Aufbruchstimmung der IT-Branche in Pakistan

Auf der IT- und Telekom Messe ITCN Asia in Karachi war die große Aufbruchstimmung der Branche in Pakistan an jedem Stand zu spüren.

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Von
  • Jutta Schwengsbier

"Vor vier Jahren hatten wir nur eine Million Mobilfunk-Kunden. Heute sind es schon 26 Millionen. Wir hatten uns als Erste entschlossen, den Markt in Pakistan mit 160 Millionen Menschen mit Mobiltelefonie zu versorgen. Kaum stand die Infrastruktur, ist der Markt regelrecht explodiert", erzählt Naeem Y. Zamindar, Vizepräsident von Mobilink. Geringe Kosten und entsprechend niedrige Preise haben dem pakistanischen Telekom-Anbieter ein rasantes Wachstum ermöglich. "Wir können die Infrastruktur gar nicht so schnell aufbauen, wie der Bedarf wächst," lacht Zamindar verschmitzt. Zamindars Lebenslauf ist nicht untypisch für die Macher in der pakistanischen IT-Branche: Er hat in den USA studiert, dann im Silicon Valley als Start-up Gründer und später in einer Risikokapitalgesellschaft gearbeitet.

Einfallsreichtum und Risikobereitschaft haben Mobilink in Pakistan in wenigen Jahren zu einem der führenden Telekomanbieter in ganz Asien gemacht. Der Handy-Vertrieb wurde an Franchisenehmer ausgelagert und nur Prepaid-Karten ausgegeben. Durch diese effizienten Firmenstrukturen und den großen Wettbewerb im pakistanischen Telekom-Markt liegen die Minutenpreise in Pakistan bei nur zwei Cent, egal ob für Orts- oder bei Auslandsgespräche. Bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von umgerechnet 1900 Euro nutzen inzwischen 60 Millionen Menschen in Pakistan ein Mobiltelefon. "Unsere Gewinnmargen sind zwar sehr gering, durch das große Volumen wird das ganze aber trotzdem sehr profitabel", sagt Zamindar. So wird bei 26 Millionen Nutzern auch ein durchschnittlicher Umsatz von nur 3 Euro pro Kunde im Monat rentabel.

Inzwischen arbeitet Mobilink schon an der nächsten Marktrevolution. Bis zum Jahresende sollen seine Mobilfunkkunden per SMS Geld speichern und transferieren können. In Pakistan haben bislang nur 6 Millionen Menschen überhaupt ein Bankkonto. Sie bekommen mit dem E-Payment zum ersten Mal die Gelegenheit, Geld sicher auf dem Handy verwahren und versenden zu können. "Die Bevölkerungsmehrheit in Pakistan sind arme Wanderarbeiter", erläutert Zamindar. "Mein Fahrer etwa konnte seine Familie früher nur einmal im Jahr kurz in seinem Dorf besuchen und hatte sonst keinen Kontakt. Jetzt telefoniert er täglich mit seiner dreijährigen Tochter und kann seiner Frau bald auch per Handy Geld nach Hause schicken." Wir wollen das Leben von Menschen grundlegend verändern, sagt der Werbespruch von Mobilink. Beim Erzählen wirkt Zamindar nicht nur wie ein smarter Geschäftsmann, der eine Marketingstrategie verkündet, sondern wie ein Visionär, der wirklich die Welt verändern will: Gesundheitsdienste per Telefon, Schulausbildung per Internet, Entertainment. Durch Breitbandanschlüsse per Wireless-Technologie soll in einigen Jahren bald das letzte Dorf mit der modernen Welt verbunden sein. Im Moment gibt es nur 100.000 Breitband- und fünf Millionen Internet-Nutzer in Pakistan.

Auf der IT- und Telekom Messe ITCN Asia in Karachi, die vom 9.-11. August die jüngsten Trends in Asien vorgestellt hat, war die große Aufbruchstimmung der Branche in Pakistan an jedem Stand zu spüren. Neue Universitäten für IT und Elektronik sollen die Zahl von derzeit 110.000 graduierten IT-Experten bald vervielfachen. Im Vergleich zu Indien, das inzwischen mehreren Millionen Fachkräften hat, steckt der IT-Bereich in Pakistan zwar noch in den Kinderschuhen. Doch weil im Nachbarland inzwischen wegen des großen Bedarfs nicht mehr ausreichend viele Softwareingenieure vorhanden sind, wandern inzwischen immer mehr Aufträge als Outsourcing-Projekte zum kleinen Bruder nach Pakistan. Dort sind IT-Experten derzeit noch zum halben indischen Stundensatz zu haben – rund zehn Euro.

In Pakistan arbeiten bislang überwiegend Softwareexperten. Die Hardware wird noch überwiegend in Taiwan oder China zusammengesetzt. Nach dem Beispiel der chinesischen Freihandelszonen will allerdings jetzt auch Pakistan mit besonderen Exportzonen, in die Waren zoll- und steuerfrei importiert und exportiert werden können, die Lohnfertigung weiter fördern und auch Investoren für IT-Hardwarefertigung gewinnen. In Lahore, Islamabad und Karachi soll die IT-Industrie rund um mehrere Fachuniversitäten aufgebaut werden. Die permanenten Stromausfälle, die sonst jeden Tag mehrere Stunden lang das gesamte Netz lahm legen, sollen durch eine autonome Energieversorgung für die Hightech-Zentren vermieden werden.

Die pakistanische Regierung fördert den Telekom- und IT-Bereich mit allen denkbaren Mitteln, um den Erfolgsweg Indiens mit zehnjähriger Verspätung nachzuholen. Weil der Handyimport steuerfrei möglich ist, sind Mobiltelefone in Pakistan etwa konkurrenzlos günstig, ob Modelle von Nokia und Siemens oder Importware aus China. Sämtliche Arbeitsprozesse von Ministerien und Behörden sollen in wenigen Jahren zum größten Teil automatisch ablaufen. Von der Buchführung und Finanzkalkulation der Behörden, bis zu Grundbucheinträgen und Geburtsurkunden für die Bevölkerung: Alles soll künftig Computer gestützt fast selbsttätig ablaufen.

An technischen Lösungen wie etwa Spracherkennung in Urdu, für die mehr als 60 Prozent Analphabeten im Land, wird noch gearbeitet. Die meisten Mitarbeiter der Behörden, die Computer bislang nur aus dem Fernsehen kennen, werden derzeit noch in Mausbedienung und anderen Grundlagen des neuen Computerzeitalters geschult. Pünktlich zur Messe hat Premierminister Shaukat Aziz in Karachi eine computergestützte Beschwerdestelle für Bürger eingerichtet. Durch vergleichbare Computer- Serviceleistungen der Behörden in Indien ging dort die Korruption öffentlicher Institutionen spürbar zurück. Was Preise und Serviceleistungen angeht, könnte Pakistan also mit etwas Verspätung im IT- und Telekom-Bereich bald zur Weltspitze gehören. ( Jutta Schwengsbier) / (vbr)