben. Von dort könnten sie Rover auf der Oberfläche steuern. Genau das hat die ESA nun schon einmal getestet.

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Rover Bridge

Der Rover "Bridget" in der Höhle

(Bild: ESA)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der ESA-Astronaut Tim Peake hat von der Internationalen Raumstation aus einen Rover auf der Erde gesteuert, um ein wahrscheinliches Szenario für die Erkundung des Mars zu simulieren. Zwar ist die Steuerung eines weit entfernten Rovers nichts neues, sie erfolgt aber immer aus speziell eingerichteten Kontrollzentren und nicht aus einer Raumstation. Das ESA-Projekt Meteron (Multipurpose End-To-end Robotics Operations Network) widmet sich dem schon seit Jahren und soll in nicht allzu ferner Zukunft von der Realität eingeholt werden. Am Freitag führte Tim Peake dazu im Rahmen des Programms das Experiment Supvis-M (Supervisory Control of Mars Yard Rover) durch: Er übte die Steuerung eines Mars-Rovers aus einer Umlaufbahn um den Roten Planeten.

Wie geplant übernahm Peake kurz nach 16 Uhr die Kontrolle des Rovers "Bridget", der auf dem sogenannten "Mars Yard" von Airbus nördlich von London in einer 30 mal 13 Meter großen nachgebauten Marslandschaft bereit stand. Danach durfte sich der britische Astronaut für wenige Minuten an die Steuerung des Rovers gewöhnen, also die Kamera drehen und etwas in der nachgebauten Freifläche herumfahren, bevor es in die angrenzende Höhle ging. In der sollte Peake mithilfe der Lampen und Kameras des Rovers mehrere Zielobjekte finden: Steine mit nur unter UV-Licht sichtbaren Markierungen. Dafür musste Peake wechseln zwischen den normalen Rover-Lampen, die den Weg beleuchten und den UV-Lampen zur Suche nach den Steinen.

Das auf mehrere Jahre angelegte Projekt Meteron basiert auf der Annahme, dass die ersten Raumfahrer den Mars nicht betreten, sondern nur umfliegen werden. Das verringert die Risiken und wurde bereits beim Apollo-Programm der USA und dem Mond so gehandhabt. Auch wenn die Pioniere dann noch nicht auf der Oberfläche des Roten Planeten forschen könnten, wären sie doch viel näher vor Ort als jeder Wissenschaftler auf der Erde. Sie könnten Roboter auf der Oberfläche fast ohne Verzögerung steuern und in Gebiete schicken, die sich wegen der langen Signallaufzeiten für Curiosity & Co. verbieten. In Höhlen beispielsweise könnten sich Rover höchstens kurze Zeit aufhalten, bevor die durch Solarenergie gefüllten Akkus geleert sind. Außerdem kommen autonome und halb-autonome Fahrzeuge mit der dunklen Umgebung nicht klar. Hier können Astronauten helfen.

Roversteuerung aus der ISS (14 Bilder)

Der Kontrollraum bei der ESA vor Beginn des Experiments
(Bild: heise online/Martin Holland)

Anders als bei ISS-Experimenten eigentlich üblich, wurde Tim Peake auf die Steuerung des Rovers vorab nicht ausführlich vorbereitet. Der Faktor Mensch ist wichtiger Teil des Projekts Meteron und Peake sollte möglichst spontan unter realistischen Umständen auf die Situation reagieren. Die Beteiligten im Kontrollzentrum der ESA betonten immer wieder, nicht zu wissen, wie sich das Experiment entwickeln würde. Es wurden sogar Wetten darauf abgeschlossen, wie viele markierte Steine Peake finden würde. Der bekam lediglich einen Tag vor der Übernahme des Rovers ein kurzes Tainingsvideo zu sehen.

Das erläuterte kurz die Steuerung mithilfe zweier vorbereiteter Laptops und welche Aufgaben sich die Verantwortlichen überlegt hatten. Auf einem der beiden Laptops wurde Peake dann das Videosignal der Rover-Kamera angezeigt, über den anderen konnte er ihn steuern.

Das Meteron-Netzwerk

(Bild: ESA)

Auf dem Laptop zur Steuerung wurden Peake nur die wichtigsten Telemetrie-Daten "Bridgets" angezeigt. Zur Steuerung konnte Peake bestimmte Befehle eingeben, also etwa "Licht aus" oder "Drehe dich um 180° nach links". Daneben konnte er ihn aber auch wie in einem Computerspiel mit simplen Pfeiltasten bewegen – bei einer für Spiele eher nicht akzeptablen Latenz von 800 Millisekunden. Für diese Steuerung entschied sich Peake und schickte "Bridget" mit der Höchstgeschwindigkeit von 4 Zentimetern pro Sekunde (rund 0,144 Kilometer pro Stunde) in die Höhle. Dort fand er recht schnell sein erstes Zielobjekt, das er wie gewünscht und fast am korrekten Platz auf der Karte markierte.

Die Signale zur Steuerung des Rovers wurden von der ISS über die NASA-Netze zum ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt und schließlich zum Rover in Großbritannien geleitet. Zu Testzwecken erfolgte diese Übertragung über das besonders robuste Protokoll DTN (Delay Tolerant Network), das speziell für die Signalübermittlung im Weltall entwickelt und standardisiert wurde. Es ist darauf ausgerichtet, die immensen zeitlichen Verzögerungen zu verkraften und Datenverluste auf den langen Strecken zu verhindern. Eigentlich wäre es angesichts der relativ geringen Latenz zwischen ISS und Erdoberfläche nicht nötig, darauf zurückzugreifen, doch das Protokoll wurde ebenfalls zur Vorbereitung künftiger Mars-Missionen verwendet.

Insgesamt lief das Experiment fast reibungslos und die Verantwortlichen bei der ESA in Darmstadt aber auch Tim Peake zeigten sich danach sehr zufrieden. Aber es hatten sich auch Probleme angedeutet, die Astronauten am Mars ganz schöne Kopfschmerzen bereitet hätten. So gab es an einer Stelle ein Problem mit einem der Laptops, das die Bodenstation beheben musste – nicht wirklich eine Option am Mars. Später machte der Rover auf der Karte einen großen Sprung, was die Markierung von Zielobjekten nicht gerade erleichterte. Verantwortlich dafür war wohl ein Fehler in der Positionsbestimmung. Tim Peake kam damit aber ganz gut klar und setzte insgesamt fünf Markierungen für vier Zielobjekte. (mho)