eco: "Ist das Internet noch zu retten?"

Unter einem martialischen Motto hat der Verband der deutschen Internetwirtschaft eingeladen. Zwar rechnet niemand mit einem baldigen Dahinscheiden des Netzes der Netze, aber mit großen Herausforderungen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Unter einem martialischen Motto hat der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco für den heutigen Doinnerstag nach Köln eingeladen. "Ist das Internet noch zu retten?" lautet die Frage, der heute 190 Branchenvertreter nachgehen wollen. Zwar rechnet keiner der Teilnehmer mit einem baldigen Dahinscheiden des Netzes der Netze – die Branche sieht aber große Herausforderungen auf sich zu kommen.

In seiner Keynote zeichnete Uwe Nickl von Level 3 Communications ein kritisches Bild. Zwar habe die Preisentwicklung bisher mit dem stetig steigendem Internet-Verkehr Schritt gehalten, doch die Nachfrage steige immer weiter. "Wir planen in den nächsten Jahren eine Verzehnfachung unserer Kapazitäten", erklärte Nickl. Sollte es in Kürze keinen technischen Durchbruch geben, würden sich die Preise für die Backbone-Tehnik innerhalb von drei Jahren verdoppeln. Doch nicht nur auf technischer Ebene sieht der IP-Carrier Nachholbedarf, Nickl fordert auch eine Änderung der bestehenden Peering-Vereinbarungen: "Wir brauchen aufwandsgerechte bilaterale Beziehungen zwischen den Anbietern." So müssten die Peering-Partner für die anfallenden Kosten adäquat entschädigt werden – heute sei das nicht immer der Fall. Entscheidend dabei sei nicht nur, wie viel Traffic aus anderen Netzen transportiert werde, sondern wie weit er im eigenen Netz transportiert werden müsse.

Das Thema IPTV ist für die digitale Wirtschaft zugleich Hoffnungsträger als auch Herausforderung. In einer Podiumsdiskussion zeichneten Vertreter von Content-Anbietern und Providern ein sehr vielschichtiges Bild. So stellte Sughi Jamin den Streaming-Dienst Zattoo vor, der sich auf die Verteilung der Programme klassischer Live-Fernseh-Inhalte über das Internet spezialisiert hat. Seinen Dienst sieht Jamin nicht unbedingt als IPTV, sondern als Ergänzung. Zattoo soll nur auf dem PC genutzt werden, ein Umzug auf höher auflösende Fernseher ist derzeit nicht geplant. Obwohl Zattoo auf Peer-to-Peer-Technik setzt, kann der Dienst noch nicht wesentlich davon profitieren. Wegen der geringen Upload-Bandbreiten könne maximal 20 Prozent des anfallenden Traffics über die Kunden-Anschlüsse geleitet werden, realistisch gesehen seien es jedoch nur 10 Prozent. Den restlichen Traffic muss Zattoo über eine klassische Server-Infrastruktur verteilen. Um die strengen Vorgaben der Inhalteanbieter zu erfüllen, werden die Fernsehprogramme von Zattoo nur verschlüsselt übertragen, die Software unterstützt keine Aufzeichnung.

Aus Sicht der Carrier ist die schöne neue Fernsehwelt vor allem eine Herausforderung. So verwies Jürgen Lange von Lambdanet darauf, dass die für IPTV erforderliche Bandbreite derzeit nur in Ballungsräumen verfügbar sei. Die Anstrengungen der Regierungen seien nur unzureichend: Während man sich in Hessen sehr bemühe, vorhanden Lücken zu schließen, gebe es in anderen Bundesländern wie Brandenburg kaum Verständnis für die Problematik. IPTV sei daher nur bedingt massentauglich. Auch der Markt gebe wenig Hoffnung: "Der Kunde möchte für Internet-Dienstleistungen eigentlich nichts bezahlen", erklärte Lange, der Ausbau der Infrastruktur und der Betrieb der breitbandigen Netze werde aber immer teurer.

Als Vertreter der Content-Industrie zeichnete Jens Hilgers von Turtle Entertainment ein anderes Bild. Für den Betreiber der E-Sport-Liga ESL ist IPTV nur als Ergänzung des Angebots denkbar. Die Live-Übertragung von E-Sport-Turnieren werde fast nur am PC wahrgeommen, die Zuschauer schätzten die Kombination aus Konsum und Interaktion. "Mittlerweile bauen sich Clans virtuelle Wohnzimmer, um Spiele-Übertragungen gemeinsam zu schauen und zu kommentieren", schildert Hilgers, der mit ESL TV ein neues Pay-TV-Angebot für Spielefans etablieren will. Problematisch ist für Hilgers der Rechtsrahmen, in dem er sich mit solchen neuen Angeboten bewegt: "Wir können anrufen so oft wir wollen – die Regulierungsbehörden wissen das nicht", schildert Hilgers sein Dilemma. "Ich wünsche mir Rechtssicherheit." (Torsten Kleinz) / (jk)