Wegen "großen Mehraufwands": Berliner Bezirk untersagt Einsatz der E-Akte

Seit 2011 plant Berlin den Umstieg auf die E-Akte. Doch die Ämter sind mit der Software so unzufrieden, dass eine Bezirksbürgermeisterin den Einsatz nun stoppt.

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"Unsere Scan-Software ist leider ein bisschen dumm", sagte Stefanie Remlinger, die Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Mitte, dem rbb.

(Bild: Grüne Fraktion Berlin, CC BY-SA 4.0)

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Die Einführung elektronischer Akten in der Verwaltung des Landes Berlin droht zu scheitern: Der Bezirk Mitte hat seinen Ämtern den Einsatz der E-Akte-Software untersagt. "Im Moment ist es tatsächlich ein so großer Mehraufwand, dass ich im Einvernehmen mit meinen Ämtern gesagt habe, dass sie das nicht benutzen dürfen", sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (B’90/Die Grünen) gegenüber dem rbb.

Remlinger kritisierte vor allem das Scan-Modul der Software. Dieses sei "leider ein bisschen dumm" und könne lediglich das Eingangsdatum lesen, erkenne aber zum Beispiel keine Vorgangsnummern oder Themengebiete. Mitarbeiter müssten gescannte Post deshalb aufwendig manuell sortieren. Rechnerisch wären dafür
elf Stellen nötig, dieses Personal habe sie aber nicht, sagte Remlinger. Als weiteres Problem der E-Akte-Software nennt der rbb nicht funktionierende Schnittstellen zu anderen Anwendungen der Verwaltung.

Laut dem rbb kritisieren außer Rehlinger auch weitere Bezirksbürgermeister die E-Akte-Software. Die neue Verwaltungsstaatssekretärin und Chief Digital Officer des Landes Berlin, Martina Klement, sieht die Software ebenfalls kritisch: "Nach einer ersten Bewertung gibt es bei der von meinen Vorgängern eingekauften Digitalen Akte eine hohe Unzufriedenheit und auch nachweisbare Mängel am Produkt", teilte sie dem rbb mit. Gespräche mit dem Vertragspartner des Landes würden zeigen, ob das Produkt nachgebessert werden könne.

Generalunternehmer für die Einführung der E-Akte in Berlin ist der Dortmunder IT-Dienstleister Materna. Dieser äußerte sich auf Anfrage von c't nicht zum Thema: "Wir dürfen hier vertraglich keine Auskunft geben", sagte eine Sprecherin. Laut Materna basiert die Berliner E-Akte-Software auf dem Produkt "nscale eGov" des Bielefelder Herstellers Ceyoniq. Dieser ließ eine Anfrage von c't unbeantwortet.

Aus Sicht des Berliner Rechnungshofs sowie des Bundes der Steuerzahler ist der Berliner Senat nicht ganz unschuldig an dem E-Akte-Desaster. "Obwohl von der Senatsverwaltung die Investitionskosten für die Migration auf insgesamt 380 Mio. € geschätzt wurden, hat sie weder die vorgeschriebenen Planungsunterlagen erstellt noch die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sichergestellt", schrieb der Rechnungshof in seinem Jahresbericht für 2021. "Elektronische Aktenführung droht am Behördendickicht zu scheitern", titelte der Bund der Steuerzahler Anfang 2022.

Berlin nahm sich die Umstellung auf die E-Akte schon 2011 vor. Ursprünglich sollte 2016 rund die Hälfte der Büroarbeitsplätze in der Verwaltung umgestellt sein. Später versprach der Senat die vollständige Umstellung bis Anfang 2023, inzwischen soll es 2025 so weit sein. Laut dem rbb hat Berlin für das E-Akte-Projekt bis 2025 135 Millionen Euro ausgegeben beziehungsweise eingeplant.

(cwo)