Zweite Rückkehr der asynchronen Prozessoren

Mit Handshake Solution, eine "Line of Business" der königlich niederländischen Firma Philips, und ARM kommt neuer Schwung in die Szene der Taktlosen.

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Von
  • Andreas Stiller

Mit Handshake Solution, eine "Line of Business" der königlich niederländischen Firma Philips, und ARM kommt neuer Schwung in die Szene der taktlosen Prozessoren. In einer gemeinsamen Presserklärung gaben die beiden Firmen ihre Absicht bekannt, ARM-Prozessoren mit ARMv5TE-Architektur zu entwickeln und zu vermarkten, die mit der "low power self-timed"-Technik von Handshake Solutions arbeiten -- also ohne zentralen Takt. Bereits im ersten Quartal 2005 will ARM dann diese Prozessor-Cores in Lizenz anbieten.

"Zeitlose" ARM-Cores sind offenbar wirklich zeitlos, seit Jahren schon schlummern in den Studierstuben der Universität Manchester bei der Advanced Processor Technologies Group (ATP) diverse Designs taktloser ARM-Prozessoren sowie andere asynchrone Hardware. Niemand anderes als Steve Furber -- der zusammen mit Roger/Sophie Wilson 1985 den ARM-Prozessor entwickelt hatte -- startete als Professor an der Universität Manchester 1990 das AMULET-Projekt. Der letzte Spross aus Manchester namens AMULET3e, der auf ARM9 aufbaut, wurde im September 2000 fertiggestellt. Doch auch er konnte sich trotz zahlreicher Vorteile, die taktlose, self-timed Prozessoren bieten, nicht in der Industrie etablieren. Niedrige Verlustleistung und vor allem niedrige Abstrahlung (EMV) sind die Hauptpluspunkte der self-timed Designs, die mit anderen Logiken (Muller-C-Gates) arbeiten.

Zu den getakteten Prozessoren und ihren Grenzen schrieb c't 1999 (siehe den Artikel "Die Rückkehr der asynchronen Prozessoren" von Andreas Bleul, c't 17/99, S. 176):

  • Mit zunehmender Chipgröße muss das Taktsignal immer größere Wege zurücklegen. Da es sich mit endlicher Geschwindigkeit bewegt, erreicht es die Komponenten des Prozessors nicht mehr gleichzeitig und stört den synchronen Betrieb. Damit der Zeitunterschied der Taktflanken innerhalb akzeptabler Grenzen bleibt, muss der Takttreiber immer leistungsstärker werden. Er verbraucht dadurch zusätzliche Chipfläche und erhöht die Verlustleistung des Bausteines. Schließlich begrenzt die Chipgröße den maximal erreichbaren Takt.
  • Um die Chips zu verkleinern, ermöglichen neue Herstellungsprozesse immer dünnere Verbindungen zwischen den Schaltelementen des Prozessors. Doch dadurch steigt der Widerstand der Leitungen und die elektrischen Signale bewegen sich immer langsamer. Mit stärkeren Treibern lässt sich das nicht ausgleichen. Schon in wenigen Jahren sollen die Laufzeiten der Signale erheblich über den Schaltzeiten der Gatter liegen.
  • Im Prozessor schalten alle Komponenten im Rhythmus des Taktes, ob sie nun etwas zu tun haben oder nicht. Damit erzeugen unbenutzte Komponenten unnötige Verlustleistung und somit Wärme -- und thermische Probleme sind bei zunehmender Komplexität immer schwerer zu lösen.
  • Die Taktfrequenz eines Prozessors muss so niedrig sein, dass die langsamste Komponente unter den schlechtesten Bedingungen noch funktioniert. In vielen Fällen ist aber eine Operation schneller erledigt -- die lahme Komponente bremst das ganze System aus.
  • Durch immer höhere Taktfrequenzen werden Prozessoren zu Radiosendern. Mit der Zunahme der Geschwindigkeit steigt die Abstrahlung von Hochfrequenz rapide an. Und diese belästigen dann immer öfter andere elektronische Systeme, wie beispielsweise die Bordrechner von Flugzeugen.
  • Prozessoren ohne einen zentralen Takt versprechen einen Ausweg. Auch wenn die Idee einem gestandenen Chip-Designer die Haare zu Berge stehen lässt: Asynchrone Prozessoren entstanden schon in den 50er Jahren, als Computer echtes Neuland waren und niemand wusste, wie man sie "richtig" baut. John von Neumann baute in Princeton den IAS und an der University of Illinois entstand der ORDVAC. Mit dem MU5 der Universitiy of Manchester schloss Europa im Jahre 1969 auf.