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rC3: DDoS-Angriff und DNS-Probleme schmälerten das Hackererlebnis

Stefan Krempl

(Bild: rC3 media.ccc.de (CC by 4.0))

Der CCC feiert sein ins Neuland verlegtes Jahrestreffen nebst eigener 2D-Welt als historisches Ereignis. Attacken konnten die Datenreisenden nicht stoppen.

Märchenhaft endete am Mittwoch nach vier Tagen voller Vorträge und virtueller Treffen in einer eigens geschaffenen, mit Avataren bevölkerten 2D-Welt der remote Chaos Communication Congress (rC3). Die Zeremonienmeisterin "blubbel" vom Chaos Computer Club (CCC) las den Zuschauern eine Geschichte über das "große Jahresfest" der Nerds vor, deren Land von einer Seuche heimgesucht worden sei. Die "klugen Wesen" seien daher auf die Idee gekommen, eine "gewaltige künstliche Insel" zu bauen, die sie mit ihrem Seelenbild betreten könnten, statt mit dem Körper.

blubbel erzählt.

(Bild: rC3 media.ccc.de (CC by 4.0 [1]))

Nachdem ein Team von Prinzessinnen und weiteren Kundschaftern ein "kleines Tal mit grünen Wiesen und viel Platz" im Lande Neu als geeignet ausgemacht habe, sei dieses mit einem See, einer Insel und Booten als Kommunikationssystem über weitere Entfernungen hinweg ausgestattet worden, erzählte die Hackerin [2]. In der eigentlichen rC3-World nutzen die Organisatoren das Open-Source-Videokonferenzsystem Jitsi, um die Kommunikationsflächen auszufüllen und Live-Kommunikation zwischen Besuchern zu ermöglichen.

"Die Häfen konnten zeitweise keine Boote mehr aufnehmen", im Hintergrund sei noch eifrig gehämmert worden, berichtete blubbel über die Startschwierigkeiten in der 2D-Welt auf der Kongressplattform. Zu allem Unglück sei noch ein "magischer Angriff des DDoS" (Distributed Denial of Service) am 1. Konferenztag dazugekommen, sodass nachts die Sturmabwehr habe verstärkt werden müssen. Im Anschluss hätten die Datenreisenden endlich mehr Inhalte erstellen und Versammlungen abhalten können. Liebliche Tetris-Klänge seien ertönt, Anwendungen wie ein Flaschensammel-Simulator oder ein per DECT-Telefon kontrollierter Flammenwerfer [3] hätten sich großer Beliebtheit erfreut.

Damit war der Frieden aber noch nicht erreicht: "Ein Fluch der Unsichtbarkeit traf die Insel" – damit meinte blubbel diverse Probleme mit der Auffindbarkeit der rC3-World über das Domain Name System (DNS). Im Statusreport [4] gibt es dazu mehrere Einträge über Vorfälle, die erst nach und nach wieder bereinigt werden konnten. 130.000 DNS-Updates seien wegen der 2D-Welt nötig gewesen, hieß es aus dem Infrastrukturzentrum. Insgesamt seien dort 34.858 kritische Hinweise, 13.070 Warnungen und zwei Abuse-Mails wegen der DDoS-Attacke eingegangen.

Trotz der Unbill sei die Gelegenheit zum Austausch und gemeinsamen Lernen eifrig genutzt worden, erklärte blubbel. Jeder Hackerspace habe eigene Orden in Form von Ritterbadges für Heldentaten vergeben, selbst Orte der Notdurft seien in Feierplätze verwandelt worden. Nach den vier Tagen sei das künstliche Eiland aber nicht länger zu halten gewesen [5]. Die Baupläne blieben aber erhalten und würden öffentlich ausgehängt, damit viele kleine Ausgaben über lokale Hackzentren [6] errichtet werden könnten nach dem Motto: "Und wenn die Server nicht geschmolzen sind, dann hacken sie noch heute.

Im Rückblick der zahlreichen Intrastruktur-Teams, die den Online-Kongress wochenlang vorbereitet hatten und zusammen mit 1487 "Engeln" im Hintergrund am Laufen hielten, hörten sich die Berichte über das Internet-Experiment weniger poetisch an. Das Rechnernetzwerk im Backend habe insgesamt 9 Terabyte an RAM auf über 1700 Mehrkernprozessoren umfasst, führte ein Techniker aus. Eine Festplatte und fünf Kontroller seien kaputt gegangen und meist gleich mit neuen Servern ersetzt worden. Der Datenverkehr sei nicht verschlüsselt, IP-Adressen seien nicht aufgezeichnet worden.

(Bild: rC3 media.ccc.de (CC by 4.0 [7]))

Zur Hochzeit hielten die Hacker 1105-Jitsi-Konferenzen auf einen Schlag ab, im Durchschnitt waren es parallel 204. Die maximale Teilnehmerzahl einer Sitzung betrug 94. Der Videoverkehr nach außen belief sich auf 1,3 GBit/s. Die Anfragen hatten sich während des DDoS-Angriffs kurzzeitig auf einige Millionen pro Sekunde erhöht, sodass auch an Rechenleistung und Ausgleichsverfahren nachgelegt werden musste.

Die Serverstruktur war auf sechs Orte verteilt, wobei im größten Rechenzentrum in Frankfurt ein Uplink von bis zu 620 GBit/s verfügbar war, von dem aber "nur" 22 GBit/s maximal ausgenutzt wurden. Über IPv6 liefen 1,5 GBit/s in der Spitze. Einige Server hatten eine Uplink-Möglichkeit von bis zu 50 GBit/s. In Düsseldorf standen 816 CPU Cores mit 2 Terabyte RAM bereit über eine Internetverbindung von bis zu 10 GBit/s. Eingebunden waren zudem Serverfarmen etwa in Stuttgart, Wolfsburg und Hamburg.

Die im Pixel-Design an die frühen 90er erinnernde 2D-Welt sei seit Oktober konzipiert und seit Anfang November aufgebaut worden, hieß es aus dem für das "Adventure" zuständigen Team. Am 1. Kongresstag wurde der Kernbestandteil der "remote Chaos Experience" gegen 13 Uhr eröffnet, ein Bug in der Lobby wurde recht schnell gefixt, der dort zu einem Stau geführt hatte. 1600 Nutzer waren parallel online, teils bis zu 1000 Kartenteile für virtuelle Landschaften aktiv gewesen.

Neben einem Crash und dem Lastangriff seien durch einen Rechtschreibfehler einmal versehentlich 405 Server für die 2D-Welt auf einen Schlag gelöscht worden, entschuldigten sich die Bauleiter. Eine speziell geschriebene "Hub"-Software diente zur Koordination hunderter Versammlungen und die Kreation und Ausgabe von 411 verschiedener Ordenstypen. Rund 5 Millionen Pixel landeten in dem Online-Speicher, worunter sich neben einer Vielzahl "autistischer Kreaturen" auch die ein oder andere Nachbildung des Raumschiffs "Fairydust" befanden.

Für das virtuelle Vortragsprogramm richtete der CCC eigens erstmals eine Aufnahmeleitung ein, die Beiträge aus 25 Studios, unzähligen Homeoffices und 19 Live-Kanälen wie für eine Eurovisionssendung gemeinsam mit dem Video Operation Center (VOC) zusammenfügte. Hauptsächlich auf Basis der Plattform Big Blue Button (BBB) wickelten die Zuständigen über 350 – mittlerweile größtenteils online auf Dauer abrufbare – Vorträge [8] und zahlreiche Workshops ab, von denen einige voraufgezeichnet waren und teils durch interaktive Frage-und-Antwort-Runden ergänzt wurden. Allein 54 Beiträge liefen in den beiden von 18 "Herolden" moderierten Hauptkanälen rC1 und rC2. Die "Ansager", die auch online eingereichte Fragen bündelten, warteten dieses Jahr zur Überbrückung der Pausen mit "News Shows" auf, die in ein eigenes YouTube-Format münden sollen.

Beim VOC, hinter dem die Forschungsgemeinschaft elektronische Medien (FEM) an der TU Ilmenau steht, gab es anfangs Probleme mit schlecht formatierten Datenpaketen, nicht jedoch mit der Bandbreite. Die eingerichteten Studios sollen erhalten bleiben, um etwa Tests für Helfer wie Internet Streaming Digital Node (isdn:ISDN [9]) und Killer Experimental Video Internet Noise (kevin:Kevin [10]) durchzuführen. Die rC3-Jitsi-Welt [11] wird bis ins neue Jahr hinein laufen, damit die Hacker noch ein paar Tage corona- und datenschutzkonforme Videotreffen arrangieren können. Blubbels Resümee: "Nicht immer ist alles gut gelaufen." Das Event habe aber "Geschichte geschrieben".

(anw [12])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-5001451

Links in diesem Artikel:
[1] https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de
[2] https://media.ccc.de/v/rc3-11584-abschluss
[3] https://twitter.com/C3Fire/status/1343693928688713729
[4] https://status.c3events.de
[5] https://events.ccc.de/2020/12/31/rc3-farewell/
[6] https://twitter.com/HonkHase/status/1343687604471017480
[7] https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de
[8] https://media.ccc.de/c/rc3
[9] https://c3voc.de/wiki/projects
[10] https://c3voc.de/wiki/projects
[11] https://jitsi.rc3.world
[12] mailto:anw@heise.de