c't 3003: Dieses Windows ist eigentlich Linux

Lust auf Linux in Windows Optik? Die Distribution LinuxFX verspricht das beste aus beiden Welten. Warum Nutzer trotzdem die Finger davon lassen, weiß c't 3003.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Es gibt nachgemachte iPhones, die dem Original stark ähneln. Es gibt Designer-Kleidung, die im Ausland nur einen Bruchteil kostet. Und es gibt eine Linux-Distribution, die Windows zum Verwechseln ähnlich sieht. c't 3003 hat die knalldreiste Windows-Kopie ausprobiert.

(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder.)

Guckt mal hier, ein Windows 11. Hä, aber wenn ich hier unten zum Beispiel den Edge-Browser starte, warum taucht da denn rechts nochmal das gleiche Icon auf? Und wieso sieht der Taschenrechner so komisch aus und heißt “KCalc” wie bei Linux? Ja, weil das kein Windows ist, sondern ein Linux. "Linuxfx" beziehungsweise "Windowsfx" heißt das und ist eines der seltsamsten und auch dreistesten Betriebssysteme, die ich kenne. Ob das Teil was taugt, oder ihr besser die Finger davon lassen solltet, seht ihr in diesem Video. Bleibt dran.

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei...

Mal kein 3003-Video über KI, sondern mal wieder eins mit Linux! Beziehungsweise mit Windows, oder beidem! Guckt euch das hier mal an, lasst euch das mal auf der Zunge zergehen, wie originalgetreu Windows 11 hier von Linuxfx nachgebildet ist: Das Startmenü, die Systemeinstellungen, inklusive vorinstallierten Original-Windows-Themes, man kann die Fenster sogar so wie bei Windows in den Ecken und den Seiten einrasten lassen. Wie beim echten Windows lässt Windows-Taste und "." das Emoji-Menü aufpoppen.

Man kann sogar einfach Windows-EXE-Dateien doppelklicken, und die laufen dann (meistens) – möglich macht's die Wine-Schnittstelle, die so vorinstalliert ist, dass EXE-Dateien Wine automatisch aufrufen. Ja, sogar der vermutlich nicht so häufig verwendete Windows-Konsolenbefehl “winver” funktioniert, guckt hier. Aber da bröckelt der Lack auch schon. Zum Beispiel, weil da oben trotz deutscher Einstellungen auf portugiesisch steht “Sobre o Linuxfx”. Das ist ein Hinweis auf den Ursprung des ulkigen Windows-Linux, es ist nämlich das Produkt eines einzelnen Entwicklers aus Brasilien, Rafael Rachid. Und das Linux-Konsolenprogramm screenfetch zeigt dann auch, was hier eigentlich läuft: Nämlich ein modifiziertes Kubuntu 22.04 LTS Jammy Jellyfish mit der Desktop-Umgebung KDE Plasma und einem Windows-11-Icontheme. Man muss Rafael Rachid aber wirklich lassen, dass er wirklich einigen Aufwand getrieben hat, um das Ding so aussehen zu lassen wie Windows. Sogar einen Klon des Cortana-Assistenten gibt es, “Helloa” heißt der. Funktioniert allerdings nur auf Englisch und ja eher schlecht.

Generell muss man sagen: Sobald man etwas genauer hinguckt, fällt das Windows-Kartenhaus in sich zusammen. Zum Beispiel, wenn man bei den Netzwerkverbindungen auf “Einrichten” klickt. Tja, dann kommt halt der KDE-Netzwerk-Einstellungsdialog, der nur an Windows gewöhnte Leute vermutlich verwirren wird. Schöne Übersetzungs-Stilblüten sind auch drin: Mit “Lager” ist “Storage” gemeint, da kann man sich die installierten Datenträger anschauen. Generell ist das Teil nicht sonderlich konsequent übersetzt, das ganze Startmenü ist zum Beispiel auch mit deutscher Systemsprache auf Englisch.

Generell lässt sich aber sagen: Man kann mit dem Ding arbeiten. Es sind viele typische Windows-Programme vorinstalliert, wie zum Beispiel Teams, außerdem gibt es Shortcuts auf die Online-Varianten von Office und Excel, die im Browser laufen – dafür braucht man allerdings einen Microsoft-Account. Für die Offline-Nutzung ist OnlyOffice vorinstalliert, das ist auch sehr brauchbar. Dreisterweise haben die Linuxfx-Macher übrigens sogar die Icons der Original-Microsoft-Produkte geklaut und im Menü auch “OnlyOffice Excel” geschrieben, statt den echten Namen OnlyOffice Tabelleneditor zu verwenden.

Und ansonsten kann man halt Linux-Software installieren, entweder über Kommandozeile oder über den Discover-Appstore. Ich habe testweise mal Steam über Discover installiert, klappte problemlos, da laufen die Spiele halt über die Proton-Schnittstelle wie bei anderen Linuxen, zum Beispiel wie auf dem Steamdeck.

Das Stichwort ist allerdings: Wie bei anderen Linuxen, denn außer dem Windows-11-Iconset und ein paar nachgebauten Windows-Funktionen kann man alles, was man mit Linuxfx machen kann halt auch mit “echten” Linuxen machen wie Ubuntu, Mint, Vanilla, Manjaro, Endeavour oder etlichen anderen. Und da hat man dann deutlich besseren Community-Support, einfach weil das von viel mehr Menschen genutzt wird als das esoterische Linuxfx.

Und man muss auch schon sagen, dass einige Sachen echt dubios sind an Linuxfx. Da ist einmal der ziemlich dreiste Klau von den ganzen Microsoft-Grafiken wie Icons und Hintergrundbildern. Da ist dann die Frage, ob Microsoft womöglich rechtlich irgendwann dagegen vorgehen wird. Der Entwickler ist seit kurzem auch noch ein bisschen frecher geworden und vermarktet Linuxfx parallel als “Windowsfx” – gleicher Inhalt, anderer Name, das hat mir der Entwickler auf meine Nachfrage auch bestätigt.

2001 hat Microsoft auf jeden Fall schonmal gegen einen ähnlichen Hersteller geklagt, “Lindows” hieß das Produkt damals. Damals hatte Microsoft zwar nicht gewonnen, aber dennoch, hmm, ja, also ich persönlich hätte jetzt nicht so Lust auf einen Rechtstreit mit einem der größten Konzerne der Welt.

Und auch sonst macht Linuxfx ein paar Sachen, die nicht so gerne gesehen sind im Linux-Umfeld, zum Beispiel eine kommerzielle Variante verkaufen. Die kostet bei Linuxfx 35 US-Dollar und die bringt dann unter anderem Android-Support mit und ActiveDirectory. Ja, ok, da kann man drüber diskutieren, aber was gar nicht geht, sind Sicherheits-Fails. So gelang es den Sicherheitsforschern von kernal.eu im letzten Jahr, die Datenbank mit den Bezahl-Usern anzuzapfen, die unverschlüsselt auf den Servern lag, inklusive Mailadresse, IP-Adresse und Aktivierungsschlüssel. Wir würden deshalb wirklich davon abraten, die Bezahlversion zu nutzen. Und allgemein zeigt das Leak, dass der Linuxfx-Entwickler nicht so wahnsinnig viel von Sicherheitskonzepten hält – oder man könnte auch sagen: Das Ding wirkt huschipfuschi zusammengefrickelt, wer weiß, was sich darin noch für Lücken verstecken.

Und deshalb bin ich jetzt auch vorsichtig mit einer Empfehlung. Für Power-User ist Linuxfx eh ungeeignet, die nutzen entweder ein echtes Linux oder ein echtes Windows. Sinn ergibt Linuxfx aber eventuell für nicht so computer-affine Leute, die hin und wieder mal ne Mail schreiben wollen oder bisschen rumsurfen – aber auf deren Rechnern kein Windows 11 läuft bzw. es sogar auch für ältere Windowse keine Sicherheitsupdates mehr gibt. Viele dieser nicht-computeraffinen Leute sind ja bekanntlich ein bisschen ängstlich, wenn ihr Computer nicht mehr so gewohnt Windows-mäßig aussieht – mit Linuxfx besteht zumindest die Möglichkeit, dass sie gar nicht merken, dass sie ein Linux benutzen. Nur: Will man wirklich so ein ziemlich unsupportetes, mit heißer Nadel gestricktes Windows-Linux empfehlen? Kann man da nicht besser eine etablierte Distribution wie Zorin OS nehmen? Das ist vom Look her auch sehr von Windows und macOS inspiriert, richtet sich an Nicht-Frickler wirkt aber deutlich seriöser als Linuxfx. Oder man nimmt sowas wie Linux Mint und installiert da dann ein an Windows angelehntes Open-Source-Theme, wie das vom B00merang-Projekt?

Das würde ich als verantwortungsvoller Mensch eher empfehlen, auch wenn es am Ende nicht ganz windowsig aussieht. Was meint ihr dazu? Habt ihr Erfahrungen mit Linuxfx? Habt ihr Erfahrungen mit nicht so computeraffinen Windows-Menschen, denen ihr ein Linux vorgesetzt hab? Hat das geklappt oder wurde da viel gemeckert? Sollen wir mal ein Video über eine andere Linux-Distribution machen? Über Mint oder Zorin zum Beispiel? Schreibt's gerne in die Kommentare. Und gerne abonnieren natürlich.


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t Magazin. Die Redakteure Jan-Keno Janssen und Lukas Rumpler sowie die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)