Bits & Pretzels: Start-ups zwischen Nachhaltigkeit und Marktdominanz

Vom kleinen Weißwurst-Frühstück zu tausenden Startup-Gründern und Geldgebern: In diesem Jahr kam sogar Barack Obama zur Bits & Pretzels.

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Bits & Pretzels zwischen Gewissen und Wachstumsdrang

(Bild: Sylvester Tremmel)

Lesezeit: 4 Min.

Die Prominenz der Veranstaltung wächst. Highlight des ersten Tages war fraglos die Eröffnung der Messe mit Barack Obama. Inhaltlich erscheint die Konferenz, und wohl auch die Startup-Branche allgemein, zwiegespalten: Einerseits sind Greta Thunberg, Fridays for Future und generell die Themen gesellschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit allerorten. Die Messegründer haben den Hashtag #FoundersForFuture ausgerufen, die diesjährige Veranstaltung unter das Thema "Impact" gestellt (durchaus auch im ökologischen und sozialen Sinne) und diverse Start-ups versuchen – prinzipbedingt technische – Lösungen für globale Probleme anzubieten. Auch in Obamas Gespräch mit der Chefredakteurin der Bits & Pretzels, Britta Weddeling, ging es – abseits von amüsanten Anekdoten aus Obamas Präsidentschaft und Privatleben – hauptsächlich um gesellschaftliche Probleme, den Klimawandel, ein Treffen mit Greta und Obamas Kampf gegen Propaganda.

Andererseits passt eine solche Einstellung nicht zur Geisteshaltung der klassischen Silicon-Valley-Firmen, die immer noch das Leitbild schlechthin sind. Traditionell versucht man hier recht egoistisch Märkte zu dominieren. Staatliche Regulierung, deren Notwendigkeit gerade im Kampf gegen den Klimawandel von Obama und anderen Sprechern immer wieder betont wurde, sieht man hier sehr skeptisch.

Bezeichnend für diese Geisteshaltung ist der Auftritt des LinkedIn Co-Gründers Reid Hoffmann, der das Konzept des "Blitzscalings" vorstellen durfte – Wachstum um jeden Preis. Sogar allgemein als gravierend aufgefasste Probleme, wie schlechtes Management oder unzufriedene Kunden, könne man aufschieben, um weiter schnellstmöglich zu wachsen. Später, wenn man die Konkurrenz platt gemacht habe, müsse man freilich diese organisatorischen und technologischen Schulden abbezahlen. Das sei aber möglich, schon Microsoft, Google und Facebook seien so gewachsen – nicht unbedingt Musterbeispiele für Firmen mit positiven gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen. Von "Impact" war hier auch keine Rede mehr, stattdessen: "Offensichtlich ist das, was man will, Kunden und Einkommen." Erst kürzlich hatte LinkedIn über den eigenen Kampf gegen Fake-Accounts berichtet, damit Nutzer sich in dem Karrierenetzwerk sicher fühlen.

Dieser Zwiespalt durchzieht die Konferenz weitgehend: So hält Aza Raskin vom Center for Humane Technology einen flammenden Appell gegen die "digitale Aufmerksamkeitskrise", weil Technologieführer versuchten mit Apps und Geräten so viel Aufmerksamkeit ihrer Kunden wie möglich zu besetzen und dabei allerlei soziale Probleme verursachten. Gleichzeitig meldet sich die konferenzeigene App immer wieder mit mehr oder minder belanglosen Benachrichtigungen.

Der gesellschaftliche Anspruch an Technologiefirmen, Lösungen für allgemeine Probleme zu bieten und verantwortungsvoll zu handeln, ist offensichtlich in der Start-Up-Szene angekommen, jetzt muss er aber noch mit der existieren Start-Up-Kultur vereinbart werden. Aktuell müssen Gründerinnen wie Elsa Bernadotte, COO des schwedischen Start-ups Karma, das gegen die Verschwendung von Lebensmitteln vorgeht, noch betonen, dass sich auch mit so einem Ziel Geld verdienen lässt.

Die Bits & Pretzels startete am Montag wieder mit der Diskussion um nachhaltiges Wirtschaften und den nötigen Wechsel der existierenden Geisteshaltung. Diesmal mit Joey Zwillinger, Co-Gründer der nachhaltigen Schuh-Marke Allbirds, der existierende "corporate social responsibility" als in der Regel wenig relevantes Anhängsel charakterisiert.

Der Messeteil der Bits & Pretzels wird am Montagabend – wieder prominent – von Jessica Alba abgeschlossen werden. Morgen folgt das "liquid networking" im Schottenhamel Festzelt auf dem Oktoberfest. Seit 2017 ist die Größe der Bits & Pretzels auf 5000 Teilnehmer limitiert, aber das Wachstum soll wohl anderweitig weitergehen: Ohne genauere Details zu nennen, wurden die "Maker Mountains" angekündigt, eine "Media Brand", die die Bits & Pretzels ganzjährig repräsentieren soll. (emw)