Weiter Konfusion um Zukunft des DVD-Werks in Dassow

Nachdem der Insolvenzverwalter des einst größten Produzenten von CDs und DVDs in Europa jüngst erklärt hatte, das Werk sei an die dänische Dicentia verkauft worden, berichtet die Ostsee-Zeitung nun, eine Hamburger Firma sei neue Werks-Besitzerin.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Das insolvente DVD-Werk Dassow (Optical Disc Service, ODS), einst größter Produzent von CDs und DVDs in Europa, wird künftig offenbar wieder von Managern geleitet, die bereits unter dem früheren Geschäftsführer Wilhelm Friedrich Mittrich aktiv waren, der das Unternehmen in die Insolvenz geführt hatte. Einem Bericht der Ostsee-Zeitung vom heutigen Donnerstag zufolge ist die erst im Mai 2008 in Hamburg gegründete "Disc Technology GmbH" neue Besitzerin des Werks. Geschäftsführender Gesellschafter der Disc Technology soll der frühere Forschungschef bei ODS in Dassow, der gebürtige Algerier Al Fetouhi, sein.

Auch der Brite Kevin Martin, früher Chef der ODS-Distributionszentren, und der einstige ODS-Marketing-Direktor Jesper Schertiger sollen dem Bericht zufolge nach Dassow zurückkehren. Ein Sprecher von Jürgen Seidel, Wirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, habe den Sachverhalt gegenüber der Zeitung mit den Worten "Die alten Manager sind die neuen" bestätigt. Das Schweriner Wirtschaftsministerium ist der größte Gläubiger des insolventen Unternehmens, das jahrelang mit Millionenzuschüssen von Land und Bund gefördert worden war.

Der ODS-Mutterkonzern ist unterdessen ebenfalls am Ende. Das Amtsgericht Hamburg eröffnete bereits am 6. Mai das Insolvenzverfahren gegen die ODS Business Services Group GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Wilhelm Friedrich Mittrich, wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (67c IE 1/08). Als Geschäftstätigkeit von ODS wird die "Beteiligung sowie das Halten und Verwalten von Gesellschaftsanteilen im In- und Ausland und die Übernahme von Holding- und Organträgerfunktionen" angegeben. Zum Insolvenzverwalter wurde der Hamburger Rechtsanwalt Jan H. Wilhelm ernannt.

Der Insolvenzverwalter in Sachen ODS Dassow, Marc Odebrecht, hatte Ende vergangener Woche erklärt, das ebenfalls im Geschäft mit Datenträgern aktive dänische Unternehmen Dicentia habe den Zuschlag für das DVD-Werk erhalten. Verbindungen zwischen den Dänen und ODS bestehen schon länger. Nachdem die börsennotierte Dicentia im Februar bekannt gegeben hatte, man werde künftig Fertigung und Inrechnungstellung von Produkten für skandinavische Kunden der ODS Business Services A/S übernehmen, teilte das Unternehmen in der vergangenen Woche mit, man habe 75,5 Prozent der ODS Business Services gekauft.

Die Ostsee-Zeitung berichtet nun, Dicentia habe gar keine Lizenzen für die angestrebte Produktion in Dassow. "Diese sollen künftig über die neu gegründete, vorgeschaltete Hamburger Gesellschaft beschafft werden – unter anderem von Mittrich, der damit an jeder produzierten DVD mitverdienen würde", schreibt die Zeitung. Was nicht zuletzt die Gläubiger im Insolvenzverfahren gegen die überschuldete ODS Business Services Group freuen dürfte, sollte es denn zutreffen. Das Schweriner Wirtschaftsministerium, das allein 43,5 Millionen Euro an Fördergeldern für das DVD-Werk bewilligt hatte, macht aber weiterhin keine Angaben zu den Modalitäten des Verkaufs.

Außer der defizitär arbeitenden Dicentia A/S, die im vergangenen Jahr einen Nettoverlust von 12,4 Millionen Euro erwirtschaftete, interessierte sich auch die spanische Iberdisc Optical Storage Solutions für eine Übernahme des Dassower DVD-Werks. Iberdisc-Geschäftsführer Christian Spychala beteuerte unter anderem gegenüber heise online, er stehe in keinerlei Verbindung zu Mittrich. In Branchenkreisen wird jedoch erzählt, die Ehefrau Mittrichs sei Gesellschafterin von Iberdisc. Auch soll es zwischen Mittrich und Spychala, der früher selbst bei ODS beschäftigt war und bereits das ebenfalls zahlungsunfähige polnische DVD-Werk der ODS-Gruppe in Goleniow übernommen hatte, regen Mailverkehr gegeben haben.

In Dassow kam Iberdisc letztlich nicht zum Zug. Eigenen Angaben zufolge soll dem Unternehmen das Risiko zu hoch gewesen sein. Mit den Verhältnissen in Dassow vertraute Personen gehen aber davon aus, dass nicht nur Iberdisc sondern auch Dicentia vor allem am technischen Know-how beim Mastering gelegen ist, und dass dieses nach dem geplanten Neustart mit 70 Leuten im Juni nach und nach abgezogen wird. "In ein oder zwei Jahren wird dann das gleiche Fass erneut aufgemacht", befürchtet ein früherer ODS-Mitarbeiter, der sich nicht mehr für einen Job in dem Werk bewerben wird. "Ich habe genug von dieser Bande", lautet sein Resümee. (pmz)