WIPO-Generalversammlung gestartet

Seit gestern verständigen sich die Mitgliedsstaaten der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf auf das Arbeitsprogramm der WIPO für das kommende Jahr.

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Von
  • Monika Ermert

Der brasilianische Kulturminister Gilberto Gil warnte beim Auftakt der Generalversammlung der World Intellectual Property Organisation (WIPO) gestern in Genf davor, die Balance zwischen Urheberrechts- und Patentansprüchen und dem öffentlichen Interesse aus den Augen zu verlieren. "Wenn diese Balance verloren geht", so Gil laut dem Bericht eines WIPO-Beobachters von CPTech, "beschädigt das die Natur des Wissens selbst." Nichts widerspreche dem Konzept des exklusiven Eigentums so sehr wie Ideen, deren (Mit-)Teilung niemandem zwangsläufig schade. Die WIPO-Generalversammlung ist das höchste Entscheidungsgremium der Mitgliedsstaaten. Bis zum 3. Oktober verständigen sich dabei die Mitgliedsstaaten auf das Arbeitsprogramm der WIPO im kommenden Jahr.

Gil sprach zwei der in den kommenden Tagen heiß umkämpften Themen an: den geplanten Schutz für Rundfunkunternehmen, den "WIPO Broadcasting Treaty", und die seit 2004 diskutierte "Entwicklungspolitische Agenda für die WIPO". Mit Blick auf den Broadcasting Treaty warnte er vor einem möglichen Scheitern der für kommenden August geplanten diplomatischen Konferenz. Der Termin für diese Vertragskonferenz war vom Ständigen Ausschuss der WIPO für Urheber- und verwandte Rechte (SCCR) gegen den Widerstand einer Reihe von Mitgliedsstaaten durchgedrückt worden.

"Die USA hält das Dokument SCCR 15/2 nicht für eine geeignete Grundlage zur Aufnahme diplomatischer Verhandlungen und hat dies in unserer Stellungnahme auch klar gemacht", teilte so etwa die Sprecherin des US-Patentamts auf Anfrage von heise online mit. Umstritten bleibt unter anderem, inwieweit der Schutz lediglich auf das Signal während der Übertragung beschränkt werden soll. Alle Rechte an aufgezeichnetem Material würden damit klassischem Urheberrecht überlassen. Die Generalversammlung könnte sich wegen der Differenzen im Prinzip noch gegen den Beschluss des SCCR wenden und die Vertragskonferenz aussetzen. Allerdings würde die WIPO sich vom einzigen Verhandlungsfortschritt aus dem vergangenen Jahr verabschieden.

Nicht recht weitergekommen ist man nämlich mit einer Einigung auf die entwicklungspolitische Agenda für die WIPO, die eine Gruppe von Entwicklungsländern auf Initiative von Brasilien und Argentinien 2004 erstmals eingebracht haben. Die so genannten "Friends of Development" fordern eine deutlich stärkere Berücksichtigung der Auswirkungen der stetig strengeren Schutzrechte für "Geistiges Eigentum" auf Entwicklungsländer ohne große Patentportfolios. Während die "Freunde" diese Agenda als grundlegendes Element jeglicher WIPO-Arbeit betrachten, würden die Industriestaaten das Thema gerne in einem speziellen Ausschuss behandelt wissen – und es damit "abschieben", befürchten die Initiatoren.

Auch beim Thema internationale Harmonisierung des Patentrechts gab es im vergangenen Jahr keinen Fortschritt. Die USA, Japan und die EU favorisieren als ersten Schritt eine Vereinheitlichung in den Bereichen Stand der Technik, Neuheitsschonfrist und Erfindungshöhe. Doch die Entwicklungsländer widersprechen einer einseitigen Harmonisierung. Wenn harmonisiert wird, wollen sie auch Maßnahmen gegen den Mißbrauch, gegen wettbewerbsfeindliche Praktiken sowie Ausnahmen und Ausschlüsse von einer Patentierbarkeit, die Offenlegung der Quellen und auch alternative Anreizsysteme für Innovationen berücksichtigt sehen. Die "Freunde" unterstützen so etwa auch die Initiative eines Völkerrechtsvertrages über den "Zugang zum Wissen". Das Fachblatt IP-Watch spricht davon, dass Patentfragen einerseits und entwicklungspolitische Fragen andererseits von den verschiedenen Seiten als Verhandlungsmasse in den anstehenden Gesprächen benutzt werden könnte.

Weitere Themen auf der Agenda der Generalversammlung sind die nächsten Schritte des WIPO-Ausschusses für Biodiversität und traditionelles Wissen, wo es ebenfalls kaum Fortschritte gab, und des WIPO-Ausschusses für die Durchsetzung von exklusiven Schutzrechten. Diese Durchsetzung und damit der "Kampf gegen Piraterie" ist laut IP-Watch offenbar von wachsender Bedeutung für die WIPO. (Monika Ermert) / (anw)