Österreichs Oberster Gerichtshof zu Herausgabepflicht von Quellcode

Der österreichische Oberste Gerichtshof hat dargelegt, dass die Herausgabe des Quellcodes nicht unverzichtbarer Bestandteil eines Softwareerstellungsvertrags ist. Das Gericht folgt damit entsprechenden Grundsätzen der deutschen Justiz.

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Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) hat in einem aktuellen Verfahren (Az. 9 Ob 81/04h) dargelegt, dass die Herausgabe des Quellcodes nicht unverzichtbarer Bestandteil eines Softwareerstellungsvertrags ist. Das Gericht folgt damit entsprechenden Grundsätzen der deutschen Justiz. Während es bei Standardsoftware, die nicht für bestimmte Kunden, sondern den Massenmarkt angefertigt wird, es in der Regel keine Pflicht zur Herausgabe des Sourcecodes gibt, war dies im Bereich der individuell erstellten Software in Österreich noch nicht höchstgerichtlich entschieden worden. Nun steht fest, dass bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung der Quellcode eines individuell für einen bestimmten Kunden angefertigten Programms nur unter besonderen Umständen geliefert werden muss.

Der Beklagte hatte die Anfertigung einer speziellen Software für seine Fitnessstudios in Auftrag gegeben. Die Auftragnehmerin klagte schließlich auf Zahlung von über 33.000 Euro. Neben verschiedenen Sachverhalts- und Rechtsfragen wurde in den folgenden Gerichtsverfahren auch erörtert, ob die Klägerin zur Lieferung des Quellcodes verpflichtet sei. Die Rechtssache landete schließlich im Wege der ordentlichen Revision beim OGH. Dieser betont, dass primär die getroffenen Vereinbarungen maßgeblich seien. Im konkreten Fall enthalten die mündlich geschlossenen Verträge zwar keine entsprechende Vereinbarung, doch könne "auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung eine am Zweck des Vertrages orientierte Auslegung zu einer Herausgabeverpflichtung des Herstellers führen". Das Gericht führt weiter aus: "Angesichts des legitimen Interesses des Herstellers am Schutz seiner Programme (...) ist bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung aber Zurückhaltung bei der Bejahung der Herausgabepflicht angebracht, weil es nicht sachgerecht wäre, ohne deutliche Hinweise im Vertrag, aus denen ein entsprechender Parteiwille ableitbar ist, dem Hersteller einen Vertragsinhalt aufzuzwingen, den er – wäre die Frage besprochen worden – nicht oder nur gegen höheres Entgelt akzeptiert hätte."

Entscheidend ist also der Zweck des Vertrags. Die Interessen von Hersteller und Benutzer müssen im Zweifelsfall gegeneinander abgewogen werden. Ein "das Geheimhaltungsbedürfnis des Herstellers übersteigendes schützenswertes Interesse des Benutzers an der Herausgabe des Quellcodes" könne etwa dann gegeben sein, "wenn das Programm mit anderen Programmen des Benutzers kommunizieren soll oder wenn Individualsoftware für den weiteren Absatz an Kunden des Auftraggebers bestimmt ist".

Im konkreten Fall wurde das Urteil aus anderen Gründen aufgehoben und an die zweite Instanz zurückverwiesen. Diese muss nun, orientiert an einigen Ausführungen des OGH, weitere Feststellungen treffen und ein neues Urteil fällen. Unter anderem hat der OGH festgestellt, dass der gegenständliche Softwareerstellungsvertrag kein Werklieferungsvertrag. sondern ein Werkvertrag ist. Daher sind bestimmte, von der zweiten Instanz bemühte Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über Mängelrügen nicht anzuwenden. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)