seti@home Opfer von Metalldieben

Das distributed-computing-Projekt seti@home hängt an einem gläsernen Faden und der ist im Moment zerrissen. Seit dem 27. Februar 2001, 12:30 Uhr unserer Zeit, ist die Verbindung zum seti@home-Server unterbrochen.

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Von
  • Frank Fremerey

Das distributed-computing-Projekt seti@home (Search for Extraterrestrial Intelligence at Home) hängt an einem gläsernen Faden und der ist im Moment zerrissen. Seit dem 27. Februar 2001, 12:30 Uhr unserer Zeit, ist die Verbindung zum seti@home-Server zusammengebrochen. Nach Auskunft der Betreiber soll der Server frühestens im Laufe des morgigen Freitags (US-Zeit) wieder verfügbar sein.

Es kostete die Netzbetreiber selbst einige Zeit herauszufinden, was die Ursache des Ausfalls war, denn die Server und Router rund um den Campus der Universität Berkeley laufen störungsfrei. Auch die regelmäßigen Nutzer – etwa 500.000 von 2,5 Millionen registrierten – brauchten einige Zeit zum Reagieren, denn an kurzzeitige Ausfälle ist man als seti@home-Teilnehmer gewöhnt.

Die offizielle Stellungnahme der Universität Berkeley besagt, dass Kupferdiebe in der Nacht zum Mittwoch Kabel ausgegraben haben und dabei auch das Glasfaserkabel, das zwei Teilnetze des Berkeley-Campus miteinander verbindet, zerschnitten. Von außen betrachtet unterscheiden sich die für Diebe wertlosen Glasfaserstränge kaum von den gut verkäuflichen Kupferleitungen, sodass es leicht zu Verwechslungen kommen kann.

Durchschnittlich 17 Stunden dauert es, bis eine seti@home-Rechenaufgabe (work unit) von etwa 340 kByte abgearbeitet ist, dann verlangt der Computer nach einer Internetverbindung, sendet das Ergebnis und lädt die nächste work unit herunter. Einige Teilnehmer benutzen Zwischenspeicher, um für eventuelle Ausfallzeiten genügend work units vorrätig zu haben. Einen derart langen Ausfall von seti@home hat es allerdings bisher noch nicht gegeben. In der Vergangenheit hatte sich eher die Rechenkraft der seti-Server als Flaschenhals erwiesen, wenn zum Beispiel das Radioteleskop, das die Rohdaten liefert, ungünstig ausgerichtet war und die work units plötzlich nur die Hälfte der Zeit brauchten, um abgearbeitet zu werden. Dann brach schon einmal der Server unter der Last der sprunghaft ansteigenden Zahl von Verbindungswünschen zusammen.

Schlaumeier, die der Uni Berkeley immer wieder vorschlagen, die Verbindungen innerhalb des Campus redundant auszulegen, bittet der Netzadministrator Michael Sinatra vorsorglich, auch gleich einen dicken Scheck mitzuschicken, mit dem sich dieser Aufwand bezahlen lässt. Die Nutzung des Campus-Netzwerks für das seti@home-Projekt stelle bereits ein großzügiges Entgegenkommen der Uni-Verwaltung dar.

Kupferkabel auszubuddeln, um das Kupfer zu verkaufen, ist in Osteuropa und anderen ärmeren Gegenden der Welt nichts Ungewöhnliches. Dass dadurch zeitweise die Versorgung mit Strom oder Telefon, oder sogar elektrischem Eisenbahnverkehr in der betroffenen Gegend zusammenbricht, interessiert die Metalldiebe wenig.

Eine Theorie besagt, dass man das Problem Kupferklau in der Griff bekäme, wenn man die Kommunikationssysteme komplett in Glasfaser ausführen würde, aber das stimmt so nicht. Einerseits brauchen die Teilnehmer Strom, um ihre Endgeräte zu betreiben, andererseits brauchen die Glasfaserstränge selbst eine Stromversorgung, um die alle paar Kilometer notwendigen Auffrischer zu versorgen. Als eine vom Kupferklau unabhängige Kommunikations-Lösung für arme Länder kommt daher nur eine dezentrale Stromversorgung, etwa mit Sonnenenergie in Kombination mit Richtfunk oder Satellitenkommunikation in Frage.

Dass auch in einem reichen Land wie den USA Kupferdiebe ihr Unwesen treiben, ist eher ungewöhnlich. Grund genug für die seti@home-Teilnehmer in ihren Newsgroups (etwa sci.astro.seti und alt.sci.seti) wilde Spekulationen über außerirdische Invasoren anzustellen, die sich natürlich als Erstes auf den "Spionageserver" der Uni Berkeley stürzen, wenn sie auf der Erde landen.

Dass kurz nach der Widerherstellung der Netzverbindung der Seti-Server unter der Last der angestauten Anfragen den Geist aufgibt, ist zu befürchten. Die Betreiber bitten daher alle seti@home-Teilnehmer, sich mit dem Senden ihrer Ergebnisse länger als gewöhnlich zu gedulden.(Frank Fremerey) / (wst)