Zahlen, bitte! Nach 60 Jahren - 151 Millionen nehmen die Antibabypille

Vor 60 Jahren kam die Antibabypille in den Handel, inzwischen gehört sie weltweit zu den wichtigsten Instrumenten der Empfängnisverhütung.

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Zahlen, bitte! Nach 60 Jahren - 151 Millionen nehmen die Antibabypille
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Von
  • Detlef Borchers

Auf den Tag genau vor 60 Jahren begann in den USA der Verkauf der Antibabypille unter dem Namen Enovid. In Westdeutschland startete das Mittel zur "Ovulations- oder Familienkontrolle" unter dem Namen Anovlar ein Jahr später, in Ostdeutschland wurde die Pille ab 1965 unter dem Namen Ovosiston als "Wunschkind-Pille" vermarktet. Sie verbreitete sich im Osten viel schneller als im Westen, wo die Pille zunächst nur verheirateten Frauen über 30 mit mindestens zwei Kindern verschrieben wurde.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Aktuell werden in Deutschland 50 verschiedene hormonale Verhütungspillen für die Frau angeboten, während der Mann leer ausgeht: entsprechende Pillen sind wegen angeblicher Nebenwirkungen nicht weiter entwickelt worden. Nach Angaben der Vereinten Nationen nehmen derzeit weltweit 151 Millionen Frauen die Pille. Sie gehört damit zu den wichtigsten Instrumenten der Empfängnisverhütung. In Deutschland, Österreich und der Schweiz landet sie dagegen jeweils auf Platz Eins.

Die Entwicklung der Pille begann, nachdem man die Bedeutung von Hormonen für die Schwangerschaft entdeckt hatte. Berüchtigt sind die Versuche, die der deutsche Hormonforscher und Gynäkologe Carl Clauberg im Konzentrationslager Auschwitz im Auftrag des Pharmakonzerns Schering durchführte. Clauberg hatte ab den 20er Jahren über das Hormon Gestagen geforscht und war vom NS-Regime beauftragt worden, ein Mittel zur Sterilisierung von Frauen zu finden.

Auch in den USA ging man wenig zimperlich vor. In den 50er Jahren wurde die Pille zunächst in der Psychiatrie getestet, dazu an männlichen Gefängnisinsassen: Man wollte sehen, ob sie gegen "homosexuelle Neigungen" eingesetzt werden kann. Der Großtest erfolgte an Fabrikarbeiterinnen in Puerto Rico, ehe die Pille am 23. Juni 1960 von der Arzneimittelbehörde zugelassen und am 18. August in den Verkauf kam.

Von Anfang an wurde über die Antibabypille ein gesellschaftlicher Diskurs geführt. So wurde sie als Instrument der sexuellen Revolution verteufelt. Seitens der katholischen Kirche erließ Papst Paul VI die Enzyklika Humanae Vitae, mit der den Gläubigen vorgeschrieben wurde, dass Sexualität grundsätzlich nur der Fortpflanzung dienen darf. Dabei waren die ersten Pillen eigens so konzipiert, dass auf die Menstruationszyklen der Frauen "Rücksicht" genommen wurde, um die Natürlichkeit der Verhütungsmethode zu betonen.

In ihrem Sketch Happy No Birthday! zeigt Carolin Kebekus, was sie von dieser Künstlichkeit und weiteren Nebenwirkungen der Pille hält. Kebekus zeigt im Sketch ein Bild von Konrad Zuse mit seinem ersten Computer und vergleicht so die Entwicklung der Pille mit der des Computers. Beide wurden immer kleiner und einfacher.

Konrad Zuses durchaus rassistische Worte zur Antibabypille

(Bild: Lizenz Creative Commons CC BY-NC-SA 3.0 )

Interessanterweise war es Konrad Zuse, der sich mehrfach über die Antibabypille äußerte. In seinen Memoiren "Die Uhr tickt" machte sich Zuse im Jahr 1968 Gedanken darüber, ob die Europäer angesichts des Pillenknicks von der Bildfläche verschwinden werden. Auch die "Mutter der Pille", der Chemiker Carl Djerassi machte sich in seinen Memoiren Gedanken und schrieb über seine Computer-Metapher: "Als Hardware bezeichnete ich alle gängigen Methoden, die angewandt wurden – Kontrazeptiva, Abtreibung, Kondome, Sterilisation und verwandte Dinge, die ich wie jeder andere auf dem Gebiet der Geburtenkontrolle tätige Wissenschaftler verstand und ansprach. Software umfasste die schwierigeren politischen, religiösen, juristischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Fragen, die jeder Einzelne, und letzten Endes die Regierung, entscheiden muss, bevor er sich der empfängnisverhütenden Hardware bedient. Die Konsequenz: Ohne Fortschritt bei der Software kann es keine Verbesserungen bei der Hardware geben.

(mho)