Was lange währt

Nach zweijähriger Entwicklungszeit stellt Intel den i740 für 2D-Grafik, Video- und 3D-Beschleunigung vor. Der von Real3D - einer Tochter der Rüstungsschmiede Lookheed-Martin - entwickelte Baustein bedient den wachsenden Markt der preiswerten Allround-Grafikboards mit hoher 3D-Leistung für Spielegrafik.

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Von
  • Manfred Bertuch

Als Bildspeicher kommen für den neuen Grafikchip 2, 4 oder 8 MByte SDRAM oder SGRAM in Frage, auf die er über einen 100 MHz schnellen und 64 Bit breiten Datenbus zugreift. Diese Eckdaten sind auch bei anderen aktuellen Bausteinen wie dem Rage Pro von ATI und dem Vérité 2100/2200 von Rendition Stand der Technik. Intel ließ also kein ultraschnelles Pentium-Know-how implementieren, sondern kocht mit demselben Wasser wie die Konkurrenz. Hinter dem Riva128 von NVidia mit seinem 128 Bit breiten Datenbus bleibt der Chip sogar zurück.

Die 3D-Eigenschaften ähneln ebenfalls denen anderer Bausteine. Der Intel-Chip beherrscht die gängigen Funktionen wie Backface Culling, bilineare Textur-Filterung, MIP-Mapping, Glanzlichter, Alpha-Blending, Fog, Color- und Chroma-Keying sowie Subpixelkorrektur. Wie zu erwarten, besitzt der i740 ein Interface für den Accelerated Graphics Port und beherrscht den schnellen 2×-Mode sowie Side Band Addressing. Theoretisch kann er mit 520 MByte/s auf Texturen und andere Daten im Systemspeicher zugreifen. Das erlaubt Programmierern, 10 oder 20 MByte Texturen in 3D-Szenen zu verwenden und diese sehr realistisch zu gestalten. Eine besondere Eigenschaft des i740 besteht darin, bei der Interpolation von Farbverläufen und Nebeleffekten jedes Pixel mit 32-Bit-Gleitkommagenauigkeit zu berechnen (Precise Pixel Interpolation, PPI) sowie mehrere Grafikkommandos parallel ausführen zu können (Parallel Data Processing, PDP).

Obwohl der i740 sich auch für den Bau von PCI-Karten eignet, betont Intel, daß die Verarbeitungsstufen des Chips auf Pentium-II-Systeme mit AGP abgestimmt seien. Ein Pentium-II-266 könne unter Direct3D etwa 350 000 Dreiecke pro Sekunde transformieren, wenn man 50 Prozent der CPU-Zeit für diese Aufgabe veranschlage. Der i740 sei daher für Spiele mit einer Grafikkomplexität von 7500 Dreiecken bei 30 Bildern/s ausgelegt.

Bei der Vorstellung in München demonstrierte Intel den Chip auf einem Pentium-II-System mit 333 MHz. Das Spiel G-Police lief flüssig und mit hoher Bildqualität. Eine andere Demo, deren Szenen mit 8000 bis 12 000 Dreiecken zwei- bis dreimal so detailliert waren wie bei heutigen Spielen üblich, war mit 10 bis 15 Bildern/s nicht ganz ruckfrei. Viele Dreiecke (ein hoher 'Triangle Count') machen CPU und Grafikchip offenbar doch mehr zu schaffen, als Intels optimistische Leistungseinstufung nahelegt.

Der integrierte RAMDAC ist für 190 MHz Pixeltakt spezifiziert. Modi mit 1600 × 1200 Pixeln reichen daher nur bis 75 Hz Bildwiederholrate - im Gegensatz zu 230 MHz und 85 Hz bei der Konkurrenz. TrueColor-Modi stehen bis 1024 × 768 Bildpunkte zur Verfügung. Der Intel-Chip enthält ferner keine Funktionen zur Beschleunigung von DVD-Wiedergabe. Während beispielsweise ATIs Rage Pro mit seiner 'Motion Compensation' einen DVD-Softwareplayer in die Lage versetzt, bereits auf einem 233-MHz-System 25 Bilder/s abzuspielen, setzt der i740 - wie auch alle anderen erhältlichen Grafikchips - mindestens einen Pentium-II-300 voraus. Der Baustein unterstützt ferner Video-In und -Out sowie einen bidirektionalen VMI-Connector für den Anschluß von künftigen DVD- oder Videoschnitt-Karten.

Der Chip soll noch in diesem Quartal zum Stückpreis von etwa 30 US-$ verfügbar werden. Einen ICD-Treiber für OpenGL will man einige Monate nach Produkteinführung folgen lassen. Da die Genauigkeit des Z-Buffers auf nur 16 Bit beschränkt ist, ist der i740, wie viele Spiele-Beschleuniger, für komplexe Aufgaben allerdings weniger geeignet.

Die Leistung des i740 ist nach ersten Eindrücken konkurrenzfähig. Er besitzt bessere AGP-Eigenschaften als der Riva128 in seiner heutigen Form. Sein größter Vorteil könnte aber ein ganz anderes Merkmal sein: die Verfügbarkeit in großen Stückzahlen. Da Intel seine Prozessorproduktion zur Zeit von der 0,35 μm- auf die 0,25 μm-Technologie verlegt, entstehen freie Kapazitäten für die Produktion des i740. SGS-Thomson ist dagegen immer noch dabei, die Produktion des Riva128 hochzufahren. Daher hat Intel insbesondere bei den Kartenherstellern gute Chancen, die den Riva128 nicht oder nicht in ausreichenden Mengen bekommen konnten. So haben Asustek, Diamond, Leadtek, Number Nine, Real3D, STB sowie einige Mainboard-Hersteller Interesse am i740 bekundet. Erste Grafikkarten darf man nicht vor April erwarten. Intel selbst will keine eigenen Grafikboards fertigen, sondern lediglich eine Mainboard-Familie mit integrierter AGP-Grafik anbieten.

Der gesamte Grafikchipmarkt hat sich von 15 Millionen Einheiten 1996 auf 41 Millionen 1997 mehr als verdoppelt. Sofern die optimistischen Schätzungen des unabhängigen Marktforschungsinstitut Jon Peddie Associates zutreffen, wird das Chipvolumen im Jahr 2000 auf 142 Millionen Stück angewachsen sein. Diese Nachfrage würde ausreichen, um neben den heutigen Chipherstellern auch noch die Kapazitäten von Intel auszulasten. Intels Pläne gehen indes noch weiter: Man rechnet damit, daß die US-Antitrust-Behörde dem Kauf von Chips&Technologies bald zustimmen wird. Dann gehört der Prozessorgigant auch zu den führenden Herstellern von LCD-Controllern und Notebook-Grafikchips. (jm) (ole)