Wikileaks-Gründer: "Wir haben alle Versprechen gehalten"

Julian Assange begründete in einem Videointerview auf der Medienwoche die Flucht nach vorn mit der Veröffentlichung der unredigierten US-Botschaftsdepeschen mit einem "Rennen zwischen den Bösen und den Guten".

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Julian Assange, Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, hat in einem Videointerview auf der Medienwoche Berlin-Brandenburg die Flucht nach vorn mit der Veröffentlichung der unredigierten US-Botschaftsdepeschen begründet. "Es war ein Rennen zwischen den Bösen und den Guten", erläuterte der gebürtige Australier am Dienstag. "Für uns war es dabei nötig, auf Seite der Guten zu stehen." Nach der Veröffentlichung des Passworts zur Entschlüsselung des Materials durch einen Journalisten des britischen Guardian vor zwei Monaten und nach Berichten über die Fundstelle im Freitag im August habe ein "gefährlicher Zwischenraum" existiert. Da habe "jeder Geheimdienst" das komplette Archiv, das unter anderem auch bereits verschlüsselt in Tauschbörsen kursierte, in Händen gehalten. Die Leute, die in den Botschaftsberichten genannt werden, hätten das Material dagegen in der Regel noch nicht im Volltext durchlesen können.

Assange während der Videoübertragung

(Bild: Stefan Krempl)

"Wir hätten nichts anders machen können im Rückblick", verteidigte Assange die Veröffentlichung der hunderttausenden Depeschen. Wikileaks habe die eigenen Versprechen gehalten. "Wir schützen unsere Quellen, werden alles veröffentlichen, um eine Wirkung zu erzielen, und wir werden nichts zensieren, sobald es raus ist." Im November habe die Gefahr bestanden, dass angesichts der Forderungen der USA, das Material zu zerstören, gar nichts hätte publiziert werden können. Nach dem Zwischenschritt der Veröffentlichung teils geschwärzter Botschaftsmitteilungen würden sie nun Journalisten und andere Interessierte auf der ganzen Welt studieren. Assange zeigte sich sicher, dass dies "viel verändern wird".

Möglicherweise sei es falsch gewesen, mit dem Guardian zusammenzuarbeiten, räumte Assange ein. Generell sei es riskant, mit anderen Organisationen zu kooperieren. Es sei aber nötig, die Risiken auf sich zu nehmen. So seien etwa Wahlbetrug in Kenia, Korruption an unzähligen Stellen sowie illegale Exekutionen im Irak aufgedeckt worden. Dabei sei bislang nie etwas Falsches veröffentlicht oder physischer Schaden verursacht worden. Bekannt geworden seien auch jetzt allein die Quellen, die – größtenteils unrechtmäßig – Informationen an Personal in US-Botschaften ausgeplaudert hätten.

"In der ganzen politischen Welt bestehen professionelle Verschwörungen", so Assange, der sich als Verleger sieht, der mit seinen Publikationen die Menschen über die wahre Funktionsweise der Welt und ihren Machtstrukturen. Mit Wikileaks wäre vermutlich die Niederschlagung des Prager Frühlings deutlich schwerer geworden, mutmaßte Assange. Darin bestätigten ihn die Reaktionen der traditionellen Mächte auf das "Cablegate": Er selbst sei wegen eines schwedischen Auslieferungsgesuchs aufgrund eines Vorwurfs von sexueller Nötigung in Hausarrest gesteckt worden; Visa, Mastercard und andere Finanzinstitute hätten ein "Embargo" gegen Wikileaks erlassen, "das uns 90 Prozent unserer Unterstützung gekostet hat".

Die Nachfrage nach weiteren Veröffentlichungen sei weiter groß, sagte Assange, auch die Zusammenarbeit mit über 90 Medienorganisationen in gut 50 Ländern laufe weiter. Allein die Kooperation mit dem Guardian und der New York Times, die von diesem gegen alle Absprachen mit Dokumenten versorgt worden sei, habe man beendet.

Die Arbeiten an einer neuen Schnittstelle für die Online-Eingabe von Informationen laufe seit sechs Monaten. Zur Frage einer erneuten Öffnung der Funktion hielt sich Assange bedeckt. Nach der "Sabotage" im vergangenen Jahr, bei dem unter anderem von ihm geschriebener Code und Archivteile "gestohlen" worden seien, sei zunächst die Veröffentlichung aller Depeschen vorrangig gewesen. Das von seinem früherer Mitstreiter Daniel Domscheit-Berg angestrebte Portal Openleaks bezeichnete er als "dunkles Geschäft", das noch nicht betriebsfertig sei. Es habe seinen Status bislang nur dadurch erhalten, "dass sie uns angegriffen haben", sagte der Wikileaks-Chef zum Rosenkrieg mit Domscheit-Berg. (anw)