Warten auf Codot

Noch vor einem Jahr wurde spekuliert, daß die ersten neuen DVD-Player Mitte 1996 auf den Markt kommen sollten. Daß es aber nicht einmal mit dem Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr was werden kann, zeigte sich auf einer Konferenz, zu der die beteiligten Firmen erstmalig in Europa nach Brüssel eingeladen hatten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Dr. Bernd Steinbrink

Groß war der Optimismus vor einem Jahr, als sich konkurrierende Firmenkonsortien auf Druck der Computer- und der Filmindustrie darauf einigten, für die zukünftige Compact Disc einen gemeinsamen Standard entwickeln zu wollen. Im Weihnachtsgeschäft 1996 sollten Geräte für die neue Disc zum Verkaufsschlager werden, so hofften einige Marketing-Leute der in den letzten Jahren nicht gerade von großen Gewinnen verwöhnten Unterhaltungselektronikindustrie.

Da viele Firmen der Computerindustrie jedoch besonders im Nachfolge-Medium der CD-ROM einen großen Markt sehen, soll es auch eine DVD-ROM geben. In diesem Zusammenhang erschien aber der Name DVD und insbesondere die Auflösung des Kürzels mit 'Digital Video Disc' recht unsinnig, daher einigte man sich darauf, die neue DVD als 'Digital Versatile Disc' zu bezeichnen. Zunächst sollen DVD-Video- und DVD-ROM-Geräte und -Medien auf den Markt kommen, für später wird an DVD-Audio, DVD-Interactive und beschreibbare DVD-Medien gedacht.

Nach dem Namensstreit gab es Streit um die Lizenzen. Als innerhalb des Konsortiums kein Konsens über eine gemeinsame Lizenzvergabe und die Bewertung der jeweiligen Firmenanteile erzielt werden konnte, traten Sony und Philips, zuletzt auch Thomson, hervor und boten getrennt Teillizenzen an.

Schließlich stellte die Filmindustrie die Forderung für die DVD-Video, sie müsse über einen Ländercode und ein Verschlüsselungsverfahrung zum Kopierschutz verfügen. Der Ländercode soll dazu dienen, daß die Verwertungskette der Filmindustrie nicht zerstört wird. Ein DVD-Player, der beispielsweise in Deutschland verkauft wird, soll dann eine für den US-Markt hergestellte DVD-Video nicht wiedergeben können. Der Kopierschutz soll sowohl die analoge als auch die digitale Kopie von Titeln unterbinden.

In Brüssel gab es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Die Version 1.0 der DVD-Spezifikation ist fertig. Die schlechte: Die Probleme des Ländercodes und des Kopierschutzes sind noch nicht gelöst und zunächst noch ausgeklammert. Auch bei den Lizenzen gibt es noch keine Einigung, wohl aber eine Annäherung. In der nächsten Zeit, so kündigte Jan Oosterfeld, Präsident von Philips Key Modules, in seiner Begrüßungsrede an, könne mit einer Einigung gerechnet werden, so daß Lizenzen aus einer Hand erworben werden können.

Bei einem improvisierten Pressegespräch gab es von den Firmen des DVD-Konsortiums viele unterschiedliche Antworten zur Frage nach der Markteinführung der DVD-Video und der DVD-ROM. Während Philips und Sony davon ausgehen, daß es noch einer gewissen Zeit bedarf, um die noch ausstehenden Probleme zu lösen, erklärten Vertreter von Toshiba, in Japan würden DVD-Video-Player und DVD-ROM-Drives noch in diesem Oktober und November eingeführt. Der europäische und amerikanische Markt werde im Frühjahr nächsten Jahres in Angriff genommen.

Ein Sprecher von Matsushita erklärte, auch Panasonic werde noch in diesem Jahr Geräte auf den Markt bringen, ein anderer schränkte aber wieder ein, ohne Einigung auf einen Kopierschutz sei das nicht möglich. Auch ein Vertreter von Time Warner erklärte, Spielfilme auf DVD-Video werde es von seiner Firma erst geben, wenn die Kopierschutz-Angelegenheit geklärt sei. Da aber auch die DVD-ROM-Geräte von dieser Diskussion betroffen sind, weil DVDs ja auch mit diesen Drives und in Verbindung mit PCs laufen sollen, ist auch in diesem Markt vor einer Klärung des Kopierschutz- und Ländercodeproblems kaum Bewegung zu erwarten, auch wenn hier und da kräftig getrommelt wird (z. B. Toshiba).

Die Firmen des DVD-Konsortiums stimmen offenbar nicht darin überein, wie in welchem Zeitraum die Probleme ausgeräumt werden können. Das erkennt man zum Beispiel an Toshibas Optimismus hinsichtlich des Zeitpunktes der Markteinführung. Optimisten rechnen damit, daß in den nächsten Wochen eine Klärung kommen wird, andere rechnen mit einigen Monaten. Zudem erklärte ein Sprecher von Toshiba, er rechne nicht mit einer zeitgleichen Markteinführung der Geräte unterschiedlicher Hersteller, vielmehr würden die unterschiedlichen Anbieter zu verschiedenen Zeitpunkten einsteigen.

Daß Philips nach den Erfahrungen mit CD-I und DCC sowie Sony nach Experimenten mit unterschiedlichen Multimedia-Formaten nicht gerade an vorderster Front marschieren wollen, erscheint dabei verständlich.

Bei der Frage des Ländercodes ist offenbar tatsächlich kaum noch mit Problemen zu rechnen. Der Code soll den Weltmarkt in sechs unterschiedliche Bereiche aufteilen, darauf habe man sich bereits geeinigt. Dabei handele es sich um einen Vorschlag, der allerdings noch mit der Filmindustrie abzugleichen sei. Hier seien aber keine Schwierigkeiten mehr zu erwarten.

Unklarheit herrsche allerdings noch darüber, inwieweit der Vorschlag für den Kopierschutz akzeptiert werde. Auf analoger Basis werde man auf das bereits bei Kaufkassetten eingesetzte Verfahren 'Macrovision' setzen, das allerdings nicht sonderlich schwer zu umgehen ist.

Auf digitaler Basis hat sich das DVD-Konsortium auf einen Vorschlag von Matsushita/Panasonic geeinigt. Das 'Disc Encryption System' arbeite mit einem 40-Bit-Code und sei, wie ein Sprecher eingestand, von einem mittelmäßig begabten Hacker innerhalb von einigen Wochen zu knacken. Offenbar ist dieses Verfahren einigen Firmen der Filmindustrie nicht sicher genug, anderen wiederum schon zu aufwendig. Time Warner erklärte, man stimme dem Vorschlag des DVD-Konsortiums zu.

In 14tägigem Rhythmus finden jetzt Verhandlungen mit der Software-Industrie statt. Erst wenn eine Einigung erzielt ist, dürfte realistischerweise an eine Markteinführung der DVD gedacht werden. (bb) (bb)