Zensur als Handelshemmnis?

Googles Chef-Politolog kritisierte auf der 2. Konferenz "Access to Knowledge", dass bei bilateralen Freihandelsabkommen zwar auf Schutz von geistigem Eigentum gedrängt, aber weniger die Respektierung von Meinungs- und Informationsfreiheit gefördert werde.

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Von
  • Wolfgang Kleinwächter

Nach Auffassung von Andrew McLaughlin, Chief Policy Adviser von Google, sollten Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Rahmen der laufenden Verhandlungen der "Doha Round" der World Trade Organization (WTO) als Handelshemmnis qualifiziert werden. McLaughlin kritisierte auf der Jahreskonferenz "Zugang zu Wissen" (A2K2) der Yale University in New Haven indirekt die US-Regierung, die bei bilateralen Verhandlungen zu so genannten Freihandelsabkommen (Free Trade Agreements) zwar sehr nachdrücklich darauf dränge, den mangelnder Schutz von geistigem Eigentum zu beseitigen, aber weit weniger die Respektierung des Informations- und Meinungsfreiheit an Handelserleichterungen binde.

Google war wie Microsoft, Yahoo oder etwa Cisco weltweit in die Kritik geraten, weil die Firmen chinesische Zensurmaßnahem unterstützten und Daten von individuellen Nutzern, die auf Firmenservern in China gespeichert waren, an chinesische Behörden ausgehändigt hatten. Google hatte sich bei der Rechtfertigung seiner Aktionen vor dem US-Kongress darauf berufen, dass man in China die chinesische Rechtsordnung respektieren müsse, so wie chinesische Unternehmen bei wirtschaftlichen Aktivitäten in den USA die amerikanische Rechtsordnung berücksichtigen müssten. Die Dinge würden klarer, betonte McLaughlin, wenn Zensur international eindeutig als ein Handelshindernis definiert würde. Gerade im Bereich des Schutzes von Menschenrechten ergäben sich auch neue Möglichkeiten für ein innovatives Zusammenwirken von Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft.

Ob oder ob nicht zwischen Zivilgesellschaft und der Großindustrie bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft gemeinsame Interesses bestehen, war Gegenstand einer heftigen kontroversen Debatte auf der zum zweiten Male ausgetragenen A2K-Konferenz das "Yale Information Society Projects". Am ersten Konferenztag hatte der IT-Konsumentenschutz-Papst Jamie Love von "Knowledge Ecology International" das A2K-Konzept (Access to Knowledge) als eine "neue soziale Bewegung" charakterisiert, die sich primär den Profitansprüchen der Unternehmen entgegen stellen müsste. Am zweiten Konferenztag setzten sich Vertreter von Microsoft, Intel, IBM und Google mit den Vorwürfen auseinander und versuchten, ein etwas anderes Bild zu zeichnen.

Brad Biddle von Intel argumentierte, dass es richtig sei, dass eine "For Profit"-Organisation primär an Gewinne denken müsse. Dies bedeute aber nicht, dass man sich unsozial verhalte. Im Gegenteil, momentan gebe es ein "Fenster gemeinsamer Interessen". Die nächste Milliarde Internet Nutzer, erklärte Biddle, komme nicht aus den entwickelten Ländern. Wenn Intel also neue Märkte erschließen wolle, müsse es sich an Investitionen in Bildung und Kapazitätsaufbau in Entwicklungsländern beteiligen. Das liege im Selbstinteresse des Unternehmens und fördere die A2K-Bewegung. Er sehe darin keinen Widerspruch. Es gäbe mehr gemeinsame Interessen zwischen Zivilgesellschaft und Privatindustrie als gemeinhin angenommen. Intels Aufsichtsratsvorsitzender Craig Barrett ist auch Vorsitzender der von der UN initiierten "Global Alliance for ICT and Development" (GAID), die sich im Rahmen des WSIS-Prozesses das Ziel gesetzt, die digitale Spaltung in der Welt zu überwinden.

Ähnlich argumentierte Brent Woodworth von IBM. Er leitet ein firmeneigenes "Crisis Response Team", das bei globalen Katastrophen wie Tsunamis, Erdbeben oder Vulkanausbrüchen mit NGOs zusammenarbeitet. Ohne Informationssharing zwischen Industrie, Zivilgesellschaft und Regierungen, auch auf der der Basis von Open Source, sei Hilfe weit weniger effektiv, sagte Woodworth. Etwas zurückhaltender drückte sich Jule Sigall von Mircosoft aus. Für ihn ist Zugang zu Wissen mehr ein rechtliches und politisches denn ein soziales Problem. Eine Motivation, kreativ zu sein, sei auch, Geld zu verdienen. Deshalb müssten die Rechtsfragen zum Schutz geistigen Eigentums klar geregelt sein. Im Übrigen sei der Schutz des geistigen Eigentums auch in Artikel 27 der UN-Menschenrechtsdeklaration von 1948 verankert. Er stimme jedoch zu, dass es verschiedenen Ansätze geben müsse. Jedes Land habe spezifische Traditionen, die man berücksichtigen sollte.

Eine einfache Übertragung des US-Copyrightgesetzes DMCA wurde auch von Mc Laughlin abgelehnt. Vielleicht hätten viele Unternehmen noch gar nicht ihre eigentlichen langfristigen Interessen in diesem Bereich erkannt, meinte Googles Chef-Politologe. Es mache mehr Sinn, sich mit innovativen Geschäftsmodellen zu beschäftigen, als den großen Knüppel zu schwingen.

Zur 2. Konferenz "Access to Knowledge" der Yale University siehe auch:

(Wolfgang Kleinwächter) / (jk)