Wikileaks wittert in E-Mails von Stratfor "große Geschichte"

Mit der Veröffentlichung von E-Mails der Beraterfirma Stratfor will die Enthüllungsplattform auf Gefahren hinweisen, die von Geheimdienst-ähnlich arbeitenden Privatfirmen abseits staatlicher Kontrolle ausgehen können.

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Von
  • Detlef Borchers

Die in der Nacht zum 27. Februar begonnene Veröffentlichung von Stratfor-Mails durch Wikileaks ist in London vom Wikileaks-Gründer auf einer Pressekonferenz begründet worden. Wikileaks möchte mit den "Global Intelligence Files" zeigen, wie die Geheimdienstarbeit privatisiert und kommerzialisiert wird, erklärte Julian Assange. Auf die Frage von Journalisten nach der Herkunft der rund 5 Millionen E-Mails verweigerte Assange die Antwort unter Verweis auf den von Wikileaks praktizierten Informantenschutz.

Die E-Mails der Beraterfirma Stratfor waren zu Weihnachten 2011 (LulzXmas) von Hackern der AdHoc-Gruppe Anonymous entwendet worden. Das texanische Unternehmen, das als OSINT-Anbieter (Open Source Intelligence) Informationen zusammenträgt und mit eigenen Analysen anreichert, wurde von Anonymous mit dem Ziel angegriffen, den "militärisch-industriellen Komplex" zu demaskieren. Dabei entwendeten sie auch die Daten von circa 20.000 Abonnenten der geopolitischen Stratfor-Analysen. Ein davon Betroffener, der CCC-Sprecher Frank Rieger, erklärte zu den Strafor-Analysen in seinem Blog: "In reality, the company was more or less a sometimes well-informed, sometimes biased and way off foreign policy online-newspaper. They liked to make their business dangerous sounding, calling themselfes 'private intelligence company' etc., like big boys do when they want to seem important."

Wikileaks-Gründer Julian Assange sieht die Sache anders. Nach seiner Einschätzung ist Stratfor eine private Firma, die als Geheimdienst für Regierungen, Militärs und Konzerne arbeitet und fernab jeder staatlichen Kontrolle umso gefährlicher ist. Als herausragendes Beispiel nannte Assange auf der Pressekonferenz, dass Stratfor für die US-Marine eine Vorhersage der geopolitischen Entwicklung der nächsten zwei Jahre produziert habe. Auch "Mike Bonano" von den Yes Men, die von Stratfor im Auftrag von Dow Chemical analysiert wurden, zeigte sich auf der Pressekonferenz davon überrascht, dass die Yes Men von einem privaten Dienst ausgekundschaftet worden waren. Die Gruppe hatte zum 20. Jahrestag des Chemieunglücks im indischen Bhopal eine fiktive Kampagne gestartet, in der sich Dow Chemical für das Leid der Bevölkerung entschuldigte und Geld in Aussicht stellte. Bonano beklagte auf der Pressekonferenz das Ausmaß privater Überwachung und wies auf weitere Firmen hin, die sich wie Stratfor im OSINT-Bereich betätigen. Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson ergänzte Bonano mit der Bemerkung, Wikileaks werde energisch diese Privatisierung der Spionage bekämpfen.

Ob die E-Mails von Stratfor viele Neuigkeiten bergen, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Assange selbst kündigte an, dass in drei bis vier Tagen aus den rund 4000 E-Mails zum Thema Wikileaks eine "große Geschichte" veröffentlicht wird. Er verwies ferner auf israelische Erkenntnisse und auf aufschlussreiche Meinungen aus Schweden. Bei der Veröffentlichung der "GI-Files" arbeitet Wikileaks mit 25 Medienpartnern zusammen. Der deutsche Medienpartner ist der Norddeutsche Rundfunk, dessen Mikrofone in der Pressekonferenz deutlich sichtbar ein Unterstützungs-Zeichen setzten. (ssu)