Yahoo der Mitwisserschaft bei Verfolgung chinesischer Dissidenten beschuldigt
Dokumente, die eine Menschenrechtsorganisation vorgelegt hat, sollen beweisen, dass Yahoo China seit Beginn der Ermittlungen gegen einen Dissidenten gewusst hat, dass er wegen politischer Vergehen gesucht wird.
Die Menschenrechtsorganisation Dui Hua Foundation hat ein Dokument vorgelegt, das ihrer Ansicht nach belegt, dass der Internetdienstleister Yahoo mehr über die Hintergründe der Verhaftung des Internet-Dissidenten Shi Tao wusste, als er gegenüber dem US-Kongress zugegeben hat. Aus einer Daten-Anforderung der chinesischen Sicherheitsbehörden an Yahoo China vom 22. April 2004, die die Organisation in englischer Übersetzung (PDF-Datei) veröffentlicht, geht hervor, dass der Besitzer des Accounts huoyan1989@yahoo.com.cn wegen der "unerlaubten Weitergabe von Staatsgeheimnissen ans Ausland" gesucht wurde. Der Yahoo-Vizepräsident Michael Callahan hatte hingegen vor dem US-Kongressauschuss für globale Menschenrechte Mitte Februar 2006 ausgesagt (PDF-Datei), als Yahoo China zur Weitergabe der Daten aufgefordert wurde, seien Yahoo keine Hintergründe zu den Untersuchungen bekannt gewesen.
In der Aufforderung der chinesischen Sicherheitsbehörden, Beweismittel zu übergeben, wird Yahoo um Aufzeichnungen sämtlicher Login-Zeiten, IP-Adressen und "relevanter Inhalte" von E-Mails unter dem besagten Acccount ersucht. Bei der Anfrage handelt es sich laut Dui Hua Foundation um ein standardisiertes Formular, das zunächst auf der chinesischsprachigen, in den USA gehosteten Website Boxun.com aufgetaucht sei. Bereits früher veröffentlichte Gerichtsdokumente (PDF-Datei) zeigten, dass sich hinter dem besagten E-Mail-Account Shi Tao verbarg. Joshua Rosenzweig, Mitarbeiter der Foundation, meint, auch wenn Yahoo keine genaueren Informationen über den Beschuldigten oder die vorgeworfenen Vergehen gewusst habe, müsse man kein Fachmann sein, um zu wissen, dass die "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" oft als Beschuldigung gegen Dissidenten vorgebracht wird.
Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen hatte vor knapp zwei Jahren Yahoo beschuldigt, bei der Verhaftung und Verurteilung von chinesischen Dissidenten mitzuhelfen. Dieser und andere Fälle erregten auch das Interesse des US-amerikanischen Parlaments. Dort verteidigten sich Yahoo nebst Microsoft und Google mit dem Argument, die Anwesenheit von möglichst vielen Internet-Providern, besonders jener Unternehmen, die möglichst viele Suchmöglichkeiten und ein breites Inhaltsspektrum bieten, sei ein "machtvolles Instrument" für die Öffnung und Reformen in allen Ländern, auch in China.
Shi Tao, der im April 2005 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde, unter anderem da er per E-Mail behördliche Instruktionen für Journalisten weitergeleitet hatte, hat sich inzwischen einer Klage des Dissidenten Wang Xiaoning gegen Yahoo angeschlossen. Auch im Falle Wang, der ebenfalls zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, hat die Dui Hua Foundation nach eigenen Angaben neue Beweise vorgelegt, die Yahoos Verstrickungen aufzeigten. Auch in diesem Fall soll Yahoo frühzeitig gewusst haben, dass die chinesischen Behörden Kundendaten wegen des Verdachts politischer Vergehen – in diesem Fall "Subversion" – angefordert haben. (anw)