Zahlen, bitte! Michelangelos David und seine kleinste Kopie

Vor mehr als einem halben Jahrtausend präsentierte Michelangelo seine bekannteste Statue der Öffentlichkeit. 3D-Drucker machen inzwischen Mikro-Kopien.

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Zahlen, bitte! Michelangelos David und seine kleinste Kopie
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Auf den Tag genau vor 516 Jahren wurde den Bürgern von Florenz ein prächtiges Marmor-Standbild der stolzen Wollweber-Zunft enthüllt. Der 5,17 Meter hohe und 6 Tonnen schwere David des Bildhauers Michelangelo Buonarroti begeisterte nach dem Bildersturm des Bußpredigers Savonarola nicht alle. Schon auf dem mühseligen mehrwöchigen Transport der Kolossal-Statue hatte es Steinwürfe gegeben, die den "Giganten" beschädigten.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Das Original

(Bild: heise online/Martin Holland)

Rund 300 Jahre stand David danach im Freien auf der Terrasse des Palasts der Bürgerversammlung (Signoria), ehe er 1882 in einen Saal der Akademie der Künste umziehen konnte. Heute ist er eines der meistkopierten Kunstwerke der Welt und gehört zum Standardprogramm der Tattoo-Studios. Die kleinste Kopie des Davids wurde im Maßstab 70.000:1 angefertigt und ist 100 µm hoch.

Michelangelo hatte die schwierige Aufgabe, einen David für die freie Republik Florenz aus einem 12 Tonnen schweren Marmorblock zu modellieren, an dem sich 40 Jahre früher andere Bildhauer versucht haben. Sein David als Symbol der von der Herrschaft der Medici befreiten Bürgerschaft sollte auf dem Dom von Florenz stehen. Dementsprechend wählte Michelangelo eine Perspektive, aus der David von unten betrachtet wird.

Anders als andere zeitgenössische Darstellungen zeigte er nicht den siegreichen David nach dem Kampf gegen Goliath, sondern den Jüngling kurz vor dem Kampf, die Schleuder lässig über die Schulter gehängt, doch die tödlichen Geschosse in der bereits gut durchbluteten Hand. Auch die Adern am Hals zeigen, dass David sich in höchster Kampfbereitschaft befindet. Heute befassen sich Mediziner mit dieser Darstellung, denn der Blutkreislauf wurde erst 100 Jahre nach Michelangelo entdeckt.

Michelangelo arbeitete von 1501 bis 1504 unter strenger Geheimhaltung an der Kolossalstatue. Für die anatomischen Details sezierte er Leichen. Als das Kunstwerk der Florentiner Öffentlichkeit präsentiert wurde, begannen die Debatten. Eine war technischer Natur: Kann der Vorsprung auf dem Dom überhaupt ein solches Gewicht tragen? Ein Komitee, dem unter anderen die Künstler Sandro Botticelli und Leonardo da Vinci angehörten, entschied sich nach einigem Hin und Her für die Terrasse vor dem Palazzo Vecchio. Dort aufgestellt wurde die Statue prompt schwer beschädigt, als die Medici Florenz zurückeroberten und das Mobiliar der Bürgerschaft aus dem Palast geworfen wurde. Ein Medici bezahlte schließlich 1543 die Restaurierung.

Welch hohen künstlerischen Wert die Staue von Michelangelo hatte, zeigte sich nach einigen hundert Jahren erst mit der Vereinigung Italiens. 1873 wurde David zum zweiten Mal restauriert und wanderte dann in einen eigens für ihn errichteten Saal, 1910 wurde eine Marmorkopie am alten Standort installiert. Von dieser Kopie stammen alle David-Abbildungen, die Küchenschürzen. Motorrad-Abdeckplanen oder Kühlschrankmagneten zieren – mitunter auch nur ausschnittsweise. Ein Magnet mit dem Geschlechtsteil des Jünglings soll das meistverkaufte Andenken in Florenz sein. Eine 9 Tonnen schwere Kopie hat es bis nach Amerika geschafft. Sie steht im Caesars Palace in Las Vegas. Weil Fotos (heute: Selfies) von Besuchern mit diesem David nur seine übergroßen Füße zeigen, wurde eine auf Menschengröße verkleinerte David-Kopie im Eingangsbereich des Hotels aufgestellt und "Dave" getauft.

Die kleinsten Kopien

(Bild: Exaddon)


Eine Glasfaser-Kopie wurde 2010 zur Feier der Kopie von 1910 dort installiert, wo sie ursprünglich stehen sollte: auf dem Dom von Florenz. Die bemerkenswertesten Kopien fertigten indes Wissenschaftler der ETH Zürich und der Schweizer Firma Exaddon zur Demonstration ihrer 3D-Drucktechnik an. Sie fertigten zunächst auf der Basis der öffentlich verfügbaren Daten einen auf 10.000:1 verkleinerten David an, der 1 Millimeter groß ist. Durch Reduktion der Daten auf 70.000:1 gelang sogar eine Kopie in der Größe von 0,1 Millimeter, auch wenn dafür auf die marmorglatte Schönheit des Originals verzichtet werden musste. (mho)