WIPO schlägt Schlichtungsstellen für Länder-Domains vor

Die World Intellectual Property Organisation möchte künftig auch Domainstreitigkeiten innerhalb der Länderadressbereiche, den country code Top Level Domains, schlichten.

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  • Monika Ermert

Die World Intellectual Property Organisation (WIPO) möchte künftig auch Domainstreitigkeiten innerhalb der Länderadressbereiche, den country code Top Level Domains (ccTLDs), schlichten. Noch bis zum 30. April sammelt die UN-Organisation Stellungnahmen zu ihrem neuesten Papier zum Markenschutz im Web. Das "Best-Practices"-Papier für die über 260 ccTLDs weltweit entwirft Mindeststandards für Domainregistrierung und Whois-Datenbanken, mit denen auch den Cybersquattern unter .de, .us oder .as der Garaus gemacht werden soll.

Als neutrale Schiedsstelle für Domainkonflikte bietet sich die WIPO den Managern der Länderdomains gleich selbst an und kann dabei auf einige Erfahrung aus dem Bereich der gTLDs verweisen. Im vergangenen Jahr wurden der WIPO mehr als 1.800 Fälle nach der auf Vorschlag der Adressen- und Namensraumverwalter der ICANN für .com, .net und .org eingeführten Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) vorgelegt (zur UDRP siehe auch den Artikel Namenspatron in Ausgabe 24/1999 der c't).

Immer mehr Länderdomains lassen Registrierungen auch aus dem Ausland zu oder vermarkten ihre Domain sogar gezielt weltweit. Für Anthony Bishop vom Paradebeispiel .tv, der von dem US-Unternehmen Dot.TV aggressiv vermarkteten Länderdomain von Tuvalu, besteht "eigentlich kein Unterschied mehr zwischen einer ccTLD und einer gTLD". Dot.TV hat sich daher der Einfachheit halber gleich der UDRP unterworfen, die Zahl der anhängigen Fälle ist mit 15 sehr gering. 18 weitere ccTLDs lassen ihre Domainstreitigkeiten ebenfalls von der WIPO schlichten. So durfte das Unternehmen Hugo Boss vor kurzem einen Sieg über den Inhaber der Domain hugoboss.as feiern. Jetzt kann der schwäbische Modehersteller also sein Fähnchen auch in Amerikanisch-Samoa (.as) hissen.

Eine Reihe von ccTLDs hat inzwischen landeseigene Schlichterverfahren eingeführt, beispielsweise Nominet in Grobritannien oder das dänische NIC, das Entscheidungen innerhalb von 14 Tagen trifft. Auch in China hat am 1. Januar dieses Jahres eine Schiedsstelle ihre Arbeit aufgenommen.

Das DeNIC sieht im .de-Bereich dagegen keinen Bedarf für alternative Schlichtungsverfahren und beschränkt sich darauf, die Transfers umstrittener Domains solange zu blockieren, bis ein Streit zwischen den Parteien oder von einem Gericht entschieden ist. "Eindeutige Grabber-Fälle werden von den deutschen Gerichten eigentlich recht zügig entschieden", sagt DeNIC-Geschäftsführerin Sabine Dolderer. Der Zeitgewinn durch eine UDRP-Entscheidung fällt weg. In der Mehrzahl der Konflikte hätten inzwischen beide Parteien einen Anspruch auf den Namen, "die Wildwest-Stimmung ist eigentlich schon vorbei". Immerhin rund 5.000 Streitfälle um .de-Domains pro Jahr gibt es, "nicht so viel angesichts einer Zahl von über 4 Millionen Registrierungen", meint Dolderer. Allerdings sind dies deutlich mehr als in den extrem konservativen und daher auch kleineren Registries wie .fr oder .se. Die deutschen .de-Adressen können inzwischen auch durch Ausländer registriert werden, doch sichert die DENIC ihre neutrale Position im Streitfall dadurch ab, dass ausländische .de-Inhaber eine Kontaktperson in Deutschland als administrativen Kontakt, der im Streitfall als Zustellbevollmächtigter fungiert, angeben müssen.

Aber nicht nur die wachsende Zahl der Länderdomains, die sich Registrierungen aus dem Ausland öffnen, bereitet den Markenschützern Kopfzerbrechen. "Auch eine Domain, die in einer geschlossenen ccTLD registriert wird, kann Markenrechte in mehreren Rechtsordnungen verletzen, weil sie eine globale Präsenz möglich macht", urteilt das WIPO-Papier – und erteilt dem länderorientierten ccTLD-Konzept damit schon eine halbe Absage. Die Ausdehnung von Markenrechten auf geschlossene ccTLDs in Ländern, in denen ein Markeninhaber seine Marke noch nicht einmal eingetragen hat, ist allerdings recht fragwürdig. Auch wenn Schlichtungsverfahren im einen oder anderen Fall von Vorteil sein können, etwa wenn die Gerichte sehr langsam arbeiten, hofft die DeNIC-Geschäftsführerin, dass man mit den WIPO-Vorschlägen den ccTLDs nicht ihre eigenen Gesichter nehmen will.

Auch wenn die "Best Practices" keinesfalls als maßgeschneidertes Modell in den einzelnen ccTLDs eingeführt werden sollen, hält die WIPO doch ein gewisses Maß an Einheitlichkeit für überaus vorteilhaft, heißt es in dem Papier. Grundsätzlich soll sich nach WIPO-Vorstellungen jeder ccTLD-Kunde gleich bei seiner Registrierung einem Verfahren zur Konfliktlösung im Streitfall unterwerfen und sich zudem verpflichten, nicht wissentlich Markenrechte zu verletzen. Drastische Sanktionen schlägt die WIPO auch in der Frage nach korrekten Kontaktdaten vor: Die Angabe falscher Daten oder die Nichtaktualisierung bei Änderungen sollen "eine Verletzung des Vertrags mit der Registrierstelle" darstellen.

Heftig umstritten ist die Frage nach der Vorhaltung der Whois-Daten. Die WIPO sieht zur Absicherung von Markeninhabern eine lange Liste von Daten, angefangen von der Adresse bis hin zu E-Mail-Adresse, Telefon- und Faxnummern, als unverzichtbar an. Das DeNIC hat erst kürzlich alle persönlichen Daten mit Ausnahmen von Name und Postadresse aus ihren Datensätzen genommen, um deutschen Datenschutzanforderungen zu entsprechen. Auch mit Blick auf das Europäische Datenschutzrecht müsste die WIPO von ihrer Liste Abstriche machen. Für völlig undenkbar hält Sabine Dolderer darüber hinaus Abfragen, bei denen ausgehend vom Namen des Kunden alle von ihm registrierten Domains abgefragt werden können. "Es wäre für manches Unternehmen sicher interessant, welche Produktnamen sich sein Konkurrent reserviert hat." Insoweit würden sich die Markeninhaber also möglicherweise auch ins eigene Fleisch schneiden. (Monika Ermert) / (jk)