CeBIT 1993: Premiere des Pentium lässt Bill Gates kalt

In der Geschichte der CeBIT stellt die Ausstellung 1993 einen wichtigen Meilenstein dar.

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Von
  • Christoph Dernbach
  • dpa

Im Frühjahr 1993 interessierte sich Bill Gates kaum für die CeBIT, die auch damals schon die weltgrößte Computermesse war. Daran änderte selbst die historische Premiere des Pentium-Chips von Microsofts Partner Intel in Hannover nichts. Und auch der erbitterte Wettstreit, den sich sein Microsoft-Team mit IBM im damals noch offenen Rennen zwischen Windows und dem IBM-System OS/2 lieferte, beschäftigte den Microsoft-Mitbegründer im März 1993 nur am Rande. Bill Gates hatte kurz vor Beginn der Messe erfolgreich per E-Mail um die Hand seiner Mitarbeiterin Melinda French angehalten. Nun machte er sich Gedanken darüber, wie die geplante Hochzeit des Paars abgeschieden von der Öffentlichkeit auf Hawaii am Neujahrstag 1994 ablaufen sollte.

In der Geschichte der CeBIT stellt die Ausstellung 1993 einen wichtigen Meilenstein dar. Die Vorstellung des Pentium-Prozessors machte weltweit Schlagzeilen -- auch wenn sonst die Medien außerhalb Deutschlands die CeBIT meist links liegen ließen. Intel führte damals in Hannover nicht nur eine neue Architektur für Mikroprozessoren vor, sondern begründete eine neuartige Marketing-Strategie für IT- Produkte. Der kalifornische Chipkonzern nahm Abschied von technischen Bezeichnungen wie 486DX-66 und führte mit der Marke Pentium einen rechtlich geschützten Begriff ein, der die Konkurrenz auf Abstand halten sollte.

"Die Ankündigung von Intel, einen neuen leistungsstarken Prozessor auf den Markt zu platzieren und ihm auch noch einen eigenen Namen zu geben, brachte wieder Spannung in die PC-Welt", erinnert sich Michael Mikolajczak vom Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn. "Eine neue Ära wurde angekündigt -- und wie sich nachträglich herausstellte: auch zu Recht." Auf unzähligen Plakatwänden am Hannover Messegelände prangte der Slogan Intel inside, mit dem eine der größten Kampagnen in der Geschichte der Werbeindustrie bestritten wurde.

Technisch gesehen sprengte der Pentium damals alle bislang geltenden Leistungsmaßstäbe: Mit 3,1 Millionen Transistoren übertraf er seinen Vorgänger um mehr als das Doppelte. Der erste Pentium- Prozessor war mit 60 MHz getaktet. Doch auch nach der CeBIT 1993 setzte sich Moores Gesetz fort, das der Intel-Mitbegründer Gordon Moore bereits 1965 aufgestellt hatte. Danach verdoppelt sich die Leistung moderner Computerchips alle 18 bis 24 Monate. Die modernen Pentium-4-Chips von heute bestehen aus rund 60 Millionen Transistoren und sind über 3000 Megahertz schnell.

Die CeBIT 1993 präsentierte -- trotz der sich langsam abzeichnenden Übermacht des "Wintel"-Lagers um Microsoft und Intel -- eine Vielfalt an Hardware- und Software-Plattformen, die in den vergangenen zehn Jahren verschwunden ist. Atari stellte damals seinen Rechner Falcon030 vor, der erstmals über eine Farb-Grafikkarte verfügte. Multimedia-Pioniere versammelten sich am Stand von Commodore um zwei neue Amiga-4000-Modelle, die später zur Legende wurden. Und Apple versuchte mit mäßigem Erfolg, Macintosh-Applikationen auch auf großen IBM-Servern zum Laufen zu bringen.

Gleichzeitig lichteten sich aber auch die Reihen der Hard- und Software-Anbieter. Die Türkheimer Schneider AG kündigte auf der CeBIT 93 den Rückzug aus dem PC-Geschäft an. Der sinkende Software-Stern Borland hatte zuvor schon den Auftritt auf der CeBIT abgesagt. Und Steve Jobs, damals Chef von NeXT, hatte vor Messebeginn erklärt, dass sein Unternehmen künftig keine eigene Hardware mehr produzieren werde, um sich ganz auf die Software-Entwicklung zu konzentrieren. Das NeXT-System hat schließlich die vergangenen zehn Jahre überlebt und bildet heute den Kern des viel gelobten Apple-Betriebssystems Mac OS X.

Beim Rückblick auf die CeBIT 1993 stößt man auch auf Ankündigungen von Produkten, die sich überhaupt nicht -- oder erst viel später -- durchsetzen konnten. Dazu gehören der mit Sonnenenergie betriebene Laptop von Zenith Data Systems oder Entwürfe von "Stift"- Minicomputern von Casio und anderen Herstellern, die ohne Tastatur auskommen. Auch die revolutionäre Idee von Designer Luigi Colani, die eckigen Tasten auf den Computer-Keyboards und ihre rechtwinklige Anordnung abzuschaffen, fand nur wenige Anhänger. "Gebt mir vier Jahre Zeit", forderte Colani damals -- doch das reichte nicht aus. Heute sind die meisten Tastaturen eckig wie damals -- und Colani entwirft neue Polizei-Uniformen in Hamburg.

Wie zehn Jahre später befand sich 1993 die Wirtschaft in einem Konjunkturtief. Doch die Aussteller und Besucher trotzten damals den widrigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Mit 660.000 Interessenten erzielte die CeBIT 1993 einen neuen Zuschauerrekord, darunter 74.000 aus den neuen Bundesländern. Die Verbände zogen eine positive Bilanz. Und die Deutsche Messe AG jubelte: "Die Branche geht nach dem CeBIT-Erfolg mit frischem Wind in das konjunkturpolitische Schlüsseljahr 1993." (Christoph Dernbach, dpa) / (jk)