Wirkungsgrad-Wettrennen bei Netzteilen für PCs und Server

Hohe Energiepreise sowie die verschärften Energy-Star-Richtlinien und die Climate Savers Computing Initiative zeigen Wirkung.

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Wenn es weh tut, tut sich auch etwas: Jahrelang spielte der Energiebedarf von PCs und Servern kaum eine Rolle, doch seit die Stromkosten von Rechenzentren und anderen gewerblichen PC-Nutzern in die Höhe schießen, geht es plötzlich auch anders. Die seit Juli 2007 gültigen Energy-Star-4.0-Richtlinien haben das Angebot an sparsameren und effizienteren PC-Komponenten deutlich gesteigert. Die Richtlinien schreiben (80-Plus)-Netzteile mit mindestens 80 Prozent Wirkungsgrad ab 20 Prozent Auslastung vor und begrenzen erstmals auch die maximale Leistungsaufnahme von Computern im (leerlaufenden) Betrieb. Noch weiter geht die vor allem auf Server zielende Climate Savers Computing Initiative, die die alte Ökosteuer-Idee kontinuierlich wachsender Anreize aufgreift: In jährlichem Rhythmus steigen die Anforderungen an den Wirkungsgrad von Netzteilen.

Die Branchenriesen Dell und HP liefern sich schon seit einer Weile einen Marketing-Kampf um die grüneren Produkte. Dell etwa setzt sich mit Recycling-Aktionen, Ökostrom-Einkauf und Klimagas-kompensierenden Baumpflanzungen in Szene. Als erstes Unternehmen hat Dell nun ein Server-Netzteil im Angebot, dass die 80-Plus-Gold-Anforderungen für die Klasse der (Single-Output-)Netzteile mit einer einzigen Ausgangsspannung erfüllt, also bei 20 und 100 Prozent seiner Nennlast 88 Prozent Wirkungsgrad erzielt und 92 Prozent bei "typischer" Auslastung von 50 Prozent. In welchen Servern dieser 900-Watt-Spannungswandler PS-2901-1D-LF (PDF-Datei) zum Einsatz kommt, verrät Dell indes bisher nicht. Wahrscheinlich handelt es sich um die speziellen Energy-Smart-Konfigurationen einiger Rack-Server in 2-HE-Einschubgehäusen. Die Kategorie 80 Plus Gold beziehungsweise Climate Savers 4 verlangt die Climate Savers Computing Initiative ab 1. Juli 2009 für zertifizierte Produkte.

Auch beim Energy Star für Desktop-Rechner, Workstations, Notebooks und PC-ähnliche Server tut sich etwas: Mittlerweile steht ein Entwurf (Draft) für Energy Star 5.0 (PDF-Datei) online, die ebenfalls ab Juli 2009 gelten könnte. Die genauen Absolutwerte für die maximal zulässige Leerlauf-Leistungsaufnahme neuer Rechner sind darin noch nicht definiert, aber es werden 80-Plus-Bronze-Netzteile gefordert (85 Prozent Wirkungsgrad bei halber Nennlast, 82 Prozent bei Volllast und einem Fünftel davon). Schon jetzt bietet Dell für einige Desktop-Rechner 80-Plus-Silber-Netzteile an (85/88/85 Prozent Wirkungsgrad), sieht sich also für Energy Star 5.0 gut gerüstet.

Neu in Energy Star 5.0 ist das Konzept, einen jährlichen Energiebedarf der Produkte auf Basis eines typischen Nutzungsszenarios zu ermitteln. Dazu werden die Leistungsaufnahmewerte in den Betriebsmodi Soft-Off, Sleep (Standby), Leerlauf (Idle) und unter Last ermittelt und mit einer gewissen Zahl von Betriebsstunden multipliziert. Damit könnte endlich eine Art Energieverbrauchsklasse (wie bei Haushaltsgeräten seit Jahren üblich) auch bei PCs Einzug halten.

Die europäischen Effizienzvorgaben hinken dem Energy-Star-Programm zurzeit deutlich hinterher. Für den Blauen Engel etwa reicht bei Computern noch immer die Erfüllung des Standards RAL-UZ 78 vom Juni 2006 aus, der noch die alte Energy-Star-Zertifizierung verlangt, also nur die PC-Leistungsaufnahme im Standby- und Soft-Off-Modus begrenzt.

Für kleinere PC-Hersteller ist die Erfüllung der Energy-Star-Anforderungen schwierig: Bei den meisten 80-Plus-Netzteilen mit für heutige Bürocomputer sinnvoller Nennleistung zwischen 180 und 300 Watt handelt es sich um OEM-Produkte, die in kleineren Stückzahlen schwer zu beschaffen sind. Im Einzelhandel sind 80-Plus-Netzteile erst mit Nennleistungsangaben ab etwa 300 Watt zu bekommen. Bei solchen Geräten liegt die 20-Prozent-Lastmarke aber bereits oberhalb von 60 Watt sekundärseitig – Desktop-Rechner aus sparsamen Desktop-Komponenten brauchen aber im Leerlauf oft viel weniger. Ein überdimensioniertes Netzteil schöpft das Effizienzpotenzial sparsamer Komponenten also nicht aus. (ciw)