heise meets… So krank ist das Krankenhaus

50.000 offene Pflegestellen, zu viele Krankenhausbetten, fehlende Digitalisierung und ein Datenschutz, der zum Tod von Patienten führen kann.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Gisela Strnad
Inhaltsverzeichnis

Prof. Dr. Jochen A. Werner erläutert in seinem Buch "So krank ist das Krankenhaus", wo die Probleme und Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen lägen. Er selbst ist Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen und habe täglich mit den Defiziten zu kämpfen. Er beklagt, dass er im Gesundheitswesen, aus unterschiedlichsten Gründen, seit Jahrzehnten einen Stillstand beobachte. "Langsam verlieren alle den Glauben an eine Verbesserung, obwohl wir doch gerade jetzt Vorbild für die jungen Menschen sein sollten", beklagt Prof. Dr. Werner.

Elf Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes werden ins Gesundheitswesen investiert. "Es gibt nicht zu wenig Geld, um das Gesundheitswesen zu verbessern, es ist nicht richtig verteilt", stellt Prof. Dr. Werner fest. Zum einen gäbe es zu viele Partikularinteressen von etwa Verbänden und Einrichtungen, außerdem würden alle, die heute am Gesundheitswesen beteiligt sind, nicht wollen, dass sich die Geldflüsse verändern. Dadurch kämen wir immer mehr zum Stillstand.

Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen

Ein Problem, die schnellstens angegangen werden müsse und das auch vom Gesundheitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen kritisiert werde, seien zu viele Krankenhausbetten in zu vielen Krankenhäusern. In Deutschland seien Bürger und Bürgerinnen ein Krankenhaus in Ihrer Nähe gewohnt. Das sei aber nicht der entscheidende Punkt. Wichtig sei in der Gesamtbetrachtung, dass die beste Behandlungsqualität an den Patienten gebracht werden könne. "Wir haben zu wenige Pflegekräfte für zu viele Krankenhäuser und Krankenbetten. Es ist daher nicht mehr verhandelbar, dass Krankenhausbetten geschlossen werden müssen". erläutert Prof. Dr. Werner.

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Die Deutschen gingen gern zum Arzt – im OECD-Vergleich gehe jeder Deutsche zehnmal pro Jahr zum Arzt. Der Durchschnitt außerhalb Deutschlands liegt demnach bei 6,8-mal. Schaut man sich die Krankenhausbetten an, so haben wir in Deutschland 7,4 Betten auf 1.000 Einwohner. In der Schweiz sind des 4,5 Betten und in Schweden 2,1 Betten pro 1.000 Einwohner. Es ist absolut vergleichbar, da Lebensdauer und Krankenstand in allen Ländern vergleichbar sind.

Erschreckend sei der Ablauf bei einem Notfall, so käme der deutsche Notarzt komplett unvorbereitet zum Patienten. In Dänemark etwa könne sich der Notarzt nach Bekanntgabe des Patientennamens und anderer Daten vorab Informationen über die Digitale Patientenakte einholen und wisse bereits vor dem Eintreffen beim Patienten, welche Krankengeschichte der Patient hat. Wir müssen uns in Deutschland demzufolge Versagen bei der Digitalisierung vorwerfen. "Das Versagen liegt bei der Politik, weil wir es über Jahrzehnte nicht geschafft haben, eine Digitaloffensive zustande zu bringen. Wir brauchen eine starke Bereitschaft zur Digitalisierung und Lockerung von überbordendem Datenschutz. Der Hashtag #ToddurchDatenschutz ist korrekt", stellt Prof. Dr. Werner fest.

Der Datenschutz habe auch eine Verantwortung. Das würden viele Akteure wissen, aber es passiere nichts. Eine Lockerung des gesundheitsbezogenen Datenschutzes soll es noch in dieser Legislaturperiode geben. Erste Vorschläge gab es bereits vor der Pandemie. Jetzt werde eine Opt-out-Lösung für die Elektronische Patientenakte diskutiert, die nach Abstimmung dann verpflichtend sein soll. Bis alles funktioniere, werde es aber noch dauern. Die Situation sei verfahren und wir stünden uns selbst im Weg. Schwierig mache die Situation auch, dass Krankenhäuser föderalen Entscheidungen pro Land unterliegen würden und wir keine zentrale Bundesinstanz hätten, die für alle entscheidet.

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An der Universitätsmedizin Essen gehe man seit 2015 den Weg zum Smart Hospital. Dort werde zunächst ein Change-Prozess für alle Mitarbeitenden eingeführt. Mittlerweile gebe es verpflichtende Veranstaltungen und Schulungen, um (neue) Mitarbeitende über das Thema Smart Hospital und die damit verbundenen Ziele zu informieren. Dabei werde immer wieder darauf hingewiesen, dass der Mensch im Mittelpunkt des Geschehens steht. Egal, ob als Patient oder Mitarbeitender. Zudem seien zahlreiche digitale Projekte umgesetzt worden, wie die elektronische Patientenakte, ein Institut für KI in der Medizin, ein Service- und Infocenter – um die Erreichbarkeit zu verbessern – und die zentrale Notaufnahme digitalisiert.

Alles passiere um den Patienten herum und zur Entlastung der Mitarbeitenden. "Krankenhäuser müssen selbst entscheiden dürfen, was nicht mehr gemacht werden soll und nicht auf eine übergeordnete Stelle warten, die den Weg vorgibt. So dokumentieren Mitarbeitende zum Beispiel viel zu viel. Die Patientenversorgung darf darunter nicht leiden", so die Meinung von Prof. Dr. Werner. Wenn keine Zeit für den Patienten bleibe, hole sich das System ein und brauche sich auf. Daher müsse die Politik schnell neu entscheiden, der medizinische Datenschutz gelockert werden und es dürften nicht mehr so viele Mitspieler auf dem Spielfeld mitentscheiden. Das funktioniere nicht, wie die Vergangenheit gezeigt hätte. Digitalisierung schaffe Transparenz, das würden viele Mitspieler nicht wollen, da es viel Überflüssiges offenlege.

Gesunde Menschen seien an eine gesunde Umwelt gebunden und daher müsse das oberste Gebot, gerade von Krankenhäusern, sein, den Betrieb nachhaltig zu führen. Auch dahingehend sei einer der wichtigsten Punkte, die Bettenzahl zu reduzieren, um Müll und Strom einzusparen. Im Vergleich verbrauche jedes Krankenhausbett im Jahr so viel Strom wie 3 bis 4 Einfamilienhäuser. "Die Umweltkarte muss immer mitgezogen werden und junge Menschen sollten in den Veränderungsprozess mit einbezogen werden, um Begeisterung zu schaffen", regt Prof. Dr. Werner an.

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(bme)