Wutausbrüche und Hohngelächter auf der Telekom-Hauptversammlung

Kein Heimspiel für Ron Sommer: Auf der Telekom-Hauptversammlung muß er sich für Kursverfall und Erhöhung der Vorstandsgehälter rechtfertigen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torge Löding

Es war sein bislang schwerster Gang. Telekom-Lenker Ron Sommer musste heute Vormittag in einer anderthalb-Stunden-Rede den Kursabsturz der T-Aktie, tiefrote Bilanzzahlen und das erstmalige Absenken der Dividende erklären. Die Köln-Arena war am Dienstag Mittag mit über 9.000 Aktionären gefüllt. Schon im vergangenen Jahr hatten Branchenbeobachter mit einem Sturm der Entrüstung der Kleinanleger auf der Telekom-Hauptversammlung gerechnet. Was 2001 ausblieb, entlud sich dafür in diesem Jahr umso stärker. Immer wieder von Pfiffen und Buhrufen unterbrochen erklärte Sommer:

  • Die T-Aktie sei unterbewertet und ungerechtfertigter Weise mit der Branche gemeinsam abgestraft worden.
  • Die Gesamtentwicklung des Konzernergebnisses sei erfolgreich. Der Umsatz 2002 werde rund zehn Prozent über dem Ergebnis von 2001 liegen.
  • Die Telekom gehöre zu den fünf wertvollsten Marken in Deutschland.
  • Der Mobilfunk-Bereich sei ein zentraler Wachstumstreiber und zeichne sich durch ein deutliches Kundenwachstums aus. Bei T-Mobile in Deutschland plus 10,5 Prozent, in Großbritannien plus 19 Prozent, in Tschechien plus 46 Prozent und bei VoiceStream in den USA 46 Prozent.

Schwärmerisch wurde der sonst so nüchterne Manager beim Thema UMTS. "Die kritischen Stimmen fragten auch 1992: Wer braucht schon ISDN? Sie fragten 1995: Wer braucht schon einen Internetanschluss?" Heute habe man 21 Millionen ISDN-Kunden in Deutschland und über neun Millionen Teilnehmer beim Internet-Dienst T-Online. "Auf die Frage 'wer braucht schon UMTS' antworte ich heute: Schon in naher Zukunft sehr viel mehr Menschen, als sich die Kritiker heute vorstellen können." Bereits bis zum Jahresende werde das Unternehmen Netze in rund 20 Städten aufgebaut haben.

Für fast tumultartige Szenen sorgte die Debatte um die Anhebung der Vorstandsgehälter. Dazu nahm der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dietrich Winkhaus -- mit Ausnahme von Gewerkschaftsvertreter Michael Sommer, der heute in Berlin zum DGB-Bundesvorsitzenden gewählt wird, waren Vorstand und Aufsichtsrat vollständig angetreten -- bereits vor Ron Sommers Rede Stellung: "Die Erhöhung der Vorstandsgehälter auf 17,4 Millionen Euro ist keinesfalls eine Steigerung um 90 Prozent, weil darin Abfindungen für zwei ausgeschiedene Vorstandsmitglieder enthalten sind. Die Gehälter sind im marktüblichen Rahmen." Auch Ron Sommer vertrat die Ansicht, dass sich der Vorstand nicht bereichert habe. Um das auszusprechen, bedurfte es aber vier Anläufe -- so heftig wehte ihm der Proteststurm entgegen.

In diesem Sturm der Entrüstung ließ sich Jella Benner-Heinacher von der Aktionärsschutzvereinigung DSW von einer Polemik-Welle tragen: "Wer in Zeiten der Cholera Kaviar bestellt, kann nicht mit Zustimmung der Aktionäre rechnen", sagte sie unter dem Beifall der Aktionäre. Sie fragte nach, ob der Vorstand tatsächlich einen neuen Jet für rund 110 Millionen Euro kaufen wolle. In Anspielung auf Ron Sommers ehemaligen Job als Top-Manager bei Sony Deutschland sagte sie:"Es wäre fatal, wenn sich der Vorstandsvorsitzende während seiner Regentschaft vom Sony-Boy zum Sonnenkönig entwickelt hätte."

Fondsmanager wie Klaus Martini, Leiter des DWS-Fondsmanagements für europäische Aktien, forderten eine gewinnorientierte Unternehmensstrategie. "Entscheidend ist, was nach Zinsen, Steuern und Abschreibungen herauskommt", so Rolf Drees von der Union Investment-Gruppe. Also das Ergebnis jenseits des EBITDA, mit dem Unternehmen ihre Ertragslage gerne positiver darstellen zu versuchen. Nach Zinsen, Steuern und Abschreibungen waren es bei der Telekom 2001 mit 3,5 Milliarden Euro Verlust erstmals tiefrote Zahlen. Für das laufende Geschäftsjahr malte Finanzchef Karl-Gerhard Eick vor der Hauptversammlung ein noch düsteres Bild an die Wand: Auf 5,5 Milliarden Euro sollen sich die Verluste bis zum Jahresende auftürmen. Abschreibungen auf Firmenwerte und UMTS-Lizenzen und Zinsen fressen einen großen Teil der Ergebnisse. Angesichts dieser Ergebnisse haben diverse Kleinaktionärs-Verbände angekündigt, den Telekom-Vorstand nicht entlasten zu wollen.

So richtig zu Wort kam der Finanzvorstand auf der Hauptversammlung dann aber gar nicht: Während er eher Organisatorisches zu erklären versuchte, wurde er von rhythmischen Klatschen genervter "Volksaktionäre" unterbrochen. Lautstark skandierten Dutzende: "Aufhören, Aufhören!". (tol)