Wirtschaftsministerium startet neuen Anlauf zur Netzüberwachung

Mit der dritten Version des Entwurfs für die umstrittene Telekommunikations-Überwachungsverordnung sucht das Wirtschaftsministeriums einen Kompromiss mit den Providern.

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Mit dem dritten Referentenentwurf für eine Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV), der heise online bereits vorliegt und in den nächsten Tagen auf der Homepage des federführenden Bundeswirtschaftsministeriums der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, streben die staatlichen Abhörspezialisten einen Kompromiss mit den Providern an: So sollen Telekommunikations-Unternehmen, die reine Übertragungswege beziehungsweise Backbones anbieten, zu denen die Telekommunikationsteilnehmer keinen direkten Zugang haben, keine Abhörschnittstellen mehr parat halten müssen. Dieselbe Bestimmung gilt für die Betreiber von Anlagen, die reine "Netzknoten" darstellen und nur der "Zusammenschaltung mit dem Internet dienen."

Unter diese kryptische Formulierung fallen den Verfassern des Entwurfs zufolge Internet-Zugangsprovider, bei denen sich die Kunden über Dial-up-Verbindungen einwählen. Das ist der knapp 20-seitigen Begründung des Verordnungstexts zu entnehmen. Die Abhörspezialisten folgen damit teilweise einem Vorschlag des Verbands der deutschen Internet-Wirtschaft eco. Die Lobbyorganisation der Provider hatte im Mai gefordert, den staatlichen Lauschangriff direkt an den Ortsvermittlungsstellen der eigentlichen Carrier und nicht an den schwerer zu fassenden Einwahlknoten ins Internet zu starten. Auf diesem Wege soll eine Doppelüberwachung der Nutzer vermieden werden.

Ganz sind die Provider, die aufgrund dieses Zugeständnisses entlastet werden sollen, aber nicht aus dem Schneider. Bei Übertragungswegen, die dem "unmittelbaren Zugang" zum Internet dienen, wollen die Ermittler weiterhin ihr Ohr am Netz haben. Darunter fallen laut Wirtschaftsministerium letztlich alle Anbieter von Festverbindungen über Verbreitungswege wie DSL, Powerline oder das TV-Kabel. Sie müssen weiterhin die teure Abhörtechnik vorhalten. Der Provider UUNet hatte jüngst berechnet, dass er zur Überwachung von Festverbindungen rund 160 Lauschboxen anschaffen müsste. Die reinen Hardwarekosten beziffert das zum Worldcom-Konzern gehörende Unternehmen auf rund 30 Millionen US-Dollar.

Trotz der Freistellung der Zugangsanbieter im Bereich Dial-up müssen diese die E-Mail-Konten ihrer Kunden im Auge behalten: Adressen für die elektronische Post stehen neben Rufnummern fürs Festnetz und für den Mobilfunk ganz oben auf der Wunschliste der Ermittler. Alle Provider sollen verpflichtet werden, auf Geheiß der von einem Staatsanwalt ermächtigten Strafverfolgungsbehörden die Posteingangs-Boxen von E-Mail-Servern zu überwachen. Dieses Verfahren wird heute in Einzelfällen bereits praktiziert. Insgesamt gehen die Verfasser des Entwurfs davon aus, dass "die Überwachung des gesamten Internetnutzungsverhaltens vollumfänglich" möglich sei. Das geht aus einem inoffiziellen Vermerk hervor, von dem heise online Kenntnis hat.

Den massiven Einsprüchen von Wirtschaftsverbänden und zahlreichen Parlamentariern glaubt das für die TKÜV zuständige Referat "Sicherheit in der Telekommunikation" im BMWi nun Genüge getan zu haben. "Das Inkrafttreten der TKÜV duldet keinen Aufschub", mahnt es im Begründungstext an.

Siehe auch Telepolis: Wirtschaftsministerium gibt Gas bei der Lauschverordnung. (Stefan Krempl) / (wst)