c't 3003: Gebrauchte Thin-Clients im Test

Thin-Client statt Raspberry Pi: Klein-PCs sind für viele Aufgaben besser geeignet. c't 3003 hat gebrauchte Thin-Clients ab 30 Euro getestet.

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Raspis sind für viele Anwendungen praktisch, aber leider zurzeit fast unmöglich zu bekommen. Als Alternative ist zurzeit häufig von gebrauchten Thin-Clients die Rede – die gibt es schon ab 30 Euro zu kaufen. c't 3003 hat einen HP T620 (30 Euro) und einen Dell Wyse 5070 (96 Euro, beides inklusive Versand) besorgt und beide als Heimserver, Linux-Desktop und Spielerechner getestet.

(Hinweis: Es handelt sich hier um einen Bonusinhalt für Menschen, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Die Informationen auf der Bildspur gibt das Transkript nicht wieder.)

Was ist, wenn ich euch sage, dass ihr für 30 Euro einen Computer kaufen könnt, den ihr als Retro-Spiele-Konsole, einen Homeserver oder als Büro-PC benutzen könnt? Also jetzt wirklich 30 Euro, oder wenn ihr Glück habt, sogar etwas weniger. Und das ist jetzt nicht so ein schöngeredeter Preis, wo man in der Realität noch superviel Zeugs dazu kaufen muss, das ist wirklich inklusive Netzteil, Gehäuse und Datenträger. Es geht um gebrauchte sogenannte Thin-Clients, die schon seit Längerem ziemlich angesagt sind – und eine super Alternative zu Raspberry Pi sind. Weil Raspis ja bekannt schon seit Monaten nicht oder sehr schlecht lieferbar sind. Ich habe mir für dieses Video zwei Thin-Clients besorgt, einmal den HP T620 für 30 Euro inklusive Versand und einmal den Dell Wyse 5070 inklusive Versand für 97 Euro. Ich habe beide als Spielkonsole, Homeserver und Linux-Desktop getestet. Bleibt dran.

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei…

Bevor es losgeht, hab ich noch was Wichtiges: Wir suchen immer noch Leute zur Verstärkung des 3003-Teams, die Stellenanzeige gibt es hier.

Dass ich ein Fan von Raspis bin, dürftet ihr ja inzwischen mitbekommen haben, zu dem Teil haben wir hier bei 3003 ja schon etliche Videos gemacht. Allerdings haben ganz viele von euch bei den letzten Videos gesagt, pfff, Raspis sind doch komplett over, wir coolen Nerds sind längst auf gebrauchten Thin-Clients unterwegs! Und bauen damit unsere Plex-Server und NASse!

Ich muss zugeben, dass mich das zuerst etwas irritiert hat, weil Thin-Clients ja nun gerade per Definition das GEGENTEIL von Servern sind – also Thin-Clients sind ja dafür da, möglichst klein und sparsam zu sein, weil die Software halt nicht auf den Clients läuft, sondern auf Servern. Die Thin-Clients sind nur dafür da, die Server anzuzapfen.

Naja, aber wenn ihr das sagt, muss ich das natürlich ausprobieren. Ich habe also zwei gebrauchte Thin-Clients bestellt. Der Erste ist der HP T620, den man wirklich an sehr vielen Ecken im Internet hintergeworfen bekommt, so zwischen 20 und 40 Euro könnt ihr rechnen Drin steckt der Dual-Core-Prozessor AMD GX-217A, der höchstens mit 1,65 GHz taktet und schon 2013 vorgestellt wurde. Also schon ziemlich antik. In der von mir getesteten Version steckten 4 GByte RAM drin und eine 16-GByte-SSD.

Mein zweiter Thin-Client ist ein Dell Wyse 5070, den ihr so ungefähr ab 80 Euro bekommt. Da steckt ein Quad-Core-Chip drin und zwar ein Intel Celeron J4105 mit 1,5 GHz. Das ist Technik von 2017, also schon etwas moderner. In meinem Testgerät sind 8 GByte Ram und 64 GByte Flash. Übrigens, ganz wichtig: Das sind x86-CPUs, also PC-Standardarchitektur und nicht die von Raspis genutzte ARM-Architektur. 80 Euro sind übrigens immer noch im Raspi-Preisbereich: Wenn ihr viel Glück habt, bekommt ihr einen blanken Raspi 4 mit 2 GByte für 50 Euro, aber ihr braucht zusätzlich noch Netzteil, Gehäuse und Datenträger – da seid ihr schnell auf über 80 Euro.

So, und wenn ihr jetzt denkt: Öh, Thin-Clients, nutzen die nicht immer so komische Betriebssysteme mit so komischer Terminalsoftware und irgendwelchem Fernwartungskram? Yes, das ist korrekt. Auf beiden meinen Thin-Clients hier war Windows Embedded bzw. IoT, also ein Windows, was man so zudengeln kann, dass man damit wirklich AUSSCHLIESSLICH bestimmte Sachen machen kann. Eines der Windowse hatte tatsächlich keinerlei DATEIZUGRIFF. Man kann also nichtmal auf den eigenen Download- oder Dokumente-Ordner zugreifen. Aber da wo wir hinwollen, brauchen wir eh kein Windows – das ist ja eine wichtige 3003-Weisheit: Je langsamer ein Rechner, desto mehr will man Linux haben. Dazu haben wir ja schon mal ein Video gemacht.

Also weg mit Windows! Aber das ist leichter gesagt als getan, denn standardmäßig booten beide Thin-Clients nicht von USB-Datenträgern, da muss man erst in die BIOS-Einstellungen. Aber wie? Tatsächlich wusste ich von beiden Geräten, welche Taste man fürs Bios drücken muss, habe es aber auch mit durchgängigen Hämmern auf die jeweilige Taste nicht hinbekommen. Tja, man muss die im richtigen Moment drücken, und zwar kurz bevor das Boot-Logo verschwindet. Und zwar bei dem HP T620 die F10-Taste, beim Dell Wyse F2. Da müsst ihr dann bei „Boot Sequence“ auf den Eintrag gehen, wo was von USB steht und diesen mit den Pfeilen ganz nach oben schieben. So sieht das bei Dell aus, und so bei HP.

Danach booten die Teile eure Installations-USB-Datenträger. Achso, ganz kurz, wie ihr sowas herstellt: Wenn ihr zum Beispiel Ubuntu installieren wollt, holt ihr euch auf der Downloadseite die ISO-Datei und schreibt die mit der Software Balena Etcher, die gibt’s für Windows, macOS und Linux, auf einen USB-Stick. Zack, fertig.

Und wenn wir schon von Ubuntu sprechen, installieren wir das doch gleich mal. Funktioniert absolut problemlos. Um die Schwuppdizität zu checken, nutze ich gerne den Browserbenchmark Speedometer, der versucht abzubilden, wie schnell sich Websites anfühlen. Ich habe auf allen Rechnern den in Ubuntu vorinstallierten Firefox benutzt. Tja und während der Dell-Quadcore hier 47,7 schafft, sind es beim HP Dualcore 18,5. Der Raspi 4 schafft auf Raspberry Pi OS mit Firefox LTS nur 14,8. Beim synthetischen Geekbench-Benchmark setzt sich der Raspi 4 vor den HP-Thin-Client, der Dell Wyse erzielt das beste Resultat.Mein persönliches Gefühl ist, dass ich auf dem Dell Wyse 5070 Ubuntu als täglichen Arbeitsrechner nutzen könnte, ohne durchzudrehen. Also mit Ubuntu. Der Raspi 4 mit Raspberry Pi OS ginge auch noch so gerade eben, aber der HP T620 fühlt sich für mich mit Ubuntu zu träge an.

Aber Desktop ist ja eh nur ein Randthema, viel mehr Leute wollen sich ja billige Homeserver bauen. Für meinen Test habe ich auf den Thin-Clients Open Media Vault installiert, das ist eine NAS-Software, die ich sehr praktisch finde. Damit kann ich auf an den Thin-Client angeschlossene USB-Festplatten oder SSDs übers Netzwerk zugreifen. Und obendrein habe ich auch noch Plex als Film- und Serienserver installiert. Warum das super ist, dazu gibt es hier ein Video.

OMV gibt es als eigene Linux-ISO, also einfach auf 'nen USB-Datenträger, booten, und auf installieren klicken. Die Installation geht total straight forward, einfach immer Return drücken und zack, und hier den richtigen Datenträger auswählen und zack, ist das Ding auf der internen SSD des Thin-Clients installiert. Gleich schonmal einen Riesenvorteil gefunden gegenüber der Raspiversion: Bei der x86-Linuxversion ist der Login-Screen animiert, da wird so smooth in das Bild reingezoomt, doll.

Naja. Wie ihr gemeinsame Ordner und Samba konfiguriert, seht ihr auch in diesem Video hier. So, nun noch Plex installieren, alle Befehle zum copy und pasten packe ich euch in die Videobeschreibung – weil YouTube URLs leider selbstständig kürzt, schreibe ich URLS mit einem Sternchen statt dem zweiten „t“ von https, müsst ihr dann manuell ersetzen.

sudo apt install curl

sudo apt install gnupg2

curl https://downloads.plex.tv/plex-keys/PlexSign.key | sudo apt-key add -

echo deb https://downloads.plex.tv/repo/deb public main | sudo tee /etc/apt/sources.list.d/plexmediaserver.list

sudo apt update

sudo apt install plexmediaserver

Ja, und wie läuft denn nun der Heimserver auf den Thin-Clients? Tja, da war ich erstaunt, nämlich super. Sogar mit dem lahmen HP-Dualcore kann ich an die mit USB angeschlossene SSD über Samba übers Netzwerk mit ca. 110 Mbyte die Sekunde schreiben. Mehr schafft auch ein schnellerer Server nicht. Allerdings geht der Dualcore an die 100% Auslastung beim Schreiben, also was anderes kann der Server gleichzeitig eher nicht machen. Ich würde hier also nicht noch zusätzlich sowas wie Pi Hole oder AdGuard installieren, was auf dem Raspi 4 problemlos möglich ist.

Tja, und Plex läuft auch absolut problemlos, aber natürlich nur, wenn er die Videodaten unverändert auf das Anzeigegerät holen kann – transkodieren geht nicht auf der lahmen Kiste, das ist aber beim Raspi 4 auch nicht anders.

Aber der Dell-Thin-Client, der kann sogar ein bisschen transkodieren, wenn man den als Plex-Server verwendet. Im Test konnte der an einem LG-Fernseher Videodateien mit DTS-Ton plus Untertitel abspielen, ruckelfrei. Das geht mit Raspi 4 und HP-Dualcore nicht. Hintergrund ist, dass viele Fernsehhersteller sich die Lizenzkosten für DTS-Ton sparen und deshalb keinen Codec integriert haben – der Videoserver muss den Ton also transkodieren.

Und jetzt denkt ihr bestimmt, naja, aber der Dell-Client zieht bestimmt auch viel mehr Energie als so ein Raspi! Erstaunlicherweise nur ein ganz kleines bisschen mehr: Mit einem angeschlossenen USB-Datenträger sind das bei Dell Watt, wenn der Rechner gerade nichts macht. Der Raspi 4 kommt im Idle auf 4 Watt, der HP-Dualcore auf 7 Watt. Unter Last sind es beim Dell 13 Watt, beim Raspi 4 10 Watt und beim HP 16 Watt.

Beide Geräte hatten übrigens auch je einen SATA-Port. Aber die Stromversorgung ist nicht für eine 3,5-Zoll-Platte ausgelegt - die größten davon brauchen ja schon im Leerlauf mehr als ein Raspi unter Last. Zudem braucht man Adapterkabel - da ist es letztlich einfacher, eine externe SSD oder USB-3-Platte anzuschließen.

So, und jetzt nach dem ganzen Serverzeug nochmal ein bisschen Spaß: Was taugen die Thin-Clients als Retro-Spielkonsole? Dafür habe ich die Linux-Distribution Batocera verwendet, bei der Emulatoren für alle denkbaren Computer und Spielkonsolen vorinstalliert und vorkonfiguriert sind. Batocera läuft auch sehr gut komplett von USB-Stick, man muss das nicht installieren. Zum Spielen braucht ihr natürlich ROMs oder Diskettenimages, die bekommt ihr da drauf, in dem ihr in mit einem SCP-Client auf die IP-Adresse des Thin-Clients geht und als Login root und als Passwort linux eingebt. Die Dateien liegen unter userdata/roms. (Sollen wir mal ein ganzes Video mit ein paar mehr Details zu Batocera machen? Schreibts gerne in die Kommentare.)

So, jetzt mal Controller angeschlossen und losgespielt: Ich bin einigermaßen beeindruckt, weil der Dell-Thin-Client nicht nur die ganzen 8 und 16-Bit-System packt, sondern auch Spiele neuerer Konsolen wie Wii oder PS2. Also nicht alle, aber zum Beispiel die PS2-Version von Tony Hawk 3 lief hier bei mir wunderbar.

Beim HP-Dualcore klappen natürlich nicht so viele Systeme, aber die üblichen Verdächtigen C64, NES, SNES, Megadrive und PS1 kann man darauf problemlos emulieren. Und hey, für 30 Euro inklusive allem? Da kann man schon auch Spaß mit haben. Achso: Einen HDMI-Ausgang haben die beiden Thin-Clients nicht, sondern nur Displayport, da braucht ihr also einen Adapter, wenn ihr einen Fernseher benutzen wollt.

Mein Fazit: Ich bin wirklich überrascht, dass man mit antiken Thin-Clients so viel machen kann. Und auch, dass der lahme Dualcore-HP für OpenMediaVault und Plex ausreicht und genau so einen guten Job macht, wie ein Raspi 4. Nur leider hat der HP T620 eine höhere Leistungsaufnahme als ein Raspi, weshalb ich den nicht uneingeschränkt empfehlen würde. Der Dell Wyse 5070 liegt leistungsaufnahmemäßig fast gleichauf mit einem Raspi 4, also der verbraucht wirklich nur minimal mehr und hat signifikant höhere Leistung. Also dass der einige Sachen Transkodieren kann in Plex, das ist schon super, wenn man den als Film- und Serienserver einsetzen will. Ja und als Retro-Spielkonsole, definitiv super. Und die Umwelt freut sich auch, wenn wir nicht immer fabrikneues Zeugs shoppen, sondern gebrauchtes. Tschüss.


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Redakteur Jan-Keno Janssen und die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)