Warum die Verfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz nicht zur Entscheidung ausgewählt wurde

Außer Kontrolle

Oft wird behauptet, dass es bei einer Verfassungsbeschwerde egal sei, wie viele sich anschließen. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit.

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Bei der Verfassungsbeschwerde gegen die verdachtsunabhängige Speicherung von Telekommunikationsdaten (Vorratsdatenspeicherung) haben sich viele Menschen der Beschwerdeangeschlossen. Dies wurde oft thematisiert (und auch kritisiert), weil die Ansicht herrschte, es sei letztendlich ja egal, wie viele Menschen eine Verfassungsbeschwerde unterzeichnen. Kritiker monierten sogar die Vielzahl der Unterzeichner. Dabei hat diese durchaus eine wichtige Funktion, die nicht jedem bisher klar war. Ich zähle mich hier ausdrücklich zu diesen Personen.

Theoretisch ist es zwar ebenso egal, wie viele sich anschließen, wie die Frage, ob ein Anwalt eine Beschwerde einlegt. Daher kritisieren manche Beobachter, wenn für eine Verfassungsbeschwerde Mittel gesammelt werden.

Die Hinzuziehung eines Anwaltes ist aber sinnvoll, weil bei der Verfassungsbeschwerde die Begründetheit und die Betroffenheit desjenigen, der die Beschwerde einreicht (bzw. in dessen Namen sie eingereicht wird) oft Fallstricke dafür sind, dass die Beschwerde gar nicht erst angenommen wird. Anwälte sind hier hilfreich, um hierauf hinzuwiesen, entsprechende juristische Aspekte herauszuarbeiten und/oder auf Probleme aufmerksam zu machen und eine Nichtannahme möglichst zu vermeiden. Diese Tatsache mag kritikwürdig sein, stellt aber den Status Quo dar.

Auch die Anzahl derjenigen, die sich der Verfassungsbeschwerde begründet anschließen, ist nur teilweise "unwichtig". Zwar wird generell ein Thema nicht dadurch unwichtig, dass es nur von einer Person als wichtig erachtet wird, jedoch hat der Senat bei der Auswahl der Verfassungsbeschwerden, die zur Entscheidung angenommen werden, eine recht große Entscheidungsfreiheit.

So kann er sich (gerade auch hinsichtlich der Tatsache, dass die Anzahl der Verfassungsbeschwerden zunimmt) beispielsweise dafür entscheiden, bestimmte Beschwerden nicht zur Entscheidung auszuwählen weil andere mehr gesetzliche Regelungen angreifen. Diese Beschwerden sind insofern für das Gericht attraktiver und andere Einzelbeschwerden können dann sozusagen "stillschweigend mitentschieden werden".

Bei der Beschwerde gegen das BKA-Gesetz könnten z.B. die in meiner Beschwerde enthaltenen Aspekte durch eine Entscheidung bei den anderen eingereichten Beschwerden mit abgehandelt werden, ohne dass meine Beschwerde gesondert zu einer Entscheidung führt. Insofern kann entschieden werden, Einzelverfassungsbeschwerden weniger attraktiv und wichtig anzusehen als solche, die von vielen getragen werden.In meinem Fall wurde so entschieden.

Für diejenigen, die eine Verfassungsbeschwerde anstreben, ist dies ein Punkt, den sie bedenken sollten – es lohnt sich also durchaus, Mitstreiter zu suchen und so die Chancen zur Annahme der Beschwerde zu erhöhen. Hier sei anzumerken, dass es sich auch lohnt, dabei über den Tellerrand zu schauen und auch einmal Mitstreiter in Erwägung zu ziehen, die normalerweise nicht automatisch in der eigenen "Kontaktliste" stehen. Gerade bei Überwachungsgesetzen lohnt sich die Einbindung von Geheimnisträgern, Ärzten, Journalisten, Therapeuten oder Seelsorgern beispielsweise.

In eigener Sache möchte ich allen danken, die finanziell diese Verfassungsbeschwerde ermöglichten, meinem Anwalt Prof. Dr. Fredrik Roggan und Telepolis dafür, dass sie den Volltext der Beschwerde veröffentlichten.