WCIT: Debatte über Abrechnungsmodelle für die Netze
Auf der World Conference on International Telecommunication in Dubai streiten die Delegationen darüber, nach welchem Modell der Datenverkehr zwischen den Netzen künftig abgerechnet werden soll.
Der Streit um Abrechnungsmodelle in den internationalen Netzen spaltet die Delegationen auf der Weltkonferenz der Telekommunikationsbranche WCIT in Dubai. Die USA wollen bei der Novelle des globalen Telekommunikationsvertrags (ITR) auf regulierte Abrechnungsmodelle verzichten und den entsprechenden Artikel 6 ganz streichen. Dagegen laufen Russland und einige afrikanische Länder Sturm, deren Netzbetreiber zum großen Teil noch nach ITR-Vorgaben abrechnen. Kritiker warnen, den Befürwortern der neuen Abrechnungsmodalitäten gehe es um die Übertragung des Verursacherprinzips aus der Telefonie auf den IP-Datenverkehr – der Sender soll zahlen.
Nur noch zwei Prozent des Datenverkehrs in den USA werden nach den alten ITR-Vorgaben abgerechnet, erläuterte Mindel De La Torre von der US-Regulierungsbehörde FCC. Nach Schätzungen der Behörde sind es in anderen Regionen auch nur maximal 9 Prozent. Alle anderen Sprach- und Datenverkehre würden zwischen Netzbetreibern auf Basis privater Verträge abgewickelt. "Darum sind wir für die Abschaffung von Artikel sechs und eine Regelung, die kommerzielle Vertragslösungen fordert", sagte De La Torre.
Keith Besgrove vom australischen Kommunikationsministerium hält völkerrechtlich verbindliche Bestimmungen zur Vertragsgestaltung nicht für angemessen. Allgemeine Empfehlungen der ITU zu Tarifen seien ausreichend, meint Besgrove. Trotz seiner ablehnenden Haltung soll Australien nun eine Gruppe leiten, die einen Kompromiss finden soll. Als Bedingung dafür nannte Besgrove, dass nicht reguliert wird, wo kommerzielle Abmachungen vorliegen.
Nicht nur in dem Adhoc-Komitee zum Artikel 6 geht es am Donnerstag ans Eingemachte. Eine Gruppe befasst sich mit Möglichkeiten, die Internetanbindung von Binnenstaaten zu verbessern, wozu es einen Vorschlag von Paraguay gibt. Mit einer Reihe der heiß umkämpften Definitionsfragen befasst sich eine Arbeitsgruppe unter Leitung des WCIT-Vorsitzenden Mohammed Nasser Al Ghanim.
Auch über mögliche Erweiterungen der ITR, etwa zur Förderung von Energieeffizienz, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit im Telekommunikationsgeschäft, wird sich eine Gruppe die Köpfe heiß reden. Des Weiteren stehen Fragen zur Verbesserung des Zugangs für Menschen mit Behinderungen auf dem Programm einer Arbeitsgruppe. Die Minimalisten unter den Delegationen halten die ITR allerdings nicht für den richtigen Rahmen für solche Ideen.
Der Einsatz des Bundeswirtschaftsministeriums für möglichst schlanke ITR stößt bei einer außergewöhnlich großen Koalition deutscher Verbände auf Wohlwollen. In einem gemeinsamen Brief würdigen die Verbände "einige legitime Anliegen", die innerhalb der ITU diskutiert werden müssten. Doch zeigt sich die Lobby auch "besorgt, dass andere von Mitgliedstaaten eingebrachte Vorschläge zu einer Fragmentierung des Internets in nationale Netzwerke führen könnten und Regierungen eine weitreichende Kontrolle in den jeweiligen nationalen Netzen ausüben könnten." Die Verbände sehen die Meinungsfreiheit und den freien Austausch von Informationen, Gütern und Dienstleistungen potentiell bedroht.
Unterschrieben haben den Brief die großen IT-Verbände eco und Bitkom, der BDI, die Initiative Europäischer Netzbetreiber, sowie cnetz, Digitale Gesellschaft, D64, Stiftung Neue Verantwortung, Medienstadt Leipzig und die Internet Society. Ob sich die demonstrative Einigkeit bewährt, wenn die Debatte über die von großen Netzbetreibern wie der Telekom beklagten Finanzierungslücken beim Breitbandausbau und "zweiseitigen Märkten" ernsthaft geführt wird, darf man bezweifeln.
Ein auch online verfügbarer Artikel in der aktuellen c't 26/2012 verdeutlicht Hintergründe und Interessenlagen zur World Conference on International Telecommunications:
Eine Themenseite versammelt die Berichte von heise online zur WCIT:
(vbr)