Zeitumstellung: Spart die Umstellung auf Sommerzeit Energie?

(Bild: Subbotina Anna/Shutterstock.com)
Die Zeitumstellung soll Energie sparen. Doch stimmt das wirklich?
Die Sache mit dem Uhrendrehen hat eine lange Geschichte. Ein Hauptargument dafĂŒr war stets: Passt man die menschlichen AktivitĂ€ten besser an das verfĂŒgbare Tageslicht an, kann man Energie sparen. Aber gelingt das tatsĂ€chlich?
Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts schlug der amerikanische Wissenschaftler und Staatsmann Benjamin Franklin vor, den Verbrauch von Kerzen durch frĂŒheres Aufstehen und Zubettgehen zu reduzieren. Er wollte zwar dafĂŒr die Uhrzeit nicht verstellen. Doch seine Absicht trifft den Kern der Argumentation, mit der fĂŒr die EinfĂŒhrung der Sommerzeit plĂ€diert wurde: Wir gleichen den Zeitraum der menschlichen AktivitĂ€ten besser ans nutzbare Tageslicht an, um Energie und Kosten fĂŒr Beleuchtung zu sparen.
Vor dem Hintergrund knapper Energie-Ressourcen wĂ€hrend des Ersten Weltkriegs wurde 1916 im Deutschen Reich die Sommerzeit eingefĂŒhrt. Ein GroĂteil Europas tat dies ebenfalls. Nach Kriegsende kehrten die meisten LĂ€nder zur Normalzeit zurĂŒck. Im und nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholte sich dies. Ab 1950 gab es in Deutschland vorerst keine Sommerzeit mehr.
Rund um die Ălpreiskrise 1973 kehrte die Diskussion um eine erneute EinfĂŒhrung zurĂŒck. Als im Oktober 1979 die DDR der Bundesrepublik mitteilte, ab 1980 die Sommerzeit einzufĂŒhren, schloss sich diese an. Seit 1996 stellen alle Mitglieder der EU die Uhren Ende MĂ€rz und Ende Oktober um.
Licht vs. Heizen
Und was hat das gebracht, konkret aufs Energiesparen bezogen? "Wie viel Energie durch die Umstellung auf Sommerzeit tatsĂ€chlich eingespart wird, lĂ€sst sich nicht genau beziffern, denn: Die Umstellung fĂŒhrt an der einen Stelle zu einem geringeren und an der anderen zu einem höheren Verbrauch", fasst das Umweltbundesamt (UBA) zusammen. So werde auf der einen Seite die Tageshelligkeit wĂ€hrend der Sommerzeit besser genutzt und damit Strom in den Abendstunden eingespart. Auf der anderen Seite werde wegen des frĂŒheren Aufstehens in den kĂŒhleren Morgenstunden im FrĂŒhjahr und Herbst mehr Heizenergie verbraucht.
GrundsĂ€tzlich gilt, dass der Anteil der kĂŒnstlichen Beleuchtung am Stromverbrauch durch die bessere Effizienz moderner Leuchtmittel in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist. Die weitaus meiste Energie benötige ein Haushalt zum Heizen, so das Umweltbundesamt. Rund 70 Prozent des gesamten Energieverbrauchs entfielen darauf.
2016 kam das BĂŒro fĂŒr Technikfolgen-AbschĂ€tzung beim Deutschen Bundestag in einer Ăberblicksanalyse zu dem Ergebnis [1], "dass die Auswirkungen der Sommerzeit auf den Energieverbrauch sowohl positiv als auch negativ sein können, in AusprĂ€gung und Höhe stark vom klimatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmen abhĂ€ngen und mit ziemlicher Sicherheit in den meisten FĂ€llen sehr gering sind". Insgesamt sei der wissenschaftliche Kenntnisstand bezĂŒglich des Aspekts Energieverbrauch begrenzt, unvollstĂ€ndig oder widersprĂŒchlich.
Daran hat sich seitdem nichts Grundlegendes geĂ€ndert. Zwar gab es in einzelnen LĂ€ndern weitere Auswertungen zum Energiesparen durch die Sommerzeit â etwa fĂŒr die Slowakei (2018) [2] oder die serbische Hauptstadt Belgrad (2018) [3]. Doch diese sind ebenfalls beschrĂ€nkt aussagekrĂ€ftig und gehen, wenn ĂŒberhaupt, von einem sehr geringen Einsparpotenzial aus. Die Analyse fĂŒr Belgrad kommt immerhin zu dem Ergebnis, dass sich durch die Sommerzeit die relative Anzahl der Stunden, in der etwa BĂŒros klimatisiert werden mĂŒssen, um zwölf Prozent verringern lasse.
Und wie sĂ€he es energietechnisch aus, wenn man in Europa die ewige Sommerzeit einfĂŒhrte â was manch einer gerne möchte? Eine Analyse des deutschen Wirtschaftswissenschaftlers Korbinian von Blanckenburg aus dem Jahr 2016 [4] zu möglichen Stromeinsparungen privater Haushalte ergab, dass mit einer dauerhaften Sommerzeit am meisten eingespart werden könne. Allerdings steht dem gegenĂŒber ein Papier von 2021 fĂŒr die TĂŒrkei [5], die 2016 das Uhrendrehen abgeschafft hat und bei ihrer Sommerzeit geblieben ist. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass diese Sommerzeit-Strategie nicht zu messbaren Energieeinsparungen fĂŒhre.
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[2] https://dspace.cuni.cz/bitstream/handle/20.500.11956/98870/130227834.pdf?sequence=1&isAllowed=y
[3] https://www.researchgate.net/publication/327934003_Simple_analysis_of_daylight_saving_time_effects_in_Belgrade_climate_and_latitude
[4] https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2016/heft/4/beitrag/stromersparnis-der-zeitumstellung-bei-privaten-haushalten.html
[5] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352484721006272
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