Windradreparatur bei Dahle: Verzögerung durch aufgestaute Transportgenehmigungen

Die Antragsstaus für Transportgenehmigungen bei der Autobahn GmbH verzögern auch notwendige Reparaturen. Eine der Tur-Tur-Anlagen in Dahle steht still.

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Ein Foto eines Rotorblatts der Windkrafträder im Windpark Dahle aus der Aufbauphase im vergangenen Jahr.

(Bild: Landwind-Gruppe)

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Vor knapp einem Jahr ging es mit der Stromproduktion im Windpark Dahle bei Bad Münder und Springe in Niedersachsen los. Zwei Windkraftanlagen des Typs N163/5.7 der Firma Nordex wurden innerhalb weniger Monate von der Landwind-Gruppe aufgestellt. Sie waren – nach einem Testmodell in Schleswig-Holstein – die ersten Windkraftanlagen dieser Art in Deutschland. Sie sind 245 Meter hoch und sollen pro Windrad 5,7 Megawatt Leistung erbringen. Anwohner nennen sie aufgrund ihrer Größe Tur Tur. Eine der Anlagen steht allerdings seit einigen Monaten still. Ein Rotorblatt machte Probleme. Auch wegen der Antragsstaus für Transportgenehmigungen für Windkraft-Komponenten bei der Autobahn GmbH verzögerten sich laut Landwind-Gruppe nun die Reparaturen an der Anlage.

Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie (BWE), hatte gegenüber heise online Anfang August erklärt, dass eines der Hauptprobleme bei den Transportgenehmigungen für Windkraft-Komponenten die neu eingeführte Software GST Autobahn sei: "Die Autobahn GmbH hat testweise in Bremen und Niedersachsen das digitale Tool 'GST Autobahn' eingeführt, welches bei der schnelleren Abarbeitung von Genehmigungsanträgen helfen soll. Das Tool arbeitet diese Anträge auch ab, produziert jedoch bislang nur Ablehnungen – ohne Begründung. Eine Umplanung der Route, um beispielsweise Baustellen zu umfahren, kann so nicht erfolgen. Es muss ein komplett neuer Antrag gestellt werden."

Die Autobahn GmbH erklärte in dieser Woche gegenüber heise online: "GST Autobahn führt nicht dazu, dass GST-Anträge begründungslos abgelehnt werden." Die Teams der zehn Niederlassungen der Autobahn GmbH arbeiteten "alle eingehenden Anträge nach erkennbarer Priorität ab". Teilweise soll dafür zusätzliches Personal eingestellt beziehungsweise externe Dienstleister beauftragt worden sein.

Landwind-Geschäftsführerin Bärbel Heidebroek, die seit diesem Jahr auch Präsidentin des BWE ist, nahm nun gegenüber heise online Stellung dazu, warum das Windrad bei Dahle stillsteht und welche Erfahrungen ihr Unternehmen aktuell mit Transportgenehmigungen macht.

Bärbel Heidebroek

Bärbel Heidebroek ist Geschäftsführerin der Landwind-Gruppe und seit diesem Jahr auch Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE).

Frau Heidebroek, wieso findet im Windpark Dahle ein Rotorblattaustausch statt?

An einer der Anlagen wurde an einem Rotorblatt Auffälligkeiten festgestellt, deshalb wurde entschieden, dieses auszutauschen.

Welche Auswirkungen hat der Austausch derzeit auf den Betrieb der Windräder?

Die betroffene Anlage wurde vorsorglich Anfang April 2023 außer Betrieb genommen. Aufgrund von Verzögerungen bei den Transportgenehmigungen für das neue Blatt haben sich Austausch und Inbetriebnahme der Turbine verschoben. Das neue Blatt wurde in der vergangenen Woche geliefert und wird montiert, nun ist auch der Kran für die Montage eingetroffen. Wir gehen von einem Rotorblatttausch in der kommenden Woche aus.

Was passiert mit dem abmontierten Rotorblatt?

Das defekte Blatt wird nach Abtransport von Nordex nochmal genauer geprüft, und dann wird entschieden, wie es damit weitergeht.

Welche Verbesserungen bringt der Austausch?

Da es sich um einen Austausch handelt, werden keine Verbesserungen angestrebt. Ziel ist es, die Turbine in Betrieb nehmen zu können.

Was bedeuten die gut sichtbaren dreieckigen Zacken am Rotorblatt?

Das sind Serrations. Serrations ersetzen den gradlinigen Verlauf der Hinterkante des Rotorblatts durch eine gezackte Linie. Dieser Verlauf führt dazu, dass der Übergang auf die freie Außenströmung der in der Grenzschicht vorhandenen Wirbel an der Hinterkante nicht mehr schlagartig, sondern graduell, entlang der von den Serration-Zacken geformten neuen schrägen Hinterkante, erfolgt. Somit wird das Entstehungsprinzip des turbulenten Hinterkantenschalls beeinflusst und eine Lärmminderung erzielt.

Entlang des Rotorblatts ist der Lärmreduktionseffekt am größten, wenn Serrations im äußeren Rotorblattbereich – etwa auf den letzten 25 Prozent der Rotorbalttlänge – eingesetzt werden, wo aufgrund der hohen Strömungsgeschwindigkeiten die größten Schallpegel entstehen.

Die Rotorblätter der Nordex Windkraftanlagen des Typs N163/5.7 haben deutlich sichtbare Zacken. Diese sollen den Lärm mindern. Die Imitation von Vogelflügeln wie etwa von einer Eule wird angestrebt.

(Bild: Landwind-Gruppe)

Wie zufrieden sind Sie bisher mit dem Standort zwischen Springe und Bad Münder?

Die beiden Anlagen haben im ersten Halbjahr 2023 mit 10.019.104 kWh rund 80 Prozent der Prognose erreicht. Trotz des Stillstands der zweiten Anlage seit Anfang April ist dies ein sehr guter Wert und wir sind zufrieden.

Gab es bisher Beschwerden zu Lautstärke oder Betrieb der Windräder?

Nein.

Gab es auch viel Interesse bezüglich der Energiegenossenschaft, die sie passend zur Einweihung der Windräder gegründet hatten?

Insgesamt haben wir mittlerweile 280 Mitglieder in der Genossenschaft. Rund 30 kommen aus dem Bereich Bad Münder.

Ist die Landwind-Gruppe auch von den fehlenden Transportgenehmigungen durch die Autobahn GmbH betroffen?

Ja, auch wir sind davon betroffen. Aufgrund fehlender Genehmigungen verzögert sich aktuell der Aufbau von 12 Nordex- Anlagen in unserem Windpark Gevensleben.

Transportgenehmigungen sind in der Branche momentan ein ganz großes Problem. Bei der Autobahn GmbH des Bundes stapeln sich momentan mehr als 20.000 unbearbeitete Genehmigungen. Aus Sachsen-Anhalt kennen wir den Fall eines Herstellers für Stahlturmsegmente, der jetzt in seine Belegschaft in Kurzarbeit schicken muss, schlichtweg, weil er keinen Lagerplatz für die fertigen Segmente hat, da Transportgenehmigungen für die auszuliefernden Türme fehlen. Das zeigt die Dramatik des Problems.

Die Autobahn GmbH hat gegenüber heise online erklärt, dass es keine begründungslosen Ablehnungen von Anträgen durch GST Autobahn gibt. Der BWE hat vom Gegenteil gesprochen. Was stimmt nun?

Die Begründungen der Autobahn GmbH sind in den meisten Fällen extrem verkürzt und in keiner Weise hilfreich, da sie beispielsweise nur ein Fahrverbot aussprechen und keinerlei Hinweise zur Lösung des Problems geben. Insofern ist eine Begründung zwar möglicherweise vorhanden, aber für die Branche oftmals komplett wertlos. Zudem liegt dem neu eingeführten GST Tool eine modifizierte Berechnungsmethode zugrunde. Dies führt dazu, dass für Brücken, die bisher für den Schwerlastverkehr zugelassen waren, nun Fahrverbote ausgesprochen werden. In der Spitze hat es dazu geführt, dass die für die Anlieferung von Rotorblättern so wichtigen Häfen Bremen und Cuxhaven nicht mehr erreichbar sind. Das Tool ist offenbar unausgereift und zu wenig getestet und führt in der Summe zu einer deutlich höheren Ablehnung von Anträgen.

(kbe)