5G-Campusnetze: Telefónica virtualisiert Kernnetz in der Cloud

In einem Pilotprojekt mit einem Industriekunden lagert der Netzbetreiber in Zusammenarbeit mit Ericsson und Amazon Kernnetzfunktionen in die Cloud aus.

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5G Symbolbild

Mit 5G und der Cloud will Telefónica Deutschland neues Territorium erobern.

(Bild: heise online/vbr)

Lesezeit: 3 Min.

Telefónica Deutschland will bei 5G mit virtualisierten Kernnetzen in der Cloud für mehr Effizienz und kürzere Ausbauzeiten sorgen. In einem ersten Pilotprojekt für ein 5G-Campusnetz werden Kernfunktionen des Netzes vollständig in die Cloud ausgelagert, sodass vor Ort nur noch Funktechnik installiert werden muss. Der Netzbetreiber arbeitet dabei mit Clouddienstleister Amazon AWS und Ausrüster Ericsson zusammen.

In diesem Monat soll das Pilotprojekt mit einem Industriekunden beginnen. Wer das ist, will Telefónica noch nicht verraten. "Bei dem Pilotprojekt geht es uns vor allem darum, erste Erfahrungswerte zu sammeln und die Ausbaugeschwindigkeit zu optimieren", erklärt Telefónica-CTIO Mallik Rao im Gespräch mit heise online. Daraus soll dann ein kommerzielles Angebot entwickelt werden, dessen Einführung für das nächste Jahr geplant ist.

Telefónicas Technikchef sieht in der Virtualisierung und der Cloud neue Chancen für Netzbetreiber. Bisher habe die Branche da aber "noch nicht richtig Gas gegeben", sagt Rao. "Solange Telekommunikationsanbieter nicht Kernbereiche ihres Geschäfts in der Cloud abwickeln, sind sie nicht wirklich in der Cloud." Telefónica will hier Pionierarbeit leisten und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Mit dem Kernnetz in der Cloud werden Campusnetze für Industriekunden flexibler und billiger, verspricht der Netzbetreiber.

Mallik Rao, CTIO von Telefónica Deutschland.

(Bild: Telefónica Deutschland)

"Mit Kernfunktionen in der Cloud können wir deutlich schneller skalieren", sagt Rao. Der Kunde muss vor Ort nur das Funknetz (RAN) installieren, weitere Hardware wird nicht mehr benötigt. Kernfunktionen wie Paketvermittlung und Orchestrierung übernimmt Software von Ericsson, die auf den AWS-Servern läuft. Die Funkinstallation ist über Glasfaser an das AWS-Rechenzentrum angebunden; beim Pilotprojekt stehen die Server bei AWS in Frankfurt am Main.

Von der Cloud-Lösung verspricht sich der Netzbetreiber vor allem Kosten- und Geschwindigkeitsvorteile bei Aufbau und Unterhalt von Campusnetzen für die Industrie. Allein Software-Updates können bei herkömmlichen Netzen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, erklärt Rao: "Bei physischen Netzen kann ein Software-Update bis zu sechs Monate dauern, mit dem kompletten Kernnetz in der Cloud geht das künftig in wenigen Tagen."

Ein bisschen Neuland ist das für alle Beteiligte. "Wir machen das nicht allein, sondern arbeiten mit AWS und Ericsson zusammen", betont Rao. Dabei könnten die Partner neue Erfahrungen sammeln. Für Ausrüster wie Ericsson führe "die Virtualisierung zu einer signifikanten Veränderung ihres Geschäfts". Die Ausrüster haben bisher davon gelebt, ihren Kunden auch teure Hardware zu verkaufen. Mit Virtualisierung und offenen Standards wie OpenRAN ändert sich die Landschaft.

Mit dem Pilotprojekt und den ersten kommerziellen Angeboten mit virtualisierten Kernnetzen hat Telefónica zunächst Industriekunden und 5G-Campusnetze im Auge. Die Netzbetreiber setzen auf Campusnetze als neues Geschäftsmodell; am Donnerstag hat Daimler die von Telefónica mit 5G vernetzte Factory 56 in Sindelfingen in Betrieb genommen. Der Campus muss aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wenn die Erfahrungen gut sind, ist mehr Virtualisierung auch für öffentliche Netze ein Thema. "Das ist erst der Beginn einer Reise", sagt Rao. "Es ist der erste Schritt."

(vbr)