Wie China auf das Chip-Embargo der USA reagiert

Der Chip-Krieg zwischen den USA und China eskaliert weiter. Inzwischen sind auch deutsche Unternehmen betroffen. Doch Analysten zweifeln an der Strategie.

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(Bild: Lintao Zhang/GETTY IMAGES)

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Von
  • Andreas Schuchardt
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Der Technologiekonflikt zwischen den USA und China weitet sich aus. Washington will die Volksrepublik technologisch isolieren und von Halbleitern der neuesten Generationen abschneiden. Dazu setzt es seine westlichen Verbündeten massiv unter Druck. Nach Japan, den Niederlanden, Südkorea und Taiwan ist nun auch Deutschland betroffen.

Die Exportkontrollen verschärften sich im Mai 2019, als Donald Trump den Huawei-Konzern auf die schwarze Liste der Unternehmen setzte, die nicht beliefert werden dürfen. Joe Biden hat diese Politik nicht nur fortgesetzt, sondern mit dem im August verabschiedeten CHIPS and Science Act massiv ausgeweitet. Seit Oktober 2022 haben die Amerikaner Monat für Monat weitere Technologiefirmen aus dem Reich der Mitte auf den Index gesetzt. Als Begründung führt die US-Regierung an, China müsse daran gehindert werden, seine militärische Schlagkraft zu erhöhen und die Überwachung der Bevölkerung zu modernisieren. Die USA fühlen sich offenbar in ihrer Hegemonie bedroht.

Ende Januar schlossen sich Japan und die Niederlande dem US-Embargo an. Ihre Unternehmen sollen dem strategischen Konkurrenten keine modernen Maschinen mehr liefern, die für die Herstellung von Chips benötigt werden. Details sollten wegen der sensiblen Natur der Gespräche mit den USA unter Verschluss bleiben, berichtet die Financial Times.

Die Maßnahmen treffen das Reich der Mitte hart. 2021 wurden in China Chips und Computerbauteile im Wert von 186,5 Milliarden US-Dollar gehandelt, wie die staatliche Tageszeitung China Daily berichtete. Davon entfielen nur 31,2 Milliarden US-Dollar auf die chinesische Eigenproduktion. Das Embargo traf vergangenen Oktober auch Chinas größten Speicherchiphersteller Yangtze Memory Technologies (YMTC). Das Unternehmen hatte bei US-Ausrüstern Maschinen zur Chipherstellung bestellt. Die geleisteten Anzahlungen forderte das Unternehmen umgehend zurück. Gespräche mit Apple über die Lieferung vergünstigter Speicherchips für iPhones liegen auf Eis.

Das Embargo betrifft verschiedene Halbleitertypen: Bei Logikchips sind Strukturbreiten von 16 Nanometern und darunter tabu. Bei DRAM-Speichern ist bei 18 Nanometern Schluss und NAND-Speicher dürfen keine 128 Schichten oder mehr haben. Nach Einschätzung der Marktforscher von TrendForce muss sich YMTC deshalb aus dem Markt für NAND-Flash-Produkte zurückziehen.

Der Schock ist den frisch abgestraften Unternehmen deutlich anzumerken. Einen Tag, nachdem der Chiphersteller PXW zusammen mit 35 anderen Firmen auf der schwarzen Liste landete, sagte ein Mitarbeiter der Financial Times: "Die meisten Teamleiter und Manager sind gerade in einer Krisensitzung." Ein Ingenieur der ebenfalls betroffenen Hefei Core Storage gestand: "Das ist eine böse Überraschung. Niemand hat damit gerechnet, dass wir auf dem Radar auftauchen." Für Douglas Fuller, China-Experte an der Copenhagen Business School, ist es ein Hau-den-Maulwurf-Spiel: "Jedes Mal, wenn Washington Sanktionen verhängt, tauchen neue Projekte auf, die sie dann wieder zu blockieren versuchen."

Wer schon länger auf dem Index steht, gibt sich derweil gelassen. So stellte Huawei-Chef Eric Xu im Dezember in einem Brief an die Belegschaft kühl fest: "Die US-Restriktionen sind jetzt unsere neue Normalität und wir gehen wieder zur Tagesordnung über." Der Umsatz seines Unternehmens betrug im vergangenen Jahr rund 91,6 Milliarden US-Dollar. Er blieb im Vergleich zum Vorjahr stabil, weil Huawei neue Geschäftsfelder mit anderen Industriekunden erschloss, die weniger anfällig für den Druck aus den USA sind.

Das Staatsorgan China Daily sieht die Attacken aus Übersee als Ansporn. Am 1. Februar titelte es selbstbewusst: "Sanktionen werden Chinas Hightech-Aufstieg nicht bremsen." Die US-Praxis widerspreche "den Prinzipien der Marktwirtschaft" und trete "die Grundregeln des internationalen Handels mit Füßen". Sie zeige, "wie verzweifelt Washington inzwischen ist". Das Embargo sei ein Zeichen von Schwäche. Wenn die US-Wirtschaft stark genug wäre, könnte sie sich mit der chinesischen im freien Wettbewerb messen.

Im Weiteren gibt China Daily zu bedenken, dass "der Aufbau einer technologischen Mauer dazu führt, dass die USA selbst darin gefangen bleiben". Sollten die USA weiterhin Technologie als Waffe einsetzen, würden sie "nicht nur China, sondern auch ihren Partnern, sich selbst und der Welt schaden".

Dem Embargo zum Trotz: Chinas Raumstation Tiangong läuft komplett mit Chips aus eigener Produktion.

(Bild: Jin Liwang/XinHua/dpa)

Zwei Tage nach Inkrafttreten des amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) am 1. Januar 2023 machte der chinesische Wirtschaftsprofessor Zhao Yongsheng anderen Staaten ein Angebot: "Wenn Europa sich mit China und anderen Schwellenländern zusammentut, können sie kurz- und mittelfristig wirksam auf die USA reagieren. Sie könnten die Amerikaner zum Beispiel zwingen, Ausnahmen für Fahrzeuge mit Elektro- und anderen umweltfreundlichen Antrieben zuzulassen. Langfristig müssen China und die EU die treibenden Kräfte bei der Neugestaltung der Welthandelsregeln werden", sagte Yongsheng der Global Times, dem Sprachrohr der nationalistischeren Kräfte innerhalb der KP Chinas.

Die Gefahr neuer Allianzen gegen die USA sieht auch Washington. Die ehemalige Außenministerin Condoleezza Rice warnte kürzlich die Biden-Regierung: "Der schnellste Weg, Freunde zu verlieren, ist zu sagen: Entweder ihr wählt uns oder China!" Das betrifft auch deutsche Unternehmen wie Carl Zeiss und Trumpf. Sie kooperieren eng mit ASML aus den Niederlanden, dem weltgrößten Hersteller von Lithografieanlagen für die Halbleiterproduktion. ASML-Chef Peter Wennink plädiert in der FAZ für "vernünftige" Exportkontrollen, die "keine großen Auswirkungen auf Branchen haben, die komplett von diesen Halbleitern abhängig sind".

Noch schärfere Kritik kommt aus Japan. Der Vorstandsvorsitzende von NEC, Takayuki Morita, bezweifelt die langfristige Wirksamkeit der Maßnahmen: "Ich persönlich glaube, dass der Technologie-Streit zwischen den USA und China über Chips zwar den technologischen Fortschritt Chinas verlangsamen kann, aber den allgemeinen Trend nicht ändern wird. [...] Langfristig wird China eine der Kräfte sein, mit denen wir rechnen müssen."

Derzeit hinkt China drei bis vier Chipgenerationen hinterher, schätzen die Marktforscher der International Data Corporation. Innerhalb von zehn Jahren könnte das Land diesen Rückstand gegenüber den USA jedoch aufholen. Bis 2025 will Peking insgesamt 1400 Milliarden US-Dollar in Hochtechnologie investieren, einen Großteil davon speziell in die Halbleiterindustrie. Dagegen sei Bidens viel gelobter Chips and Science Act mit 52,7 Milliarden Dollar zur Ankurbelung der heimischen Chipproduktion "ein Tropfen auf den heißen Stein", sagte Analyst Stanley Chao der in Hongkong erscheinenden South China Morning Post. China habe von den besten Technologieunternehmen der Welt gelernt. Sowohl in der neuen chinesischen Raumstation Tiangong als auch im Mars-Rover, der vor zwei Jahren auf dem Roten Planeten landete, wurden laut Chao ausschließlich Chips "Made in China" eingebaut.

Auch Stephan Roach, ehemaliger Asien-Chef der Investmentbank Morgan Stanley, glaubt nicht, dass die USA ihren technologischen Vorsprung halten können. Als Grund nennt er, dass die Chinesen deutlich mehr in Grundlagenforschung investieren als die Amerikaner.

Bis China die USA eingeholt hat, setzt das Reich der Mitte auf bewährte Technik. Große Hoffnungen ruhen auf dem Auftragsfertiger Hua Hong. Dieser stand lange im Schatten des nationalen Chip-Champions SMIC, weil er ältere Halbleiter verwendete. Doch wie die Financial Times Ende Dezember 2022 berichtete, erwies sich "Hua Hongs Mangel an Spitzentechnologie zuletzt eher als Segen denn als Nachteil". Im Vergleich zum Hersteller SMIC, der im Labor bereits 7-nm-Chips fertigen konnte, setzt Hua Hong erfolgreich auf die Optimierung seiner weniger miniaturisierten Chips. Diese kommen im Internet der Dinge, in der Telekommunikation der fünften Generation und in Elektrofahrzeugen zum Einsatz. Die älteren Prozesse von Hua Hong wären eine gute Basis für Tests und Verbesserungen bei chinesischen Chipherstellern und könnten ausländische Anlagen womöglich ersetzen.

Als weiteren Trumpf im Wettstreit mit den USA könnte China seinen riesigen Datenschatz ausspielen. Sonys Technologiechef Hiroaki Kitano ist überzeugt: "Die treibende Kraft für KI in China ist der Zugang zu sehr großen Datensätzen." Bis 2025 wird Chinas Anteil am weltweiten Datenvolumen auf mehr als ein Viertel steigen, prognostiziert die International Data Corporation. China Daily stellte selbstbewusst fest: "China verfügt über die größten Datenmengen der Welt." Ohne Daten aus China sei kein Unternehmen in der Lage, eine KI-Anwendung an die Weltspitze zu führen. Die Zeitung erinnerte deshalb optimistisch an ein altes Sprichwort: "Was dich nicht umbringt, macht dich stärker."

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