ZVEI: Note "gut" für die Forschungspolitik

Eine recht positive Bilanz zog der Branchenverband ZVEI heute nach vier Jahren Forschungspolitik der rot-grünen Bundesregierung, kritisierte zugleich aber die Patentoffensive an Hochschulen.

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Von
  • Richard Sietmann

"In der Summe sehen wir die Bilanz der Forschungspolitik des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in der vergangenen Legislaturperiode positiv", obwohl sie "noch reichlich Raum für Weiterentwicklung und Verbesserungen lässt", erklärte der Leiter des Arbeitskreises Forschung und Entwicklung des Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI), Peter Draheim, heute auf einer "Bilanz-Pressekonferenz" in Berlin. Auf die Frage, welche Schulnote er geben würde, antwortete Draheim mit "gut".

Positiv vermerkt der ZVEI dass die staatlichen Aufwendungen für die Forschung in der vergangenen Legislaturperiode stetig zugenommen haben. Und dass der Forschungsetat trotz der Sparrunden der Koalitionsverhandlungen offenbar keine Kürzungen hinnehmen musste, sei "ein absolut positives Signal". Auch habe die Bundesregierung mit der Eingliederung der GMD in die Fraunhofer-Gesellschaft "ein bemerkenswertes Zeichen" gesetzt. "Bei vorhandenem politischen Willen", so Draheim, "können also die starren Strukturen der öffentlichen Forschungslandschaft verändert werden".

Diese Strukturen hatte der ZVEI vor drei Jahren in einem umstrittenen [www.zvei.org/forschung/Dokumente/Szenario.pdf Positionspapier] in Frage gestellt, als er die Konzentration der außeruniversitären Forschung auf die grundlagenorientierte Max-Planck-Gesellschaft und die anwendungsorientierte Fraunhofer-Gesellschaft forderte. Im Ergebnis hätte dies die Auflösung der Großforschungseinrichtungen in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) sowie der Bund-Länder-Institute der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) -- der sogenannten "Blauen Liste" -- bedeutet.

Diese Forderungen sind nun vom Tisch. Heute klingt es so, als hätten sie nie darauf gelegen. Das Ziel sei lediglich gewesen, eine neue Diskussion anzustoßen, erklärte Draheim. "Das Motiv zu diesem Papier war, die verkrustete Forschungslandschaft aufzubrechen". Die außeruniversitäre Forschung in Deutschland ruhte ohne deutliche Schwerpunktsetzung und Abgrenzung der Aufgaben auf den historisch gewachsenen 'Säulen' der MPG, FhG, HGF und WGL. "Wir wollten an diesen Säulen rütteln und schauen, ob etwas vom Podest purzelt".

Für die Zukunft fordert Draheim, im Hauptberuf Geschäftsführer der Philips GmbH und Vorstand von Philips Semiconductors, vom Forschungsministerium die weitere Verstärkung der Projektförderung zu Lasten der Grundfinanzierung von Instituten und Forschungseinrichtungen. "Der ZVEI war, ist und bleibt ein Anhänger der direkten Forschungsförderung, strukturiert in Programmen und Projekten", erklärte er. Den Einwand, dass dies die Forschung noch stärker an die kurzfristigen Interessen der Industrie binde, weil sich für langfristige Entwicklungen -- wie die Nanoelektronik oder die Fortentwicklung des Mobilfunks über UMTS hinaus -- keine Projektpartner finden, ließ er nicht gelten. "So kurzfristig denkt die Industrie nicht", meinte Draheim, "auch UMTS war kein Projekt von ein, zwei Jahren". Und dass UMTS ein Erfolg wird, müsse auch im Interesse der Bundesregierung liegen, "denn wenn es kein Erfolg wird, dann ist sehr viel Geld umsonst ausgegeben worden".

Deutliche Kritik übte der ZVEI an der Patentinitiative des BMBF durch den Aufbau von Verwertungsagenturen an den Hochschulen und die Anfang des Jahres in Kraft getretene Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs im Arbeitnehmererfindergesetz. Danach steht Hochschulen nun ähnlich wie bisher schon Unternehmen das Recht zu, Erfindungen ihrer Mitarbeiter zum Patent anzumelden und damit die wirtschaftliche Verwertung zu forcieren. Zuvor stand es allein im Ermessen der Professoren, den Patentschutz für ein Forschungsergebnis zu beantragen und es wirtschaftlich zu nutzen, wovon nach Auffassung des BMBF viel zu selten Gebrauch gemacht wurde.

"Im Grunde begrüßen wir es, dass das BMBF die Patentaktivitäten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen fördert", meint Draheim. "Wir fragen uns nur, ob die zwingende Achse Hochschullehrer-Hochschule-Patentverwertungsagentur, die jetzt gerade aufgebaut wird, wirklich der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft dienlich ist". Er befürchtet den Aufbau einer Verwertungsbürokratie, weil die Patentstellen "ja auch ihre Existenz rechtfertigen müssen". Noch mehr stört ihn, dass Firmenpartner in Drittmittelprojekten mit Instituten sich die Lizenzrechte an den Ergebnissen künftig womöglich teilen müssen. "Wenn ich nicht das exklusive Nutzungsrecht für eine Erfindung bekommen kann, mache ich das Projekt mit der Hochschule erst gar nicht". (Richard Sietmann) / (anw)