...und die nächste spanische Finanzreform

Die Regierung will die Banken nun zwingen, sich besser gegen faule Kredite in den Bilanzen abzusichern

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"Es ist die intensivste Sanierung in der EU, doch von der Branche leistbar", sagte der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos zur geplanten Finanzreform in Spanien. Das Kabinett hat die Reform am Freitag auf den Weg gebracht. Damit soll den Risiken begegnet werden, die angesichts der vielen faulen Immobilienkredite in den Bankbilanzen lauern. Die Finanzreform der neuen konservativen Regierung fordert von den Geldinstituten, problematische Kredite für Baugrundstücke, Gebäude und Wohnungen besser abzusichern.

Hälfe von 325 Milliarden Euro "problematisch"

Die Institute haben nach Schätzungen etwa 325 Milliarden Euro aus dem Immobilienboom in den Bilanzen stehen. Davon gilt gut die Hälfte der Vermögenswerte als problematisch. Deshalb zwingt die Regierung die Institute, Immobilien und Grundstücke neu zu bewerten und Rückstellungen vorzunehmen, um die Gefahren der "toxischen Anlagen" zu beschränken. Viele Geldinstitute führen Liegenschaften noch zu Preisen in den Bilanzen, die sie vor dem Platzen der Immobilienblase hatten, die längst nicht mehr realisierbar sind.

Mussten bisher Rückstellungen für mögliche Ausfälle bei Grundstücken von 31 Prozent des Werts vorgenommen werden, müssen die nun auf 80 Prozent angehoben werden. Für Gebäude im Bau steigen sie von 27 auf 65 Prozent und für fertiggestellte Immobilien von 25 auf 35 Prozent. Die Regierung schätzt, dass die Institute damit weitere 50 Milliarden Euro brauchen. Der Wirtschaftsminister macht deutlich, vor welchen Anstrengungen die Institute nun bis zum Jahresende stehen:

"Seit 2008 hat die Branche Rückstellungen in einer Höhe von 66 Milliarden Euro gebildet und die neue Maßnahme fordert, soviel zu leisten wie in den drei Jahren zuvor."

De Guindos erwartet als vorrangiges Ziel, dass die Preise für Gebäude, Wohnungen und Grundstücke deutlich sinken, weil sie verstärkt angeboten werden. Bisher gab es für Banken wenig Grund zum Verkauf, weil ein Verkauf unter dem Bilanzwert einen Verlust bedeutet hätte. Wegen höherer Rückstellungen werden Verkäufe für die Banken attraktiver, womit auch Immobilienfirmen gezwungen würden, die Preise zu senken.

Kaum Käufer

Allerdings weisen Experten darauf hin, dass wegen der Rekordarbeitslosigkeit von 23 Prozent und der Kreditklemme kaum Käufer vorhanden sind. Der stellvertretende Direktor der Universität in Barcelona spricht von einer "brutalen Propaganda". Gonzalo Bernardos glaubt nicht, dass die Preise in dem Maße sinken werden, wie es notwendig wäre.

Ähnliche Zweifel hegt auch der Universitätsprofessor José García-Montalvo. Er erinnert, dass die bisherige Preissenkung von etwa 25 Prozent zu keiner Reaktivierung des Sektors geführt hat. Manuel Romera, Direktor der IE Business School, erwartet, dass die Preise zwischen 5 und 15 Prozent fallen dürften. "Solange sie aber nicht um die Hälfte gegenüber dem Höchststand 2007 gefallen sind, wird die Nachfrage nicht zurückkehren", prognostiziert er, weil die Immobilien noch immer deutlich überbewertet seien.

So wird sich die angespannte Lage am Immobilienmarkt mittelfristig wohl nicht entspannen, obwohl die Regierung Wohnungsverkäufe sogar mit einer Halbierung des vergünstigten Mehrwertsteuersatzes auf 4% subventioniert. Die neue Reform dürfte zunächst dazu führen, dass verstärkt Institute fusionieren, was bis Mai angekündigt werden muss. Das hat schlicht damit zu tun, dass sie dann ein weiteres Jahr Zeit erhalten, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.

Bankenrettungsfond wird aufgestockt

Für einige Institute wird die Reform zum Kraftakt. So hatte der europäische Stresstest im Dezember gezeigt, dass spanische Banken schon wegen der verschärften EU-Kapitalanforderungen mindestens 26 Milliarden Euro frisches Kapital brauchen. Darunter befindet sich auch Bankia, eine mit Steuermilliarden geförderte Fusion von sieben gestrauchelten Sparkassen. Sie benötigt nach Schätzungen durch die neue Finanzreform weitere 7,5 Milliarden Euro, weil die Bank für gut fünf Milliarden Euro deutlich überbewertete Grundstücke in den Büchern hat. Elf Milliarden Euro soll die Bank in Immobilien investiert haben.

Die Großbank BBVA hat am Freitag einer Fusion mit Bankia eine Absage erteilt. Der BBVA-Chef Francisco González erklärte am Rande der Bilanzpressekonferenz, dass er aus "vielen Gründen" eine Fusion für "sehr schwierig" hält, weil damit "viele Probleme" verbunden seien. Auch die große Santander, die schon laut Stresstest 15,3 Milliarden Euro benötigt, wird dieses "Risiko" wohl ebenfalls nicht eingehen.

So wird Bankia, unter der Führung des Ex-Chefs des Internationalen Währungsfonds, Rodrigo Rato, wohl erneut Staatshilfen brauchen. Der Bankenrettungsfonds (Frob) soll deshalb um sechs Milliarden Euro auf 15 Milliarden aufgestockt. Schluss ist dann mit den Millionengehältern, weil die Regierung die Bezüge auf höchstens 600.000 Euro deckeln will, wenn erneut Steuergelder fließen.

Erwartet wird auch, dass die Reform die Kreditklemme im Land und damit auch die Rezession weiter verschärft, weil die Banken nun noch weniger Kredite vergeben und zudem das knappe Geld, das überall eingespart wird, auch noch zur Sanierung in Banken fließt. Dass die nun oppositionellen Sozialisten (PSOE) sich nun stärker gegen diese Reform aussprechen, ist aber nicht zu erwarten. Denn letztlich führen die Konservativen nun deren Kurs fort.

Auch die PSOE hatte auf verstärkte mit Steuermilliarden unterstützte Fusionen in zwei Sparkassenreformen gesetzt. Viele Experten bezweifeln, dass die Banken angesichts der Rezession aus eigener Kraft mit der Lage fertig werden können. Schließlich benötigen viele Banken frische Milliarden nicht nur wegen der Finanzreform und der neuen Anforderungen der EU an die Kernkapitalquote.

Steigende Kreditausfallquoten

Da sind auch die weiter steigendenden Kreditausfallquoten. Als die spanische Zentralbank kürzlich neue Daten vorgelegt hat, bezifferte sie die Quote zweifelhafter Kredite auf eine neue Rekordquote von 7,51%. Damit sind weitere 134 Milliarden ausfallgefährdet.

Erwartet wird, dass angesichts der ständig steigenden Arbeitslosigkeit noch deutlich mehr Kredite ausfallen, die Banken und Sparkassen immer neue Wohnungen in die Bücher nehmen müssen und die Lage damit immer gefährlicher wird. Nach diversen Sparkassen musste kürzlich auch schon die erste Bank durch Verstaatlichung gerettet werden. Im Januar haben die Arbeitsämter erneut fast 180.000 neue Arbeitslose registriert und die Sozialversicherung hat sogar fast 300.000 Beitragszahler verloren. Sie gesellen sich zu den schon zuvor registrierten 5,3 Millionen hinzu, die schon zum Jahresende registriert worden waren. Die Quote von 23% dürfte damit deutlich überschritten sein.

Wie die Sozialisten zuvor versucht auch die neue konservative Regierung unter Mariano Rajoy nun den billigen Lösungsversuch. Dabei besagt ein spanisches Sprichwort: "Etwas Billiges kommt dich teuer zu stehen". Zwar wurde die Einrichtung einer staatlichen "Bad Bank" nach deutschem Vorbild geprüft. Doch angesichts eines massiven Sparkurses wäre es wohl noch schwerer zu verkaufen, dass damit viel öffentliches Geld in die Bankensanierung fließen müsste. Der Chef der Notenbank, das PSOE-Mitglied, Miguel Angel Fernández Ordoñez, hatte diese Option als schnellste Sanierungsform empfohlen. Der verwies auch darauf, dass der temporäre Rettungsschirm (EFSF) bei der Finanzierung Spanien sogar unter die Arme greifen könnte.

Spanien auffangen?

Doch auch Rajoy will lieber nur Reförmchen durchführen, die aber am Ende tatsächlich noch deutlich teurer werden könnten. Er verabscheut aber den EU-Rettungsschirm wie der Teufel das Weihwasser, weil er nicht den Eindruck verstärken will, dass Spanien längst mit der Lage überfordert ist und letztlich doch noch ins Rettungsnetz fällt und aufgefangen werden muss, auch wenn sich zuletzt die Lage wegen fallender Zinsen für das Land etwas entspannt hat.

Mit dem permanenten Rettungsfonds ESM hat sich die EU schließlich auf dem EU-Gipfel gerade darauf vorbereitet, auch Spanien auffangen zu können. Man darf angesichts der vielen Probleme im spanischen Bankensystem aber bezweifeln, ob diese Finanzreform tatsächlich einen Durchbruch bringt. Das gilt vor allem wenn die Wirtschaft wie in Griechenland oder beim Nachbar Portugal tief in die Rezession abtaucht.