Vorsichtiger Schlagabtausch über EU-Superregulierer

Nationale Regulierer üben vorsichtige Kritik an den Plänen der EU-Kommission, mehr Regulierungskompetenzen in Brüssel zu bündeln, sind gegenüber einer Weiterentwicklung der Dachorganisation der europäischen Regulierer aber aufgeschlossen.

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Von
  • Monika Ermert

Beim ersten öffentlichen Schlagabtausch über einen möglichen europäischen "Superregulierer" für den Telekommunikationsmarkt gaben sich Vertreter der EU-Kommission und der europäischen Dachorganisation der Regulierungsbehörden (European Regulators Group, ERG) diplomatisch. Auf einer Konferenz der portugiesischen Regulierungsbehörde Anacom mahnte der derzeitige ERG-Vorsitzende und italienische Chefregulierer, Roberto Viola, Augenmaß für das "richtige institutionelle Gleichgewicht" zwischen Europa und den nationalen Regulierern an.

Fabio Colasanti von der EU-Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien unterstrich, dass man die ERG weiterentwickeln, ihr eine stabilere Organisation, festes Personal und einen geschäftsführenden Direktor geben wolle. Allerdings soll die Entscheidung kontroverser Fragen, die in der ERG naturgemäß langwierig ist, letztlich bei der Kommission liegen. Der Vorschlag würde eine Verschiebung von Kompetenzen in Richtung Brüssel bedeuten. Daran ändert auch die laut Kommissionsvorschlägen geplante Übernahme der nationalen Regulierungschefs in den Vorstand der neuen European Electronic Communications Market Authority (EECMA) nichts. Colasanti sagte, es handele sich um eine Ausweitung der Kompetenzen der Kommission auf den Bereich der Maßnahmen. Bislang hatte die Kommission nur bei der Marktanalyse und der Identifizierung marktbeherrschender Unternehmen das letzte Wort.

Colasanti begründete den Schritt damit, dass die nationalen Regulierer geltende EU-Richtlinien nach wie vor sehr unterschiedlich umsetzten. Daher habe man immer noch keinen einheitlichen Binnenmarkt, sondern 27 nationale Märkte. "Wir haben eine Situation, die nicht schlecht ist, aber sie muss verbessert werden." Colasanti sagte, in der Generaldirektion sei man der Überzeugung, dass es nicht ausreiche, bestehende Regeln besser anzuwenden. Als Beispiel führte er die Unterschiede bei Terminierungsentgelten im Mobilfunkmarkt an. Bei der ERG werde diese seit über einem Jahr diskutiert, noch sei aber keine gemeinsame Position in Sicht. "Um diese Situation zu verbessern, braucht man jemanden mit Entscheidungsbefugnis", meint Colasanti. Eine ERG mit offiziellem Status könne zudem besser mit Regulierern in aller Welt kooperieren, beziehungsweise deren Anfragen nach Unterstützung beantworten.

Viola hielt dem die Fortschritte bei der Arbeit der ERG gegenüber. Die ERG sei mit 27 Vollmitgliedern und acht Beobachtern von Nicht-EU-Mitgliedsländern das größte Netzwerk nationaler Regulierer und habe als solches inzwischen durchaus gute internationale Verbindungen geknüpft. Im laufenden Jahr habe man bereits gemeinsame Stellungnahmen zu Next Generation Networks, Interconnection und zu der ebenfalls von der Kommission geforderten funktionalen Trennung von Unternehmensteilen bei marktbeherrschenden Unternehmen veröffentlicht. Demnächst werde man ebenso eine gemeinsame Position zur Regulierung von VoIP veröffentlichen. "Harmonisierung der Regulierung ist eine Kernaufgabe und die ERG muss auf diesem Weg weitergehen", räumte Viola ein. Daher sei man Veränderungen, die für mehr Harmonisierung sorgten durchaus aufgeschlossen. Allerdings solle man nicht immer dem "Drang zur Zentralisierung nachgeben, wenn die Versuchung dazu da ist."

"Ich persönlich glaube nicht, dass wir eine solche Zentralisierung brauchen", sagte Anacom-Chef Jose Amado Manuel da Silva gegenüber heise online. Die ERG-Arbeit lasse sich weiter verbessern und daran arbeite man auch. Mit dieser Einschätzung steht da Silva nach Meinung von Beobachtern nicht allein. Colasanti sagte gegenüber heise online, einige Regulierungsbehörden stünden dem Vorschlag aufgeschlossen gegenüber und vor allem kleinere Regulierer gehörten zu den Befürwortern. Michael Bartholomew, Director der European Telecommunications Network Operators Association (ETNO) sagte, man könne sich auf eine stürmische Debatte in Europa gefasst machen. Er rechne nicht damit, dass große Regulierer wie etwa die Bundesnetzagentur sich den Vorschlägen der Kommission anschließen würden. Manche Unternehmen könnten einer vereinheitlichten Aufsicht dagegen durchaus etwas abgewinnen, da sie dann einen einzigen Ansprechpartner hätten.

Überaus kritisch sieht man allerdings bei der ETNO den Kommissionsvorschlag, marktbeherrschenden Unternehmen die funktionale Trennung von Endkunden- und Vorleistungsmarkt zu verordnen. Diese Maßnahme soll laut Kommission künftig den Regulierern als letztes Mittel zur Verfügung stehen, um gegen die fortgesetzte Marktdominanz eines Anbieters vorzugehen. "Das ist eine radikale Maßnahme, die so nie öffentlich diskutiert wurde", bemerkt Bartholomew. Am 15. November will die EU ihre Änderungsvorschläge zum Richtlinienpaket für die Telekommunikationsregulierung vorstellen. (Monika Ermert) / (vbr)