Youtube: Linus Tech Tipps verspricht Transparenz

Die in die Kritik geratene Linus Media Group hat sich nach einem Produktionsstopp zurückgemeldet. Die Versprechen: Transparenz und Faktenchecks.

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Linus Sebastian im Comeback-Video von LTT.

(Bild: YouTube, LTT / Screenshot: heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Nach 10 Tagen Sendepause gibt es neue Videos von Linus Tech Tipps. Darin stellt der Firmengründer, Linus Sebastian, strukturelle Änderungen am Produktionsprozess und der Unternehmensführung vor. Einige Formate der zahlreichen YouTube-Kanäle der Linus Media Group (LMG) laufen bereits wie gewohnt weiter.

Den Anfang machte in der Nacht zum Samstag deutscher Zeit ein Video mit dem Titel "Here's the plan", die erste Veröffentlichung seit dem Clip "What do we do now?" zehn Tage zuvor. Schon die Titel zeigen, dass dahinter offenbar eine Kommunikationsstrategie steht. Kamen im Video zum Produktionsstopp noch zahlreiche Manager der kanadischen Linus Media Group inklusive des neuen CEO Terren Tong zu Wort, so handelt es sich beim neuen Video um einen Soloauftritt von Linus Sebastian. Als Gesicht des Unternehmens soll er wohl gestärkt werden.

Seit Mitte August 2023 hatten sich aus der Community und auch von anderen YouTubern, allen voran Steve Burke mit seinem Kanal Gamers Nexus, Vorwürfe gegenüber LMG gehäuft. Wie in einer früheren Meldung beschrieben geht es um schlampige Tests, unwahre Aussagen, den offenbar unberechtigten Verkauf von Testmustern sowie um eine Firmenkultur mit Druck, Mobbing, bis hin zu sexuellen Übergriffen.

Den letzten Punkt spricht Sebastian in seinem Plan-Video nur kurz an und verweist auf eine laufende Untersuchung, deren Ergebnisse er nach Abschluss vorlegen wolle. Den meisten Raum nimmt eine neue Fehlerkultur ein, bei der die Werte des hauseigenen Testlabors mehrfach verifiziert werden sollen. Das ist am Anfang einer Produktion, dann fortlaufend und mehrfach vor Veröffentlichung eines Videos vorgesehen. Dabei gibt es mehrere Reaktionsmöglichkeiten auf Fehler, die dann dem Schweregrad entsprechend durch Texteinblendungen, angepinnte YouTube-Kommentare oder bis hin zum Verwerfen auch eines fertigen Videos reichen können.

Als Beispiel für diesen Prozess hat LMG auf seiner Webseite eine Dokumentation zu mehreren Bereichen gestartet. Im Review-Verfahren der vergangenen Woche wurden so bereits einige Videos gelöscht. Weitere Schritte zu mehr Transparenz sollen unter andrem eine genaue, öffentliche Beschreibung der Testverfahren sowie eine offene Diskussion der Community der Webseite sein. Zudem gibt es ein Bewerbungsformular für freiwillige Helfer, welche die "Error Checking Community Squad" bilden sollen. Die Abkürzung, ECC Squad, spielt im typischen LTT-Nerd-Humor auf fehlertoleranten PC-Arbeitsspeicher an. Ob diese Helfer auch bezahlt werden, erwähnt Sebastian nicht.

In einem längeren Segment stellt er jedoch heraus, dass sein Unternehmen – dessen Hauptanteilseigner er und seine Ehefrau weiterhin sind – vergleichsweise gute Arbeitsbedingungen bieten würde. Sebastian betont regelmäßige Spaßveranstaltungen, Bonuszahlungen und die in Nordamerika nicht selbstverständliche Krankenversicherung.

Eine Erhöhung der Zahlungen für psychologische Behandlungen erwähnt Sebastian ausdrücklich. Er beschreibt das jedoch nicht als Reaktion auf die Vorwürfe zu internem Mobbing. Vielmehr sei die Maßnahme eine Folge von Anfeindungen in sozialen Medien seinen Mitarbeitern gegenüber. Der Firmengründer stellt sich ausdrücklich vor sein Team und betont auch, dass keine Entlassungen geplant seien. Auch bei geplant weniger Videoveröffentlichungen reichten die Rücklagen von LMG noch aus. Dennoch sieht Sebastian eine höhere Fluktuation als bisher bei der Belegschaft voraus. Diese sei jedoch bisher unter dem kanadischen oder US-amerikanischem Durchschnitt gewesen.

Ein Auslöser der Kontroverse war der geradezu verantwortungslose Umgang mit dem Prototyp einer kombinierten CPU- und GPU-Kühlers des Start-ups Billet Labs. Dieser wurde, entgegen früherer Absprachen, dann auf einer Wohltätigkeitsauktion versteigert. Eigentlich wollte ihn Billet Labs zurückhaben. Solche Leihgaben sind bei Tests durchaus üblich. Um die Absprachen künftig einzuhalten, soll es bei LMG nicht mehr nur ein Eingangs- und Ausgangssystem für Produkte geben, sondern ein von Sebastian sogenanntes Heartbeat-Verfahren. Damit werden in der Informatik regelmäßige Statusupdates eines Systems bezeichnet, die Ausfälle erkennen sollen.

Bei den laufenden Produktionen kehrt nach bisherigem Stand langsam wieder Normalität bei LMG ein. Kurz nach dem Plan-Video startete die freitägliche WAN-Show, ein Talkshow-Livestream mit Linus Sebastian und seinem langjährigen Freund und Kollegen Luke Lafreniere. Die beiden streiften die Umstrukturierungen nur kurz. Gleiches gilt für das bisher an jedem zweiten Werktag erscheinende Nachrichtenformat "Tech Linked", das am Samstag auf dem gleichnamigen Kanal erschien.

Er ist einer von insgesamt acht YouTube-Kanälen von LMG, von denen derzeit sechs regelmäßig aktualisiert werden. Auf dem Hauptkanal, Linus Tech Tipps, zählt das Unternehmen 15,5 Millionen Abonnenten und gilt damit als eines der einflussreichsten in der Technikwelt. Vor allem in den letzten Jahren wuchs LMG stark und beschäftigt inzwischen rund 120 Mitarbeiter, im Jahr 2018 waren es noch 25. Das Geschäftsmodell umfasst nicht nur die Produktion von Videos, sondern auch eine eigene Streaming-Plattform und den Verkauf von Merchandise-Artikeln sowie selbst entworfenen Gebrauchsgegenständen wie Werkzeug und Gepäckstücken.

(nie)