iPhone und Co. helfen Blinden

E-Mails unterwegs schreiben, in der S-Bahn Zeitung lesen, allein einkaufen gehen, Wäsche sortieren – für Blinde und Sehbehinderte ist das meist unmöglich. Aber nicht, wenn sie ein Smartphone und ein paar hilfreiche Apps haben.

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Von
  • dpa

Bettina Schmidt ist Geschäftsfrau und blind. Für ihr Reinigungsunternehmen mit zehn Mitarbeitern ist die 53-Jährige viel unterwegs, holt Aufträge herein, erledigt Geschäftspost von unterwegs, beantwortet gleich noch die Mail des Steuerberaters. Seit einer Tumor-Operation vor zwölf Jahren kann die Schwerinerin nichts mehr sehen. Sie schwört auf ihr Smartphone, ohne das sie ihr Geschäft kaum so führen könnte und das ihr viel fremde Hilfe erspart.

Smartphones mit ihren eingebauten Kameras und einer großen Zahl verfügbarer Apps fürs Lesen von Schriftstücken, für die feine Farbunterscheidung, für das Erkennen von Geld oder für die Suche nach Geschäften und Restaurants in der Umgebung kommen einer Revolution für Blinde und Sehbehinderte gleich. "Trotzdem können sich viele Betroffene nach wie vor nicht vorstellen, mit einem internetfähigen Handy und insbesondere mit dem dazugehörigen Touchscreen zurechtzukommen", bedauert der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband DBSV.

Blindsquare hilft, sich in der Umgebung zurechtzufinden.

(Bild: Hersteller)

Das A und O für Blinde und Sehbehinderte ist die Sprachfunktion von Smartphones. Schmidt wischt über die Oberfläche ihres Geräts. Eine Stimme liest in enormem Tempo vor, auf welchem Symbol sich ihre Fingerspitze gerade befindet. Sieben Seiten hat die Geschäftsfrau mit nützlichen Apps belegt. Dazu gehört Prizmo (iPhone, iPad), eine Anwendung, die Dokumente scannt und vorliest. Hilfreich ist das auch im Restaurant, wenn man wissen will, was auf der Speisekarte steht. BlindSquare (ebenfalls iOS) sagt, welche Straßen, Kreuzungen und Läden in wie vielen Metern Entfernung vom Standort es gibt und in welche Richtung man gehen muss. Der nächste Supermarkt liegt in 300 Metern auf zwölf Uhr, also geradeaus.

Wer kennt nicht die Großmutter aus dem "Heidi"-Buch, die das kleine Mädchen abtastet, um sich eine Vorstellung von ihm zu verschaffen? Das ist mit dem Smartphone Vergangenheit. Die Kamera wird auf die Person gerichtet und der Stimme aus dem Gerät gelauscht: "Ein kleines Mädchen mit grünem Kapuzenshirt." Ohne fremde Hilfe Wäsche waschen und im Supermarkt einkaufen? Auch das ermöglichen iPhone und Co., etwa mit einer Feinfarben-Unterscheidungs-App oder einer App zum Lesen der Strich-Codes auf Verpackungen. Die Farben-App hilft auch morgens vor dem Kleiderschrank bei der Auswahl der Garderobe.

Bettina Schmidt will ihren smarten Helfer nicht mehr missen – und wünscht sich noch viel mehr von ihm. "Toll wäre es zum Beispiel, wenn unterwegs mit Pieptönen vor Hindernissen auf meinem Weg gewarnt würde, so ähnlich wie der Einpark-Assistent beim Auto das tut", sagt sie. Gekoppelt mit BlindSquare, könnte das Sehbehinderten ein unabhängiges Erkunden fremder Orte ermöglichen. Oder: Eine Kamera am Körper nimmt die Umgebung auf und eine Stimme erzählt, was zu sehen ist – ähnlich wie in den Filmen für Sehbehinderte. Schmidt hat schon Kontakt mit App-Entwicklern aufgenommen. (bsc)