eHealth: Streit über Konnektorenaustausch droht zu eskalieren

Ärzteverbände fordern Stopp der Telematikinfrastruktur, weil unklar ist, ob die Konnektoren für eine sichere Verbindung zur TI wirklich getauscht werden müssen.

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(Bild: BlurryMe/Shutterstock.com)

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Aufgrund nach fünf Jahren auslaufender Krypto-Zertifikate, haben die Gesellschafter der für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland zuständigen Gematik GmbH beschlossen, dass rund 130.000 Konnektoren zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur ausgetauscht werden müssen. Immer mehr Ärzte und weitere Experten aus dem Gesundheitswesen stehen dem Tausch kritisch gegenüber. Nun hat auch der Ärzteverband MEDI sich für einen Stopp der Austauschaktion ausgesprochen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) droht sogar mit einem Ausstieg aus der Telematikinfrastruktur.

Anlass war eine Analyse von c't, nach der keine technischen Hindernisgründe für einen Austausch der Krypto-Zertifikate durch einen Satz neuer gerätespezifischer Security Module Cards (gSMC-K-Karten) entdeckt werden konnten. Demnach ließen sich Millionenbeträge im dreistelligen Bereich sparen. Gematik und BMG nannten uns auf eine Anfrage von Anfang Juli keine technischen Gründe für den angeblich unumgänglichen Hardwareaustausch. Darüber hinaus ist ein Software-Update zur Verlängerung der Krypto-Zertifikate, wie auch Konnektorhersteller RISE bestätigte, ebenfalls für zwei weitere Jahre problemlos möglich. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hatte nichts dagegen einzuwenden.

Statt eines Kompletttausches der Konnektoren spricht MEDI sich für einen Austausch der Krypto-Zertifikate aus. Die Gematik hatte allerdings angegeben, dass ein Tausch aus Sicherheitsgründen nicht möglich sei. Allerdings hat Gematik-Chef Leyck-Dieken Ehealthcom im April 2022 gesagt, es spreche nichts gegen "eine Verlängerung des bisherigen Konnektors" – zumindest da, wo es möglich sei.

Die KVB ist ebenfalls unzufrieden mit dem geplanten Konnektorentausch. So erklärte der Vorstand, Dr. Wolfgang Krombholz, Dr. Pedro Schmelz und Dr. Claudia Ritter-Rupp, gemeinsam: "Der Unmut der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Bayern über Pleiten, Pech und Pannen beim Aufbau einer funktionierenden Telematikinfrastruktur ist gewaltig. Das Maß ist voll. Der jetzt vorgesehene Konnektorentausch produziert nicht nur massenweise Elektroschrott, sondern auch hohe Kosten für alle Beteiligten und behindert die gewohnten Praxisabläufe." Die KVB sieht das Bundesgesundheitsministerium in der Pflicht, "für Ordnung zu sorgen", da es mit 51 Prozent über den mehrheitlichen Anteil an der Gematik verfügt. Entweder müsse es "deutlich mehr Geld für die Ausstattung der Praxen" geben, oder der weitere Ausbau der TI müsse verstaatlicht werden. Geschehe dies nicht, stehe die Digitalisierung des Gesundheitswesens vor dem Aus.

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert von der Gematik Aufklärung – bis zur nächsten Gesellschafterversammlung im August. Unter anderem soll es dann Antworten darauf geben, ob die Alternativen zum Konnektortausch vor der entscheidenden Gesellschafterversammlung am 28. Februar 2022 geprüft wurden, und ob die Faktenlage, die den Gesellschaftern der Gematik während der Gesellschafterversammlung präsentiert wurden, vollständig war.

Zudem hatte Dr. Thomas Kriedel von der KBV gesagt, dass die vom Schiedsamt festgesetzten Pauschalen in Höhe von 2300 Euro für den Tausch der Konnektoren nicht kostendeckend sei und den Schiedsspruch abgelehnt. Zuvor hatten Verhandlungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der KBV dazu geführt, dass sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Krankenkassen den Ärzten die Kosten für den Konnektortausch von insgesamt 400 Millionen Euro erstatten sollen. Der KBV zufolge würde das aber nicht ausreichen – Praxen hätten bisher durchschnittlich 9000 Euro über die Erstattung hinaus für die TI-Anbindung zahlen müssen.

Dass ein physischer Austausch der gSMC-K-Karten möglich sei, hat Georgios Raptis, Professor für Informatik und eHealth an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg, dem Deutschen Ärzteblatt auf Anfrage bestätigt: "Theoretisch wäre es denkbar, dass – falls keine technischen Maßnahmen gegen Austausch der gSMC-K implementiert wurden – der Hersteller (oder sein Dienstleister) das Gehäuse öffnet, die gSMC-K austauscht, den Konnektor wieder versiegelt und ihn dann im Sinne des Protection Profile als 'neuen' Konnektor betrachtet".

(mack)