heise meets …Scheitern will gelernt sein

Anne Koark, Buchautorin und Fehlerkultur-Spezialistin sagt: "In jeder Situation sollte man authentisch bleiben, dann kann man sich selbst nicht verlieren."

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Gisela Strnad
Inhaltsverzeichnis

Im Gespräch mit heise meets, dem Entscheider-Podcast, erläutert die Fehlerkultur-Spezialistin Anne Koark, dass sie nach einer eigenen Insolvenz die Öffentlichkeit gesucht hat. Sie kämpft seit 20 Jahren für eine Entstigmatisierung des Scheiterns und stärkt Menschen darin, auf sich selbst zu vertrauen. "Man darf auch mal über sich selbst lachen und sich damit motivieren", erläutert Koark.

Ihr erster Gedanke nach der Insolvenz war aber: "Löst man sich auf, wenn man insolvent ist? Und Decke über den Kopf". In der 2. Phase konnte sie nicht verstehen, dass es so viele Hürden gibt, obwohl man arbeiten möchte. Daraus resultierte ein Artikel "Insolvenzhilfe – bin ich noch ein Mensch". Darauf gab es hohe positive Resonanz. Was sie dazu bewogen hat, dass jemand etwas tun muss. Sie sagt: "Wenn jemand aber im Urlaub ist, dann muss ich es wohl tun." Das Buch, das sie daraufhin schrieb, kam auf die Bestsellerliste; in Talkshows wurde das Thema prominent besprochen. Dadurch wurde die Öffentlichkeit auf das Thema "Scheitern und Insolvenzrecht" aufmerksam.

Anne Koark ist Buchautorin und Fehlerkultur-Spezialistin

Nach den Worten von Koark macht unsere Gesellschaft einen großen Fehler, sobald ein Mensch ins Leben eintritt. Wir sagen, dass man alles lösen kann. Aber keiner hat Muster, wie wir mit Scheitern umgehen. Fast jeder/jede hat erhöhte Maßstäbe an sich selbst.

Wichtig ist jedoch, einfach zu erkennen, dass man nicht perfekt ist und nicht perfekt sein kann. Zudem leben wir das Unperfekt-Sein nicht unseren Kindern vor. "Um eine Persönlichkeit für die Zukunft zu entwickeln, lasst Fehler zu, um daraus zu lernen. Jeder sollte einsehen, dass er/sie in keinem Bereich fehlerlos sein kann."

Es gibt nur wenige Menschen, die mit einer hohen Resilienz auf die Welt kommen. Resilienz ist wie ein Muskel, den man trainieren muss. Die Erfahrungen müssen dann in einem Werkzeugkasten gepackt werden. Mit jeder Erfahrung werden wir stärker. Resilienz ist aber nicht in einem Kurs lernbar, nur durch das Leben. Muss ich dazu mutig sein?

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Anne Koark sagt: "Ich muss den Mut haben, ein Mensch zu sein, der akzeptiert, in jeder Situation nicht perfekt zu sein. Wenn ich das akzeptiere, habe ich Mut." Oder anders gesagt: "Man muss sich trauen, anders zu sein." Raus gehen, darüber sprechen, was mich bewegt oder belastetet und keine Angst haben, was andere darüber sagen oder denken. Den Mut haben, zu seinen Fehlern zu stehen. Sprechen macht frei.

Wir sollten uns mehr von Kindern inspirieren lassen, meint Koark. Kinder überlegen nicht, wenn sie z.B. laufen lernen und hinfallen: "Oh, was denkt der andere nun von mir?" Wir sollten Kinder so erziehen, wie sie es selbst machen würden. Jedes Kind verzweifelt, es akzeptiert aber das eigene Scheitern. "Daher sollten wir das fortsetzen, was die Kinder uns vorleben. Man muss sich dabei selbst zeigen, mit allen Facetten", sagt Koark. Nicht immer meinen, wir müssten die perfekten Eltern, die perfekte Managerin, der perfekte Mitarbeiter oder Unternehmer sein.

Diese Einstellung sollte von oben nach unten gelebt werden. Es muss mehr Selbstvertrauen aufgebaut werden. Koark betont: "Wer bin ich, wenn ich z.B. mein Unternehmen, meinen Job oder anderes verloren habe? Ich bin immer noch liebenswert, achtenswert, ich habe noch meine Fähigkeiten – Fleiß, Humor, Innovationsfähigkeit, Ausbildung, usw. Nicht darüber nachdenken, was man verloren hat, sondern was bleibt mir, was kann mir keiner nehmen."

In unserer schnelllebigen digitalen Zeit kommen wir häufiger in die Situation, nicht immer hundertprozentig sein zu können. Das ist auch in Ordnung so, betont Koark. Wir müssen verstehen, dass wir uns immer wieder in Situationen begeben, in denen wir etwas lernen können. Wir lernen nur durch Ausprobieren; Fehler gehören dazu. Risikofreudige und mutige Menschen zeigen Ihr Scheitern mehr nach außen und lernen damit schneller, damit umzugehen.

Was ist der Ratschlag für den Umgang mit "Scheitern"?

  • In jeder Situation authentisch bleiben
  • Offen und ehrlich damit umgehen, je schneller kann man lernen
  • Üben im unperfekten das "Schöne" zu sehen.

Man muss die Angst vor dem Verlieren verlieren. (jk)