Wirtschaftsministerium distanziert sich von eigener Softwarepatent-Umfrage

Der scheidende Staatssekretär Alfred Tacke gibt dem Bitkom Recht in seiner Kritik an der kurzfristig anberaumten Studie zu Problemen mit dem Patentschutz auf Computerprogramme.

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Die Studie der Bundesregierung zu potenziellen Problemen der Wirtschaft mit Softwarepatenten sorgt noch vor ihrer Veröffentlichung weiter für Unruhe. Nachdem der Branchenverband Bitkom die Mitte Juli kurzfristig gestartete Umfrage des Bundeswirtschaftsministeriums wegen "irreführender Formulierungen" und einer tendenziösen Ausrichtung kritisiert hatte, vollzieht die Führungsebene des Ressorts nun einen schrittweisen Rückzug. So entschuldigt sich Wirtschaftsstaatsekretär Alfred Tacke in einem Schreiben an den Lobbyverein offiziell, dass die Sondierung "zu Missverständnissen und Irritationen über die grundlegende Position der Bundesregierung zum Richtlinienentwurf über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen geführt hat." Keinesfalls solle die Analyse eine Neuauflage der -- allerdings bereits seit Monaten heftig geführten und beispielsweise die Münchener Linux-Migration beeinträchtigenden -- Diskussion über den Monopolschutz für Computerprogramme bewirken. In dem Schreiben, das der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) auf seiner Website veröffentlicht hat, übt sich Tacke bedauernd in Klarstellungen. So sollten mit der Studie "ausschließlich die Wechselbeziehungen zwischen Interoperabilität, Patentschutz und Wettbewerb untersucht werden". Doch der Versuch werde wohl misslingen, distanziert sich der Staatssekretär vehement vorab von den zu erwartenden Ergebnissen, die gemäß der bisherigen Planungen noch im September vorgestellt werden sollen. "Es ist schon jetzt absehbar, dass die Fragebogenaktion keine Resultate bringen wird, die den Anforderungen an wissenschaftlich fundierte Ergebnisse gerecht werden", versucht Tacke die Bitkom-Führung zu beruhigen. Das liege auch daran, dass vielen Unternehmen in der Sommerzeit eine kurzfristige Teilnahme gar nicht möglich gewesen sei. Die Umfrageleiter von der Fachhochschule Gelsenkirchen hatten sich Ende Juli gegenüber heise online jedoch erstaunt gezeigt über die alle Erwartungen weit übertreffenden Rückläufe. Zudem war die Abgabefrist der Unterlagen für mehrere Industrie- und Handelskammern um zwei Wochen verlängert worden.

Tacke übersieht mit seinem Schreiben nicht nur, dass die Ablehnung von Softwarepatenten längst auch in Forschungsabteilungen von Konzernen wie der Deutschen Bank oder Wirtschaftsverbänden wie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag vorherrscht. Der SPD-Politiker, der nach Berichten der Süddeutschen Zeitung Ende des Jahres überraschend zum Stromversorger Steag -- und damit zu einer Tochter des von Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller geführten Chemie- und Bergbau-Konzerns RAG -- wechseln will, stellt sich auch gegen seinen Parteikollegen Jörg Tauss. Der medien- und forschungspolitische Sprecher der SPD im Bundestag hatte jüngst die Bitkom-Kritik an der Umfrage als "unangemessen und fadenscheinig" zurückgewiesen. Bis heute sei von der Patentlobby "keine ökonomisch, technisch, innovations- oder standortpolitisch überzeugende Begründung für die Patentierbarkeit von Software vorgelegt worden". Tauss hegt daher die Erwartung, dass die Erhebung des Wirtschaftsministeriums "zu diesen Fragen zusätzliche Erkenntnisse aus der Sicht vieler Unternehmen beitragen kann."

Gleichzeitig empört sich der Fachexperte der SPD gegen den Kampf des Bitkom gegen den gängigen Begriff Softwarepatente: Der Verband will statt dessen gemäß der EU-Terminologie nur noch "computerimplementierte Erfindungen" in der Diskussion zulassen. Tauss hält dagegen, dass es bei den kontroversen Punkten der Richtlinie wie bei der Frage nach einer drohenden Lawine legitimer Trivialpatente oder nach der Monopolisierung von Schnittstellen sehr wohl just um Softwarepatente gehe. Offiziell wolle diese zwar niemand in Reinform, "aber genau sie werden weder durch den Kommissionsentwurf, noch durch den gemeinsamen Standpunkt des Rates hinreichend ausgeschlossen." Nur das Europaparlament habe ihnen eine deutliche Absage erteilt. (Stefan Krempl) / (se)