Zukunftskommission Agrarwende: Datenhoheit muss bei Landwirten liegen​

Die Zukunftskommission Landwirtschaft empfiehlt, Chancen der Digitalisierung wie Precision Farming konsequent für einen nachhaltigen Pflanzenbau zu nutzen.

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(Bild: Anton_Medvedev / Shutterstock.com)

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"Moderner Pflanzenbau ermöglicht es durch die Nutzung neuester wissenschaftlich fundierter – auch digitaler – Technologien, dass Kulturpflanzen wirksam geschützt sowie verlustarm gedüngt und negative Auswirkungen auf die Umwelt erheblich minimiert werden können." Zu dieser Erkenntnis ist die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) gelangt, die ihren Abschlussbericht am Dienstag nach einem Jahr Arbeit an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben hat.

Aufgabe der in der ZKL vertretenen 31 Experten aus den Bereichen Landwirtschaft, Industrie, Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz sowie Wissenschaft unter dem Vorsitzenden Peter Strohschneider war es, Klima- und Umweltschutz zusammenzubringen mit Ernährungssicherung und dem Erhalt einer ökonomisch tragfähigen Landwirtschaft in Deutschland. Dafür misst die Kommission auch dem technologischen Fortschritt eine wichtige Rolle zu.

Die Experten gehen davon aus, dass der ökologisch und ökonomisch effiziente Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln "absehbar zu einer Reduktion der ausgebrachten Mengen" führen werde, "ohne die Produktivität zu gefährden". Als Beispiele nennen sie in ihrem Abschlussbericht "innovative Prognosemodelle und Entscheidungshilfen für einen noch sparsameren Einsatz" von Dünger durch Precision Farming und Sensortechnologien.

Die Zukunft der Landwirtschaft

Wie kann sich eine Weltbevölkerung von bis zu 10 Milliarden Menschen nachhaltig ernähren? Die globale Landwirtschaft sucht nach Lösungen, auch über "Bio"-Bewirtschaftung und Einsatz von IT im "Smart Farming" hinaus.

Auch die Nutzung von Geodaten für eine "digital gesteuerte Applikation von Nährstoffen" könne helfen, das Ziel zu erreichen. So ließen sich etwa Hangneigung, Bodentyp und Gewässerläufe automatisch berücksichtigen. Digitale Technik helfe ferner, "Fungizide auf Befallsnester" zielgenau auszubringen. Um umweltschädigende Auswirkungen zu vermeiden, sollten einschlägige ressourcenintensive Verfahren aber vorab auf ihren "ökologischen Mehrwert" geprüft werden.

Für die "technische Erneuerung der Landwirtschaft" halten die Mitglieder zunächst einen flächendeckenden Breitbandausbau in Deutschland für nötig. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte dagegen vor ein paar Jahren noch gemeint, dass es 5G nicht an jeder Milchkanne brauche. Die Kommission plädiert zudem übergangsweise für finanzielle Hilfen vor allem für "kleinere und mittlere Betriebe bei der Anschaffung neuer, präziser und digital gesteuerter Sensor- und Ausbringtechnik".

Eine stärkere Digitalisierung der Tierhaltung etwa über Messfühler könne bei der Betreuung hilfreich sein und das Tierwohl verbessern, heißt es weiter in dem Bericht. Sie werde aber das menschliche Auge "auf absehbare Zeit nicht ersetzen können". Flankiert werden müsse der Einsatz neuer Technologien zudem "durch wirksame Beratung hinsichtlich einer energie-, ressourcen- und biodiversitätsschonenden Anwendung".

"Bei der Nutzung neuer Technologien muss die Datenhoheit bei den Landwirt:innen liegen", stellen die Mitglieder klar. Auch "passende Lösungen hinsichtlich Datensicherheit" seien erforderlich. Zuvor hatte ein zivilgesellschaftliches Bündnis gefordert, die Macht von Agrar- und Digitalkonzernen zu begrenzen und die Datensouveränität zu stärken. Unter Mittelständlern geht die Angst vor dem gläsernen Bauern um.

Neue gentechnische Verfahren wie die Genschere CRISPR/Cas müssten streng reguliert werden, verlangt die Kommission. Bei der Risikoprüfung und Zulassung müsse das Vorsorgeprinzip sichergestellt werden. Nur mit gesetzlich festgeschriebener Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit ließen sich die Wahlfreiheit für Verbraucher, Landwirtschaft sowie die Lebensmittelbranche sicherstellen sowie ökologische Risiken vermeiden, erläuterte der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt. "Für den Klimaschutz sind Gentechnik-Pflanzen keine Option."

Insgesamt kostet die Transformation der Agrarbranche zu mehr Nachhaltigkeit laut ZKL-Schätzung 7 bis 11 Milliarden Euro im Jahr. Angerechnet werden könnten aber die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU und der nationalen Förderung. So bleibe eine Finanzierungslücke von 1,5 bis 5,5 Milliarden Euro pro Jahr, über deren Deckung die Politik diskutieren müsse.

Laut einer Studie der IT-Branche könnten durch eine zügige Digitalisierung des Sektors bis 2030 rund 7 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Ein Forscherteam legte voriges Jahr aber dar, dass die Pariser Klimaziele mit der momentanen Ernährungsweise nicht zu erreichen und umfassende Veränderungen nötig seien.

(vbr)